NICHT BOTSCHAFT SONDERN MISSION
Ost-Berlins SED ist unter bestimmten Voraussetzungen bereit, auf ihre Maximalforderung nach formeller völkerrechtlicher Anerkennung der DDR durch die Bundesrepublik zu verzichten. Als Voraussetzungen gelten
* die Bereitschaft zum Austausch von Gewaltverzicht-Erklärungen auch mit Ost-Berlin,
* der Verzicht Bonns auf die Hallstein-Doktrin,
* eine akzeptable Form der Anerkennung bestehender Grenzen und
* die Aufnahme von Regierungsverhandlungen zwischen Bundesrepublik und DDR.
Ergebnis dieser Verhandlungen müßten von beiden Regierungschefs unterzeichnete Abmachungen etwa in der Art der 1967 von DDR-Ministerpräsident Willi Stoph unterbreiteten Vorschläge sein (Stoph hatte damals einen »Vertrag über die Herstellung und Pflege normaler Beziehungen zwischen DDR und BRD« angeboten). Solche Übereinkünfte besäßen zwar ihrem Wesen nach völkerrechtliche Gültigkeit, bedeuteten aber nicht die gegenseitige Anerkennung der beiden deutschen Staaten als Ausland. Die dann zu errichtenden Vertretungen der beiden Staaten bei der jeweils anderen deutschen Regierung sollten deshalb die Bezeichnung »Mission«, nicht aber »Botschaft« tragen.
Eine gegenseitige Anerkennung der »beiden souveränen Staaten deutscher Nation« (Stoph) als Ausland sei der DDR schon deshalb unerwünscht, weil ihrer Staatswirtschaft damit der zollfreie Weg in die Bundesrepublik und mithin in den EWG-Raum verlegt würde. Wenn erst einmal das zwischendeutsche Klima verbessert sei, könne auch zwischen dem West-Berliner Senat und der DDR über Verbesserungen auf den Zufahrtswegen wie über den Zugang der West-Berliner nach Ost-Berlin gesprochen werden.
Eine günstige Ausgangsposition, das betonten DDR- wie Ostblock-Genossen, könne sich die neue Bundesregierung freilich nur dann verschaffen, wenn ihre Bereitschaft zur Bereinigung der offenen Fragen schon in der Regierungserklärung klar erkennbar werde.