SUPERMINISTERIUM Nur einer kann
Helmut Schmidt und Franz Josef Strauß, die beiden starken Männer aus Sozialdemokratie und Christenunion, bereiten sich auf die heimliche Machtübernahme im Jahr 1973 vor. Da sie nicht Kanzler werden können -- der eine, weil Willy Brandts Kanzler-Kandidatur in der SPD unumstritten ist, der andere, weil die CDU dem CSU-Chef nicht den Vortritt lassen mag --, peilen beide das zweitbeste Bonner Regierungsamt an.
Die beiden mächtigen Rechtsflügler ihrer Parteien haben ihren Anspruch auf ein Superministerium für Wirtschaft und Finanzen angemeldet. Der Chef eines solchen Mammutressorts könnte zu Kanzlermacht aufsteigen, ohne Kanzler sein zu müssen. Denn ein Superminister, der zuständig ist für Steuern, Haushalt, Konjunktur und Währung, hätte In den 70er Jahren die beiden politisch entscheidenden Trümpfe in der Hand: Er verwaltet die Staatskasse und kann mit einer erfolgreichen Konjunktur- und Währungspolitik seiner Partei einen Wahlerfolg sichern.
Verteidigungsminister Helmut Schmidt gesteht: »Das wäre eine reizvolle Aufgabe.« Und Ex-Verteidigungsminister Franz Josef Strauß behauptet: »Ich war schon immer der Meinung, daß die Zuständigkeit für Steuern, Haushalt, Geld und Kredit und Konjunktur in eine Hand gehört. Ich fühle mich diesem Bereich mehr verbunden als jedem anderen.«
Sowohl Schmidt als auch Strauß haben für ihren Marsch zur Macht potente Hilfstruppen verpflichtet. Der Bayer, der sich künftig als Wirtschaftssprecher der CDU/CSU-Fraktion profilieren will, ist sich der Zusage seines CDU/CSU-Fraktionschefs Rainer Barzel sicher, dessen Kanzlerschaft nur er mit seinen bayrischen Mannen garantieren kann. Der Hanseat baut darauf, Favorit im Vermächtnis von Finanzminister Alex Möller zu sein, der sich 1973 aufs politische Altenteil zurückziehen will, dessen Wort aber weiterhin in den Führungszirkeln der Sozialdemokraten gelten wird. Möller: »Nur einer kann das wirklich, der Schmidt.«
Anhänger eines Superministeriums können in der Tat gewichtige sachliche Gründe für die Position eines starken Mannes im Kabinett vorbringen. Seit Bestehen der Bundesrepublik hat es mehr Zank als Harmonie zwischen den Wirtschaftsministern und den Chefs des Finanzressorts gegeben.
Denn der Finanzminister muß den Haushalt nach den Prinzipien einer ordentlichen Wirtschaftsführung verwalten und ein ausgeglichenes Budget vorlegen. Der Wirtschaftsminister hingegen soll mit dem Staatsbudget die Konjunktur zu lenken suchen. Wenn der Finanzminister wegen einer Konjunkturflaute knapp bei Kasse ist und deshalb sparen möchte, drängt ihn der Wirtschaftsminister dazu, mehr Geld auszugeben.
So wollte Schiller während der großen Koalition beim Start aus der Talsohle mehr Geld in die Wirtschaft pumpen, als Strauß genehm war. Mit dem Strauß-Nachfolger Möller streitet er sich heute über Steuererhöhungen.
Um den steten Raufhandel von der Kabinettsrunde fernzuhalten, empfehlen die Befürworter einer Superbehörde, die unvermeidlichen Konflikte in einem Haus auszutragen. Ihre Empfehlung: Das Wirtschaftsministerium sollte seine Abteilungen »Wirtschaftspolitik« und »Geld und Kredit« an das Finanzressort abtreten. Die anderen Finanzbereiche, so die Abteilungen Gewerbliche Wirtschaft, Energiepolitik oder Außenwirtschaft, sollten zu einem kleineren Industrie-, Handels- und Strukturministerium zusammengefaßt werden.
Obgleich Wirtschaftsminister Karl Schiller häufig mit den Finanzkollegen im Streit gelegen hat, ist er gegen die Arrondierungspläne. »Ich halte es«, so sagt er, »mit Check und Balance.« Er will die beiden konkurrierenden Häuser erhalten, weil nach seiner Meinung > nur der Wettbewerb zwischen zwei Ressorts mit unterschiedlichen Sachgebieten eine ausgewogene Konjunktur- und Haushaltspolitik ermögliche;
* nur die Aufteilung der beiden Funktionen der öffentlichen Hand -- Inspizient des Bankwesens und zugleich dessen Kreditnehmer zu sein -- auf zwei unabhängig voneinander geführte Ressorts unlautere Gegengeschäfte verhindere; > der Wirtschaftsminister nur dann Strukturpolitik betreiben, kranke Branchen sanieren und notleidende Regionen industrialisieren könne, wenn er Herr der Konjunkturpolitik bleibt.
Und um nicht in den Verdacht zu geraten, mit seinen Empfehlungen pro domo zu sprechen, führt der Wirtschaftsminister einen unverdächtigen Zeugen gegen die Ämterfusion an, den Renommier-Bankier Siegmund ("Sigi") Warburg aus London. Bei einem Besuch in Bonn habe ihm der Engländer, in dessen Heimat ein allmächtiger Schatzkanzler herrscht, dringend von einer Nachahmung abgeraten.
Solche Erkenntnisse hinderten den ehrgeizigen Professor indessen nicht, sich als dritter Aspirant für das mächtige Amt zu melden: »Wenn es schon um das Superministerium geht, dann werde ich offensiv.«