CSU-PROGRAMM Nichts drin
Mit einer Demonstration der Stärke wollten die Christsozialen eine Schlappe ausbügeln -- und erlebten einen Reinfall.
Anfang Mai hatte die Schwesterpartei CDU ihren Vorsitzenden Helmut Kohl zum Kanzlerkandidaten ausgerufen, ohne sich um die maulende CSU zu kümmern, die erst mit der CDU über Sachfragen palavern wollte und danach am liebsten ihren Parteichef Franz Josef Strauß zum Kanzlerbewerber gemacht hätte. Jetzt sollte ein Diktat aus Bayern zeigen, daß die CSU wenigstens beim gemeinsamen Wahlprogramm das Sagen hat.
Eine zehnköpfige Kommission der Christsozialen, angeführt von den stellvertretenden Parteivorsitzenden Franz Heubl und Werner Dollinger, hatte den Auftrag erhalten, bis zum 26. Mai die Forderungen der CSU für die Programm-Verhandlungen mit dem CDU-Präsidium zu formulieren. Gespannt warteten am Montag vergangener Woche die Kohlisten in der Chefetage des Bonner Adenauer-Hauses darauf. was bei der Münchner CSU-Vorstands-Sitzung herauskommen würde, auf der die Heubl/Dollinger-Kommission die Ergebnisse ihres Schaffens vorlegen sollte. Doch schon nach knapp zwei Stunden gingen die CSU-Vorständler mürrisch auseinander.
Blamabel für Strauß: Die CSU-Denker waren nicht imstande, den lauthals angekündigten Katalog zur Außen-, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik fristgerecht zu präsentieren -- mangels Masse.
Kleinlaut hatte Kommissionsmitglied Friedrich Zimmermann, stelltretender Chef der Bonner CSU-Landesgruppe, seinen schwarzen Brüdern im Münchner Parteivorstand gestanden, es gebe nichts zu beschließen. Denn die bislang ausgearbeiteten Papiere seien »noch nicht diskussionsreif«. Er könne einstweilen nur Schwerpunkte nennen -- und formulierte Gemeinplätze: In der Mitbestimmung müßten unternehmerische Eigenverantwortung und Grundsatz des Privateigentums an Produktionsmitteln gewährleistet bleiben; für Vermögensbildung sei nichts drin; in der Außenpolitik sollten atlantische und europäische Fragen Vorrang haben.
Andere Mitglieder der CSU-Kommission präsentierten statt ihrer Programm-Entwürfe fadenscheinige Entschuldigungen. Bayerns Bonn-Minister Heubl gab an, er habe Zahnschmerzen gehabt und sich den Kiefer behandeln lassen. Der einstige Postminister Dollinger stellte sich als gehetztes Opfer seiner Polit-Laufbahn dar. Vielfältige Verpflichtungen ließen ihm kaum noch Zeit für Denkarbeit,
Kommissionär Theodor Waigel, MdB und Chef der sogenannten CSU-Grundsatzkommission, war gar nicht erst erschienen -- aus demselben Grund, aus dem er sich nicht auf das Positionspapier hatte konzentrieren können: Waigel weilte im Iran.
Erich Kiesl, Staatssekretär im bayrischen Innenministerium, versuchte es mit Vorwärtsverteidigung: »So kann man das nicht machen«, man müsse ja schließlich vorankommen. Dabei hatte er selbst seinen Kommissions-Beitrag über öffentliche Sicherheit erst kurz vor der Vorstandssitzung abgeliefert.
Da hielt es sogar CSU-Generalsekretär Georg Tandler für angebracht, einmal ein paar kritische Worte zu riskieren: Was denn los sei, »erst beschließen wir was, dann sind 14 Tage rum, und es liegt nichts vor«. Doch gleich nach diesem milden Ausbruch wollte der stets um das Wohlwollen des Vorsitzenden bemühte Tandler den Seinen wieder eine Freude machen. Er ließ das Ergebnis einer Umfrage zirkulieren, wonach bei einem gemeinsamen Antreten von CDU und CSU in Bayern nur das von der CSU auch allein erreichte Landtagswahlergebnis von 62 Prozent erzielt worden wäre (42 Prozent CSU, 20 Prozent CDU). In Nordrhein-Westfalen aber hätten die kombinierten Parteichristen gesiegt: mit der absoluten Mehrheit von 52 Prozent (45 Prozent CDU, sieben Prozent CSU).
Parteichef Strauß war mit solchem Nachkarten nicht aufzuheitern. Er zeigte sich sichtlich verdrossen über die Unfähigkeit seiner Leute, enthielt sich aber direkter Kritik. Nur beim Verabreden einer neuen Sitzung des Redaktionskomitees grummelte der Oberbayer: »Wir kommen vor lauter Terminen nicht mehr zum Arbeiten.«
Der Grund für die Zurückhaltung: An Strauß wäre die fristgerechte Vorlage des Kommissionspapiers ohnehin gescheitert. Selbst wenn die Experten unter Heubl und Dollinger noch auf den letzten Drucker mit einer diskussionsreifen CSU-Vorlage zur Hand gewesen wären, sie hätten das Werk nicht mehr mit dem Vorsitzenden abstimmen können: Strauß sonnte sich in den Tagen vor der verkorksten Vorstandssitzung gemeinsam mit Ehefrau Marianne in Spanien.