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VERLAGE / BASTEI Nichts geht über Cotton

aus DER SPIEGEL 16/1968

Von G-man Jerry Cotton ließ er sich den Weg zur ersten Million freischießen. Später kassierte er bei Rubens und Rembrandt, jetzt macht er auch mit Bach und Beethoven sein Geschäft: Gustav Heinrich Lübbe, 49, Deutschlands größter Verleger von Groschenromanen, produziert klassische Musik fürs Volk zu fünf Mark je Langspielplatte.

Wie die meisten übrigen Erzeugnisse aus Lübbes Bastei-Verlag in Bergisch Gladbach gibt es auch die Platten -- eine Musikzeitschrift ist im Preis inbegriffen -- am Zeitungskiosk. Die Orchester haben nicht immer höchsten internationalen Kurswert, aber Verleger Lübbe hat schon aus anderem Material Geld gemacht.

Fast eine Million Mark ließ er sich die Werbung für sein musikalisches Unternehmen bislang kosten. Von 140 000 Platten mit Tschaikowskis Violinkonzert (Solist: David Oistrach) wurden schon 100 000 verkauft, und Lübbe erwartet für Ende dieses Jahres ersten Gewinn: »Solche Objekte brauchen anderthalb Jahre Zeit, bis sie plus minus null stehen.

Es ist Lübbes zweiter Furt mit der Kunst. Der erste, die »Bastei-Galerie der großen Maler«, präsentiert sich als Serie von Kunstdruck-Magazinen mit Reproduktionen berühmter Gemälde zum Heftpreis von vier Mark. Beide Affären bereiten Lübbe doppelt Lust, kommerziell und als Stärkung seines verlegerischen Ansehens.

Denn der Bastei-Verlag ruht bis heute auf den Groschenheften, die immer noch rund die Hälfte des Gesamtumsatzes bringen. Knapp 40 Prozent des Marktes gehören Lübbe, fast zwei Millionen Exemplare schüttet er allwöchentlich über Westdeutschland aus. Als er vor 15 Jahren begann, waren es nur 15 000 pro Woche.

Bauernsohn Lübbe war als Hauptmann mit Abitur aus dem Krieg gekommen und dann Feuilleton-Redakteur bei der Osnabrücker »Neuen Tagespost« geworden. 1953 übernahm er für 17 000 Mark, davon 12 000 Mark Schulden des Vorbesitzers, eine unbedeutende Heft-Manufaktur, und binnen drei Jahren hatte er das Erfolgsrezept gefunden.

Lübbe heute: »Ich bin der erste Verleger in dieser Branche gewesen, der Heftromane redigieren ließ. Die Leser merken es, ob ein solcher Roman redigiert ist oder nicht.« Er heuerte statt pensionierter Beamter oder unbefriedigter Hausfrauen professionelle Schreiber als Autoren, zahlte bessere Honorare (heute: bis zu 2000 Mark) und setzte ein Redaktions-Team ein.

Vor allem aber gebar er 1955 Jerry Cotton, den G-man, schlagstark und Jaguar-motorisiert, dabei stets korrekt und mit guten Sexualmanieren. Cotton-Autoren vermieden, gemäß einer Verlags-Anweisung, »die Rechtfertigung ungesetzlicher Methoden bei der Bekämpfung von Verbrechen«. Der Held, »der auf seiten des Rechts steht, darf keine Einbrüche begehen ... keine Selbstjustiz üben, keine Aussagen erpressen usw.«.

Untersagt sind auch »die realistische Schilderung des intimen Verkehrs oder anderer sexueller Handlungen, die Verherrlichung und Rechtfertigung des vor- und außerehelichen Verkehrs und die Bagatellisierung des Ehebruchs«.

Der amerikanische Polizist wurde zum James Band der Heftleser, das ist fast ein Drittel aller Bundesbürger, und zum Kassenschlager für Gustav Lübbe: »Im August 1967 haben wir den hundertmillionsten Cotton-Roman verkauft.«

Heute ist der Katalog von Lübbe-Objekten stattlich. Er umfaßt unter anderem 15 Romanreihen, drei Jugendhefte, fünf Rätselzeitungen sowie Taschenbücher und eine Druckerei mit 1,5 Millionen Mark Fremdumsatz. Aber nichts geht über Cotton.

Seine Abenteuer werden im Einzelheft, in Sammelheften und als Taschenbuch verkauft; insgesamt fünf Millionen Bastei-Pocketbooks sind für 1968 eingeplant. Sechs Cotton-Filme wurden bisher gedreht, sie spielten 29 Millionen Mark ein, am Gewinn war Lübbe mit zehn Prozent beteiligt. Ein siebter Cotton-Streifen ("Der Tod im roten Jaguar") ist derzeit im Atelier.

Der Cotton-Verleger braucht keine Konkurrenz mehr zu fürchten. Außer ihm gibt es im stark geschrumpften Feld der Heftemacher nur noch vier nennenswerte Firmen:

* den Erich Pabel Verlag, der vor allem Landser-Garn spinnt;

* den Martin Kelter Verlag, der überwiegend in Herz macht;

* den Moewig-Verlag, der unter anderem Weltraumabenteuer im Programm hat;

* den Wolfgang Marken Verlag, der vom Erfolg der ältesten Groschen-Roman-Serie Deutschlands, der Lore-Romane, zehrt.

Bestehen kann im Heftgeschäft nur, wer wie Lübbe den Lesestoff rationell am Fließband produziert und ihn über ein dichtes Vertriebsnetz absetzt. Mit Restbeständen gibt sich der Bastei-Verleger nicht ab. Was nach drei Monaten noch bei Händlern liegt, wird eingesammelt und neu verteilt. Bleibt dann noch etwas übrig, dann geht es ins Ausland oder erscheint, in Sammelbände gepackt, zum drittenmal am Kiosk.

Gustav Heinrich Lübbe hat sich in Bergisch Gladbach so eingerichtet, wie es seine Leser von einem Millionär erwarten. Im vorigen Jahr bezog er ein neu erbautes Haus mit Swimmingpool. Dort feiert Lübbe gern mit der Prominenz der Stadt, aber in seinem Herzen scheint das heimliche Leid zu wohnen, als König der Groschenhefte abgestempelt zu sein.

Denn er sucht das Seriöse, nicht nur bei Kunstbüchern und Konzertplatten. Seit fünf Jahren betreibt Lübbe einen Verlag für ernsthafte Literatur, der unter anderem eine illustrierte Dante-Ausgabe (Preis: 98 Mark) veröffentlichte.

Das Glücksgefühl, richtige Bücher zu verlegen, läßt sich der Romanfabrikant etwas kosten: Sein Buchverlag ist das einzige Geschäft, bei dem er ständig zusetzt.

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