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CDU/CSU Nichts Spinnertes

aus DER SPIEGEL 53/1970

ranz Josef Strauß beschwor die Einheit der Christenunion: »Nur gemeinsam« werde den beiden Schwesterparteien die Rückkehr in die Staatsmacht gelingen. Bei der Zusammenkunft der Führerzirkel von CDU und CSU am Mittwoch vorletzter Woche im Bonner Bundeshaus mahnte der Bayer die Partei-Oligarchen, »Gegensätze innerhalb der Union gar nicht erst wirksam werden zu lassen«.

Doch die ideologischen Gegensätze zwischen der Strauß-Partei, die sich in ihrem Programm selbst als »konservativ« bezeichnet, und den Reformern in der CDU, die den Ruch der Rückständigkeit fürchten, zeigten sich bei dem Bonner Spitzen-Meeting deutlicher denn je. Strauß-Vertrauter Richard Stücklen, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag, machte dem CDU-Chef Kurt Georg Kiesinger klar, daß die CSU den Programmentwurf der Schwesterpartei, der Ende Januar in Düsseldorf vom Parteitag verabschiedet werden soll, für gefährlich hält. Stücklen: »Da sind einige Punkte im neuen CDU-Programm, die können wir nicht billigen.«

Ex-Minister Hermann Höcherl (CSU) erläuterte: »Ein paar feine Herren bei euch, die wollen die ganze Gesellschaftspolitik umkrempeln. Da machen wir nicht mit.« Strauß: » Solange Ihr diese Linksabweicher duldet, müssen wir aufpassen.«

Die vom Programm-Entwurf des CDU-Vorstands erschreckten CSU-Führer nannten die Namen der mißliebigen Herren: Hans Katzer, stellvertretender CDU-Vorsitzender und Chef der christdemokratischen Sozialausschüsse, und Norbert Blüm, Katzers Hauptgeschäftsführer.

In der Tat hatten Katzer und Blüm diejenigen Passagen in den Programm-Entwurf der CDU eingebracht, die den bayrischen »Traditionalisten« (Blüm) am wenigsten schmeckten.

So war die Mehrheit der 33 CDU-Vorstandsmitglieder Ende November dem Antrag der beiden Linken gefolgt, künftig die Lehrlingsausbildung nicht mehr allein den von Privatunternehmern beherrschten Industrie-, Handels- und Handwerkskammern zu überlassen. Vielmehr sollte die Berufs-Lehre einer »Bundesanstalt für Arbeit und berufliche Bildung« zugeordnet und durch eine allgemeine Berufsbildungsabgabe finanziert werden.

CSU-Mittelständler Stücklen sah die Interessen des Handwerks bedroht: »Eine Verstaatlichung, bei der die Lehrlingsausbildung aus der Hand der Handwerkskammern herausgenommen wird, müssen wir ablehnen.«

Zweiter Hauptpunkt der CSU-Scheite: In der Mitbestimmungsfrage lehne sich der Programmentwurf zu eng an das Gutachten der -- von CDU-Kanzler Kiesinger 1967 eingesetzten -- Biedenkopf-Kommission an und mißachte Unternehmerinteressen. Die Strauß-Gefolgschaft störte sich zwar nicht an der Übernahme des Biedenkopf-Modells für die Besetzung der Aufsichtsräte, das den Kapitaleignern stets die Mehrheit sichert. Wohl aber sei die Beteiligung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat bei der Vorauswahl des Vorstands aus bayrischer Sicht abzulehnen.

Stücklen abschließend zu den CDU-Führern: »Wir wollen das hier vorsorglich sagen, und wir weisen darauf hin, daß ein CDU-Programm nicht ohne den Segen der CSU das Programm der Unions-Fraktion im Bundestag wird.«

Stücklens »nachhaltigem Argwohn« gegen »progressiv erscheinende Ideen« schlossen sich tags darauf auch Strauß und Höcherl vor Bonner Journalisten an. Höcherl: »Wir fangen in der Sozialpolitik da an, wo Mängel sind, und wir machen nichts Spinnertes.« Die CSU vertrete eine soziale Marktwirtschaft, die noch »die reine Lehre« sei.

Die massive CSU-Kampagne wirkte noch am selben Tag. Altkanzler Kiesinger distanzierte sich vor dem Bundesausschuß seiner Partei von Programm-Erkenntnissen, denen er selbst Im November zugestimmt hatte. Zur Wirtschaftspolitik stellte der Partei-Vorsitzende fest, die CDU versuche »keine modernistische Anpassung«, sondern handele nach »bewährten Wirtschaftsprinzipien.

Vorstands-Mitglied Blüm jammerte: »Was für ein Selbstbewußtsein hat die CDU eigentlich, wenn sie schon anfängt zu flattern, sobald Strauß nur rülpst.«

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