UMWELT Nur eine Fassade
Zu Hause in Colorado traut man ihr zu, »einen Bären mit bloßen Füßen totzutreten«. In Washington fürchten Untergebene sie als die »eisige Königin": Anne Gorsuch, 40, von Ronald Reagan berufene Direktorin der US-Umweltschutzbehörde Epa (Environmental Protection Agency), gilt als knallhart und eiskalt.
Die attraktive Epa-Chefin bestätigte vorletzten Sonntag diesen Ruf. Obwohl im Mittelpunkt der vielleicht ernstesten Krise der Reagan-Administration, obwohl der »Mißachtung des Kongresses« beschuldigt und von einer Gefängnisstrafe bedroht, feierte Anne Gorsuch eine Society-Hochzeit.
Im Washingtoner Nobelhotel »Four Seasons« empfing sie 400 erlesene Gäste. Die Reagans waren nicht darunter, übersandten aber eine Kristallschale, Präsidentenwappen eingraviert, zur Vermählung mit Robert Burford, 60, einem führenden Mitarbeiter des Innenministers James Watt.
Nach ihm, ihrem zweiten Mann, nennt sich die Epa-Direktorin nun Anne Burford. Washingtons jüngste Affäre aber wird wohl weiterhin mit dem Namen Gorsuch verbunden bleiben.
Denn es war »unter Frau Gorsuch«, klagt der demokratische Senator und Präsidentschaftsbewerber Gary Hart an, daß sich die Epa »von einem Anwalt des Umweltschutzes zu einem der besten Freunde der Industrie wandelte«. Frau Gorsuch, so der frühere Stabschef im Senat, Leon Billings, habe die Behörde »entmannt« und »nur eine Fassade hinterlassen, hinter der sich Umweltfrevler verstecken können«.
Die Entmannung machte »aus einer der wirksamsten und fähigsten Regierungsbehörden ... einen Augiasstall« ("The New York Times"), einen »Borgia-Palast am Potomac« ("Time").
Da verschwanden Papiere im Reißwolf, wurden Meineide geschworen, gaben Epa-Funktionäre Freunden in der Industrie Tips und Aufträge, ließen sie mißliebige Kritiker in der Behörde feuern oder beschatten.
Weit gravierender aber war jenes entlarvende Papier aus der Epa-Chefetage, das die »Geschäftswelt« als die »wichtigste Wählerschaft dieser Administration« bezeichnet. Und weil inzwischen der Eindruck entstand, das Weiße Haus sei eher an einer Vertuschung als an einer Aufklärung der Vorgänge interessiert, macht überall das böse Wort »Watergate« die Runde:
Wie damals Richard Nixon, hat nun Ronald Reagan für sich und seine Mitarbeiter zeitweilig das Vorrecht der Exekutive ("Executive privilege") in Anspruch genommen, vom Kongreß angeforderte Unterlagen unter Verschluß zu halten, was Anne Gorsuch die Klage wegen »Mißachtung des Kongresses« eintrug.
Wie damals Richard Nixon seinen Justizminister Richard Kleindienst, so hat diesmal Präsident Reagan den Justizminister William French Smith mit der Untersuchung der Vorfälle beauftragt.
Viele Volksvertreter aber trauen Smith nicht über den Weg. Denn der kalifornische Präsidentenfreund hatte - wie Reagans Chefberater Ed Meese und weitere White-House-Insider - Verbindung zu Chemiefirmen, gegen die die Epa ermittelte. »Hier sehen wir«, so der demokratische Abgeordnete Morris Udall, »das Resultat einer Administration, die nicht an die Notwendigkeit von Umweltschutz glaubt« und entsprechende Personen in Schlüsselpositionen berufen habe.
Frühere Regierungen hatten eine andere Einstellung zu der vor zwölf Jahren gegründeten Behörde, die unter zwei republikanischen Administrationen und einer demokratischen Regierung den Ruf genossen hatte, unabhängig und überparteilich zu arbeiten.
