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Briefe

Nichts für einen Hugenotten
aus DER SPIEGEL 13/1976

Nichts für einen Hugenotten

(Nr. 10/1976, SPIEGEL-Titel »100 Jahre Bayreuth -- Firma Wagner & Co«; Nr. 12/ 1976, Briefe: »Hojotoho!")

Ihre Titel-Geschichte über Bayreuth ist in deutschen Landen nicht auf ungeteilte Zustimmung gestoßen, wie ich dem Leserecho entnehme. Sie haben aber einen integren, höchst prominenten Zeugen auf Ihrer Seite, unseren Theodore Fontane. In seinem Brief vom 19. August 1889 an seinen Freund Karl Zöllner ist zu lesen:

»Von Kissingen aus war ich auf drei Tage in Bayreuth, um »Parsifal« und »Tristan und Isolde« zu hören. Sonntag »Parsifal«, Anfang 4 Uhr. 1500 Menschen drin, jeder Platz besetzt. Mir wird so sonderbar. Alle Türen geschlossen. In diesem Augenblicke wird es stockduster, nur noch durch die Gardinen fällt ein schwacher Lichtschimmer, genau wie in »Macbeth«, wenn König Duncan ermordet wird. Und nun geht ein Tubablasen los, als wären es die Posaunen des Letzten Gerichts. Mir wird immer sonderbarer, und als die

Ouvertüre zu Ende geht, fühle ich deutlich, noch drei Minuten, und du fällst ohnmächtig oder tot vom Sitz. Also wieder raus. Ich war der letzte gewesen, der sich an 40 Personen vorbei bis auf seinen Platz, natürlich neben der »Strippe«, durchgedrängt hatte, und das war jetzt kaum zehn Minuten. Und nun ebenso zurück. Ich war halb ohnmächtig, aber ich tat so, als ob ich"s ganz wäre, denn die Sache genierte mich aufs äußerste. Gott sei Dank wurde mir auf mein Pochen die Tür geöffnet, und als ich draußen war, erfüllt mich Preis und Dank. Nur das Dankgefühl des Türhüters konnte mit dem meinen vielleicht rivalisieren, denn er kriegte nun mein Billet, das er sofort für 15 Mark oder auch noch teurer (denn es wurden ganz unsinnige Preise bezahlt) an draußen Wartende verkaufen konnte. Mein »Tristan«-Billet schickte ich am anderen Morgen zurück und vermachte den Betrag einer »frommen Stiftung« ... Die ganze Geschichte -- außerdem eine Strapaze -- hatte gerade 100 Mark gekostet, und doch bedaure ich nichts. Bayreuth inmitten seiner Wagner-Saison gesehen zu haben ist mir soviel wert.«

Berlin GÜNTER RUTENBORN Direktor des Hugenottenmuseums in der Deutschen Demokratischen Republik Einer Teilauflage dieser SPIEGEL-Ausgabe ist eine Postkarte des SPIEGEL-Verlages beigeklebt.

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