PHILIPPINEN Nie vergeben
In der Kirche nahm Ferdinand E. Marcos, Präsident der Philippinen, Benigno Toda jr., den Eigentümer der Philippine Airlines (Pal), der wichtigsten Fluggesellschaft des Landes, zur Seite. »Benny«, so fragte der Präsident den Airlines-Boß, »wieviel schuldet meine Frau der Pal?«
Toda schaute den Präsidenten an, dann seine Gattin Imelda, die neben ihm stand, und eingedenk der geweihten Stätte antwortete er: »Nichts, Herr Präsident.«
Marcos aber entgegnete: »Nein, ich will es wirklich wissen. Schick mir die Rechnung.«
Nun beging Toda einen folgenschweren Fehler. Anstatt die Gelegenheit zu Großmut und Selbstverzicht, die sich hier bot, zu ergreifen, gelang ihm nur schwächliche Halbherzigkeit: Schickte er doch tatsächlich eine Rechnung für die der reiselustigen Präsidenten-Gattin geleistete Flugdienste in Höhe von sechs Millionen Mark. Was half es schon, daß Toda dabei nur die Hälfte seiner Forderungen geltend gemacht hatte -- das Präsidentenpaar war empört und dachte fortan nur ans Heimzahlen, nicht ans Zurückzahlen.
Dies, so haben »Washington Post«-Journalisten recherchiert, sei der wahre Hintergrund der Übernahme von Pal durch den Staat. Offiziell spielten nur wirtschaftliche Gründe für die Transaktion eine Rolle. Es sei an ein Expansionsprogramm gedacht, hieß es, eine Flotte von Boeing-Jumbo-Jets solle gekauft werden.
Auffällig aber war, daß kurz nachdem sich der peinliche Zwischenfall mit der Rechnung ereignet haben soll, Manilas »Evening Post« eine Serie von Artikeln veröffentlichte, die allesamt Management-Fehler bei Philippine Airlines (28 Düsenflugzeuge, 10 Turboprop-Maschinen, Einnahmen: etwa 300 Millionen Mark) anprangerten.
Herausgeberin und Chefredakteurin der »Evening Post« ist Kerima Polotan-Tuvera. Autorin der offiziell autorisierten Biographie von Imelda Marcos.
Kurz danach führte das »Times Journal«, ein Blatt, das von einem Bruder der Präsidentengattin Imelda kontrolliert wird, die Kampagne weiter. Die anderen, etwas unabhängigeren Zeitungen Manilas gingen auf das Thema nicht ein.
Doch nach den publizistischen Vorbereitungen kam Marcos zur Sache. Mit der gleichen Direktheit, wie das Präsidentenpaar und sein Klan die Kontrolle über alle wichtigen Wirtschaftszweige des Landes erwarb, brachten die beiden, wie jetzt US-Journalisten recherchierten, auch die Pal-Gesellschaft an sich.
Das kam so: Vergangenen Oktober bestellte Marcos den Airlines-Herrn Toda zu sich in Manilas Malacanang-Palast. In einem Hinterzimmer, nur bestimmt für vertrauliche Unterredungen, soll der Präsident gefragt haben: »Benny, bist du bereit, die Kontrolle über Pal an die Regierung zu übergeben und deine Aktionärsrechte nicht auszuüben?«
Todas Antwort: »Aber natürlich, Herr Präsident.« Vertraute Todas meinten anschließend, daß er natürlich klug genug gewesen sei zu erkennen, daß Widerstand gegen einen Mann mit der Machtfüllle des philippinischen Präsidenten sinnlos erschien.
Für die Entwicklung, so meint ein Toda-Vertrauter, sei niemand anders als Imelda Marcos verantwortlich, die Frau, die Marcos zur Gouverneurin von Manila machte und die er vorzugsweise auf diplomatischen Missionen in alle Welt zu entsenden pflegt.
Pal-Angestellte erzählen sich von den Extravaganzen der philippinischen First Lady, die auf ihren Flugreisen stets ihren offiziellen Auftrag mit Privatem zu verbinden gewußt habe.
So mußte die ihr zur Verfügung stehenden Pal-CD-8 oft wochenlang zu hohen Kosten auf sie warten, während Imelda Marcos ausführliche Besuchsprogramme im Nahen Osten, Europa oder den USA absolvierte.
Einmal auch habe die First Lady darauf bestanden, daß ihre Maschine in London nach der Nachtsperrstunde startete. Dafür mußte Philippine Airlines eine hohe Geldstrafe wegen der Lärmbelästigung zahlen.
Inzwischen wartet Benigno Toda auf seiner Privatinsel auf eine Entschädigung für die De-facto-Enteignung seiner Luftlinie. Zwar hatte Marcos versprochen, Toda für seine 1,78 Millionen Philippine-Airlines-Aktien auszuzahlen. Aber Toda wartet immer noch.
Auf seiner Insel fühlt er sich auch nicht mehr sicher, seit ein Freund von Marcos die Nachbarinsel in seinen Besitz brachte. Toda möchte sein Eiland gern verkaufen, bevor auch das ihm von Marcos genommen wird.
Als der Präsident vergangenen Monat gefragt wurde, wann Toda wohl ausbezahlt werde, antwortete Marcos: »Ich glaube wirklich, er ist bezahlt.«