CYPERN Nicht so wie die Geistlichkeit
Eines der seltsamsten - in Kalter-Kriegs-Sicht seltsamsten - Zusammenspiele hat den Frühling nicht mehr erlebt: die Wege des Erzbischofs Makarios von Cypern und der cypriotischen Kommunisten liefen bis vor kurzem noch parallel. Von orthodoxen Kirchenkanzeln und in kommunistischen Partei- und Gewerkschaftsversammlungen wurde genau dasselbe gefordert: Anschluß Cyperns an Griechenland.
Jetzt ist so geräuschlos wie irgend möglich auf die kommunistische Propagandamaschine in Cypern eine neue Platte gelegt worden: »Ein selbständiges Cypern!« Der Bürgerkrieg in Hellas ist nicht so ausgegangen, wie man es sich in den KP-Büros gedacht hatte. Man will nun nicht mehr wie die Geistlichkeit.
Von rechts her, aus dem Lager des cypriotischen Erzbischofs Makarios freilich rufen 400000 cypriotische Volksgriechen weiter »Enosis«. Das heißt »Einheit«, Vereinigung mit Griechenland. Das Maß fremder Besetzung sei nun voll, meinen patriotische Priester. Das cyprische Freiheitsbüro in Athen hat es ausgerechnet: 16mal sind fremde Herren auf die Insel gekommen.
Die letzten waren die Engländer, 1878. Lord Disraeli hat die Insel damals unter Bismarckscher Regie in Berlin von den Türken eingehandelt, provisorisch zunächst. 1914 kassierten sie endgültig.
1919 reiste eine Cyprioten-Delegation nach Paris zur Friedenskonferenz. Sie bekam zu hören, daß Wilsons 14 Punkte auf Cypern nicht zuträfen. Seitdem machen die kleinen Handwerker und Dorfgeistlichen in hitziger Befreiungspolitik.
Seit Alexander des Großen Tagen (333 v. Chr.) hat Cypern politisch nicht mehr zu Griechenland gehört. Aber die 40000 Cyprioten haben sich ihr griechisches Volkstum unter byzantinischer, venezianischer und türkischer Herrschaft bis zu den Engländern erhalten.
Fast 20000 britische Soldaten seien jetzt auf der Insel, heißt es. 1939 waren es 1000, unterirdische Tankanlagen der Iraq Petrol Co. und Bunker unter Oliven- und Johannisbrotbäumen sind dazugekommen. Die Bunker sollen im Ernstfall das britische Middle East Command aufnehmen.
Das saß im letzten Krieg noch in Aegypten. Aber Britanniens Herrschaft über die östliche Mittelmeerküste ist problematisch geworden. In Palästina stehen keine Tommies mehr, in Aegypten ist die englische Position geschwächt, und Griechenlands Lage am Rande des kommunistischen Balkans ist exponiert. Bleibt die Insel Cypern. Jordanien und Tripolitanien sollen halbwegs die Flanken schützen.
So ist London sehr empfindlich, wenn jemand an der cyprischen Frage rührt. König Paul von Griechenland ließ mit dem »New York Times«-Korrespondenten Sulzberger einen Interview-Versuchsballon à la Adenauer steigen: Anschluß Cyperns an Griechenland, aber Stützpunkte für England. Griechen-Premier Sophoulis mußte kurz vor seinem Tode den britischen Geschäftsträger in Athen beruhigen.
Auch Präsident Truman machte dem angelsächsischen Bruder zuliebe einen Rückzieher. Im Text für die amerikanische Griechenland-Hilfe war die Angliederung Cyperns an Griechenland ursprünglich empfohlen. Dieser Artikel wurde wieder zurückgezogen.
Die kirchlichen Enosisten haben 1931 sogar mit Waffen gegen England rebelliert, voran die Geistlichkeit. Der Gouverneurspalast brannte. Erzbischof Kyrillos und ein halbes Dutzend Geistliche wurden deportiert.
Kyrillos-Nachfolger Makarios hält es mehr mit demokratischen Willenskundgebungen. Mitte Januar 1950 veranstaltete die griechisch-orthodoxe Kirche eine Privatabstimmung über den Anschluß der Insel an Griechenland. 95 Prozent der Griechisch-Orthodoxen stimmten dafür.
80000 Minderheitstürken auf der Insel, immerhin 20 Prozent der Bevölkerung, wollen es lieber beim status quo lassen. Als Moslems haben sie Angst vor einer orthodoxen Priesterherrschaft. Und die Kaufleute, Industriellen und Hoteliers wollen auch keine Aenderung. England bringt Geld. Immer mehr Pfunde fließen in die altmodischen Eisenschränke.
Arbeitslose gibt es nicht, seit ununterbrochen für die britische Wehrmacht gebaut werden muß: acht Flugplätze und eine große kombinierte englisch-amerikanische Abhörstation sind in letzter Zeit neu entstanden.
Mehr denn je gilt auch für Englands Labourregierung der Bescheid, den ein liberales Kabinett 1894 den Cyprioten gab: »Die Regierung Seiner britischen Majestät hat nicht die Absicht, die Insel Cypern zu räumen.«