Zur Ausgabe
Artikel 2 / 115

Nur die Verluste gelten als sicher

Weil die Erträge geschönt waren, kümmern sich nun Staatsanwälte um einzelne Windfonds.
aus DER SPIEGEL 14/2004

Rendite mit gutem Gewissen« verspricht die Prokon Capital GmbH bei ihren Fonds. Der Windpark werfe jährliche Gewinne von zehn Prozent und ein »steuerliches Ergebnis von minus 100 Prozent« ab, lockt der Anbieter aus Itzehoe ökologisch orientierte Steuersparer.

Für einen aktuellen Windfonds des Umweltkontors Renewable Energy werden sogar Ausschüttungen von »durchschnittlich ca. 16 Prozent p. a. (inkl. Rückzahlung der Einlage)« versprochen. »Von Grund auf sichere Anlagen«, wirbt die Abo Wind AG in Ökomagazinen für ihren Bürgerwindpark Wennerstorf.

Etwa 130 000 Besserverdiener lockte die Aussicht auf ein reines Gewissen, zweistellige Renditen und dreistellige Steuerspareffekte in die Windfonds. Die neuen Windmüller freuen sich nun über jeden Windstoß, der über die Republik fegt. Sie sind Mitbesitzer von geschlossenen Fonds, die seit 1996 für insgesamt mehr als sieben Milliarden Euro über 15 000 Windräder aufgestellt haben.

Ohne hohe Steuersparanreize für Besserverdiener wäre der Boom nicht möglich gewesen. Wie schon bei den Ostimmobilien sorgt der Staat mit massiven Anreizen dafür, was wie viel gebaut wird. Und noch eine Parallele gibt es - ähnlich wie bei mieterlosen Einkaufszentren, leeren Büros und Eigentumswohnungen in den neuen Bundesländern werden viele Anleger feststellen, dass einzig die steuermindernden Verluste wie versprochen eingetroffen sind. »Da läuft derselbe Schmarren wie bei den Ostimmobilien«, sagt der Münchner Anwalt Mike Glückstein, der zahlreiche geschädigte Anleger vertritt.

Das Steuersparmodell funktioniert so: Jeder Euro, der in den Bau der Windräder gesteckt wird, mindert als Verlustzuweisung die Steuerlast. Das macht es vor allem für Spitzenverdiener attraktiv, in die Windfonds zu investieren. Wer beispielsweise inklusive Soli-Zuschlag auf einen Steuersatz von 47 Prozent kommt, kann den Fiskus bei einer Verlustzuweisung von 100 Prozent durch die gesparten Steuern bis zur Hälfte an den Investitionskosten beteiligen. Erst wenn der Wind wie gewünscht bläst, müssen später die Gewinne versteuert werden.

Doch die Erträge sind im Gegensatz zu den Verlustzuweisungen keinesfalls sicher. Die Superrenditen von acht bis zehn Prozent im Jahr, die den Anlegern meist von den Fondsanbietern versprochen werden, wird es eher selten geben. Etliche Fonds stehen kurz vor der Pleite.

Zwar gibt es auch Fonds, die ihre Prognosen halbwegs einhalten und gute Renditen abwerfen. Doch in vielen Fällen gingen naive Politiker, gierige Anleger und abgezockte Fondsbetreiber eine unheilige Allianz ein. »Es wird derzeit viel diskutiert, welche Farbe der Strom hat - unser ist grün«, sprach im November 1999 stolz der Bürgermeister von Willmersdorf bei der Eröffnung des damals größten Windparks in Brandenburg. Die Firma Provento aus Koblenz hatte 30 Windräder à 70 Meter aufgestellt. Der rheinland-pfälzische Landtagsabgeordnete Dietmar Rieth lobte bei der Eröffnung die Anlage als wichtigen Beitrag zur Stärkung der erneuerbaren Energien. Kurze Zeit später machte der energiepolitische Sprecher der Grünen im Landtag als Provento-Vorstand Karriere.

Seit 2003 gibt es die Provento Beteiligungsgesellschaft nicht mehr. Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt gegen vier damals Verantwortliche, darunter den früheren Landtagsabgeordneten Rieth. »Gegen die Beschuldigten besteht der Verdacht der Untreue durch zweckwidrige Verwendung von Anlegergeldern sowie von Insolvenzstraftaten«, sagt der Koblenzer Oberstaatsanwalt Jürgen Brauer. Vermögenswerte sollen zu Unrecht zwischen einigen der insgesamt 26 Fondsgesellschaften hin und her geflossen, kritische Windgutachten unterschlagen worden sein. Zwei Mitarbeiter haben nach den Erkenntnissen der Staatsanwälte Eigenkapital in Aktienfonds verspekuliert.

Rieths Verteidiger Markus Schmuck relativiert die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft. Gegen Rieth werde nur wegen der Insolvenzvorwürfe ermittelt, er sei unschuldig.

»Die Winderträge lagen bei den Fonds bis zu 50 Prozent unter den prospektierten Werten«, sagt Anwalt Glückstein. Nur 15 bis 20 Prozent gehen auf Kosten des launischen Windes, der in den vergangenen drei Jahren unterdurchschnittlich blies und deshalb momentan für alle Missstände in der Branche herhalten muss. Die restlichen bis zu 30 Prozent Windertrag aus den Provento-Prognosen stellten sich, so Glückstein, nun als Luftnummern heraus, wie sie auch bei anderen Fonds allzu häufig vorkommen.

Wenn der Wind nur flau weht oder die reparaturanfälligen Räder zu lange stillstehen, geraten die Fonds schnell ins Trudeln. Das liegt an dem hohen Fremdkapitalanteil von zurzeit durchschnittlich 70 Prozent. »Die sind aggressiver finanziert als viele Immobilienfonds«, urteilt der Fondsexperte Stefan Loipfinger.

Je höher der Fremdkapitaleinsatz, desto größer die prozentuale Steuerersparnis auf das eingesetzte Eigenkapital. Die Banken machen mit, weil ein Großteil des Kredits von staatlichen Förderbanken wie der Kreditanstalt für Wiederaufbau kommt. Auch hier finanziert der Staat den scheinbar guten Zweck - und schafft zweifelhafte Anreize.

Bei einigen Provento-Fonds liegt die Rechnung schon auf dem Tisch. Um die Fonds zu retten, sollen die Banken auf Forderungen verzichten und die Anleger gutes Geld dem schlechten hinterherwerfen. »Die Anleger müssen bis zu 50 Prozent ihres Anteils zur Rettung der Fonds nachschießen«, sagt Glückstein. Die Anleger würden bis zum 2,6fachen ihrer Einlage haften, Steuervorteile gebe es diesmal nicht mehr.

Derweil wundern sich Politiker im Kölner Umland, warum die Firma Provento zwei noch im April 2003 genehmigte Windräder mit einer Maximalhöhe von 99 Meter nicht baut. Im Stadtgebiet von Hürth sind 100 Hektar für solche natürlich heftig umstrittenen Windtürme ausgewiesen. Vielleicht sollten sich die Hürther mal bei der Staatsanwaltschaft Koblenz erkundigen, wem sie die Verschönerung des Stadtgebiets anvertraut haben. CHRISTOPH PAULY

Mehr lesen über

Zur Ausgabe
Artikel 2 / 115
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren