FRANKFURT Noch nie so einig
Nach den letzten hessischen Kommunalwahlen am 23. Oktober 1960 versicherte Frankfurts SPD-Oberbürgermeister Werner Bockelmann: »Ich werde unbedingt in Frankfurt bleiben, denn man, darf in der kommunalen Arbeit nicht alle paar Jahre das Pferd wechseln.«
Mitte April 1964 sattelte der Oberbürgermeister dennoch um: Er nahm die Wahl zum Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages an.
Der Entschluß des Städtetages, Werner Bockelmann, 56, als Manager anzuheuern, war einleuchtend. Bockelmann gilt als einer der fähigsten Kommunalpolitiker der Bundesrepublik.
Der in Moskau geborene Bankierssohn, der vor dem Krieg als Rechtsanwalt in Hamburg juristische Umsicht und dann als Marinezahlmeister auch Verwaltungserfahrung sammelte, begann seine kommunalpolitische Karriere 1945 als Oberbürgermeister von Lüneburg. Zehn Jahre später holte ihn die Industriestadt Ludwigshafen als OB, wiederum zwei Jahre später die Main -Metropole Frankfurt.
Zwar erreichte Bockelmann in der höchstverschuldeten (1,3 Milliarden Mark), sechstgrößten und von einer SPD-Mehrheit kontrollierten Stadt Westdeutschlands nicht die breite Popularität seines gewichtigen und tierliebenden Vorgängers Kolb. Aber vor allem im bürgerlichen Lager wurde sein Bestreben anerkannt unparteiisch zu verwalten.
Was ihn dennoch veranlaßte, aus seinem Frankfurter Amt und damit auch aus der Reihe der wenigen profilierten Oberbürgermeister Westdeutschlands zu scheiden, erklärte Bockelmann in der letzten Woche: Auf Anraten der Ärzte wolle er die Belastungen als Oberbürgermeister nicht länger tragen. Noch sei er nicht organisch erkrankt, leide aber an funktionellen Kreislaufstörungen.
Offenbar resultierten die Kreislaufstörungen aus Reibereien mit der Frankfurter SPD-Fraktion, die ihrem OB dauernd Schwierigkeiten machte, sich beispielsweise der maßvollen Investitionspolitik Bockelmanns nicht anschloß und den Schuldenberg der Stadt höher anwachsen ließ als es der Stadtvater verantworten mochte.
Bockelmann habe die Kraft gefehlt, sich souverän gegen seine Parteigenossen durchzusetzen, schrieb die »Frankfurter Neue Presse": »Dabei verschliß er seine gesundheitlichen Kräfte. Er vertrug das Milieu der Frankfurter SPD nicht.«
Bezeichnend für das kühle Verhältnis zwischen Partei und Oberbürgermeister war, daß die Frankfurter SPD nichts unternahm, ihren Mann zum Bleiben zu bewegen. Sie wählte schon einen Nachfolger, bevor Bockelmann seinen Rücktritt überhaupt offiziell erklärt hatte.
Bockelmann zeigte sich zum Abschied versöhnlich: Es gebe keine Zerwürfnisse mit der Frankfurter SPD. »Im Grunde«, sagte er, »sind wir uns noch nie so einig gewesen wie in den letzten Wochen.«
Nur: »In Frankfurt würde man mich in spätestens zwei Jahren dienstuntauglich schreiben müssen.«
Frankfurter OB Bockelmann
Stadtvater quittierte