Denn angesichts von beispielsweise über 14 000 die öffentliche Gesundheit gefährdenden chemischen Giftmüllhalden in den USA sahen sich liberale wie konservative Amerikaner geeinigt. Noch 1980 war ein sogenannter »Superfonds« von 1,6 Milliarden Dollar aufgebracht und der Epa zur Reinigung der Chemiehalden zur Verfügung gestellt worden.
Die Reagan-Revolution aber setzte neue Prioritäten: Amerikas Schornsteine sollten wieder rauchen, das Land so weit wie möglich von der »Bürde der Regierung« befreit werden. Das Schicksal der Epa seit 1981 illustriert die neue Politik.
Die Zahl der Mitarbeiter ist von 14 075 bei Reagans Amtsantritt auf S.132 10 396 im laufenden Finanzjahr zurückgegangen. 1981 führten noch 311 Personen mit einem Etat von 11,4 Millionen Dollar Ermittlungen gegen Umweltfrevler, 1983 war der Stab auf 75 Beamte, der Etat auf 2,3 Millionen Dollar gesunken. Resultat: Dem Justizministerium wurden 1982 nur noch 97 Fälle zur Strafverfolgung übergeben - statt 255 im Jahre 1979.
Den neuen Ton bei der Epa gaben neue Verantwortliche an: Statt wie früher vorwiegend aus der Ökologie-Bewegung wurden die Verantwortlichen unter Reagan meistens aus der Industrie rekrutiert.
Rita Lavelle etwa, vom Präsidenten ernannte Chefin des »Programms für gefährliche Abfälle« (Hazardous Waste Program), war zuvor PR-Chefin der in einen Umwelt-Skandal verwickelten kalifornischen Firma Aerojet-General Corp. gewesen. Bei ihrer Vereidigung hielt Ed Meese die Bibel.
Frau Lavelle (Jahresgehalt: 67 200 Dollar) wird nun beschuldigt, die Verbindung zum alten Arbeitgeber auch als Epa-Funktionärin aufrechterhalten zu haben. Ihr Terminkalender weist nur Treffen mit Industrievertretern auf.
Sie soll mit Unternehmen, die gegen Umweltgesetze verstießen, »sweetheart deals« abgeschlossen haben, Gefälligkeitslösungen, bei denen toxischer Müll mit Superfonds-Geldern beseitigt wurde statt mit Strafgebühren der Landschaftsvergifter.
Die studierte Chemikerin trieb die Kontaktpflege offenbar zu weit und wurde am 7. Februar entlassen. Angeblich hatte sie gerade begonnen, wichtige Unterlagen zu vernichten. Da verteidigte sich Rita Lavelle: »Ich dachte, daß ich die Direktiven von Anne Gorsuch und die Direktiven des Präsidenten ausführe.«
Manche glauben ihr. So findet der demokratische Senator George Mitchell, Mitglied des Umweltausschusses, daß es ein »ernster Fehler« wäre, wenn sich der Kongreß auf Frau Lavelle konzentriere. Mitchell: »Das Problem ist die Umweltpolitik dieser Regierung.«
Die unternahm letzte Woche einen Versuch, ihr lädiertes Image aufzupolieren. Frau Burford-Gorsuch flog höchstpersönlich nach Times Beach im Bundesstaat Missouri, wo die Behörden nach einem Hochwasser im Dezember stellenweise einen 300fach zu hohen Dioxingehalt im Boden festgestellt hatten.
»Der Präsident hat tiefes Mitgefühl mit Ihnen«, sagte die Epa-Chefin und verkündete den 2400 Bewohnern, daß die Reagan-Administration 33 Millionen Dollar für eine Umsiedlung aus dem unbewohnbar gewordenen Ort bereitgestellt habe.
Das befriedigte die Times-Beach-Bürger. Im Kongreß aber laufen die Untersuchungen weiter, und es ist keineswegs sicher, daß die eisige Königin das Feuer überstehen wird.