VERFASSUNGSSCHUTZ Nichts Unsittliches
Am 13. Juni 1939 bescheinigte Reichsjustizminister Franz Gürtner 29 jungen Juristen: »Der Stellvertreter des Führers hat Einwendungen gegen die Ernennungen nicht erhoben.« Unter den der NS-Justiz auf Lebenszeit genehmen Assessoren war auch ein SA-Mann, Sturm Münster -- Hubert Schrübbers, damals 31. Er wurde Staatsanwalt.
Schrübbers klagte in Hamm an, in Köln, Düsseldorf und Karlsruhe. Erst war er einfacher, dann Erster, später Ober- und schließlich Generalstaatsanwalt. dazwischen noch beim Obersten Gerichtshof für die britische Zone und bei der Bundesanwaltschaft.
In der NS-Zeit beschuldigte er staatsgefährdende Kommunisten, in der Nachkriegszeit »kompensierte« (Schrübbers) er das mit Strafanträgen gegen staatsverheerende Nationalsozialisten. Und seit 16 Jahren verfolgt der erfahrene Jurist linke wie rechte Extremisten -- als Hüter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik. Denn am 1. August 1955 wurde Schrübbers, der damals überhaupt nicht und später nur einmal, aber eher beiläufig mit dem CDU-Bundesinnenminister Paul Lücke über seine Amtsausübung im Dritten Reich sprach, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Köln.
»Man muß ja auch ein bißchen Selbstdisziplin und Stehvermögen haben«, sinniert nun der Präsident über seine berufliche Vergangenheit. Solche Eigenart des bundesdeutschen Verfassungsschützers im NS-Staat war bislang öffentlich unbekannt -- ebenso der Ausgang von Verfahren gegen Regimefeinde, an denen Staatsanwalt Schrübbers zumindest in den Jahren 1940 und 1941 zigfach mitgewirkt hat (siehe Kasten).
Die Urteile, erinnert er sich, hätten »in aller Regel« seinen Strafanträgen entsprochen.
Wegen Spenden von 20 Pfennig für politische Häftlinge im Jahre 1934 wurde ein Kommunist sieben Jahre später am 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm angeklagt und zu anderthalb Jahren Zuchthaus verurteilt, und gegen einen 1933 emigrierten KPD-Hauptkassierer beantragte und erreichte Schrübbers 1941 viereinhalb Jahre Zuchthaus wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens.
Schrübbers zum SPIEGEL: »Ich kann nichts Unsittliches in diesem Tatbestand als solchem finden.« An seinem persönlichen Umgang mit diesem Strafbestand findet er ebenfalls nichts auszusetzen: »Wenn man überhaupt damals staatsanwaltlicher Tätigkeit ausweichen wollte, war das falsch.«
Ihm sei es, beteuert er nun, darum gegangen, den Zugriff der Gestapo zu verhindern -- denn »im Gerichtsgefängnis waren die gut aufgehoben«. Auch deswegen, meint Katholik Schrübbers. »konnte man durchaus mit seinem Gewissen vereinbaren, das zu machen«.