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SOWJETBOTSCHAFT Nur mit Gott

aus DER SPIEGEL 32/1968

Ein Gottloser fand bei Jesuiten Schutz vor schweren Lastwagen und Starfightern.

Seit seiner Ankunft in Bonn, am 18. Juni 1968, suchte Kreml-Bot schafter Semjon Zarapkin ("Der Kratzer) nach einem geeigneten Domizil. Sein derzeitiges Botschaftsgebäude, das ehemalige Hotel »Rolandseck«, 20 Kilometer südlich von Bonn, ist ihm zu weit vom Zentrum der schwarzroten Regierung entfernt. Überdies klagen die an vorwiegend trockenes Kontinentalklima gewohnten Sowjet-Menschen darüber, daß die Treibhausschwüle des Rheintals Kreislaufbeschwerden verursache. Beim AA-Protokollchef Hans Schwarzmann beklagte Zarapkin sich: »Wenn ein schwerer Lastzug an meiner Botschaft vorbeidonnert, hebt alles. Und wenn erst ein Starfighter über uns die Schallmauer durchbricht, dann habe ich Angst, das Haus fällt ein. Erst wenn man mich aus den Trümmern hervorholen muß, erst dann wird man uns ein neues Gebäude zur Verfügung stellen.«

Der Botschafter braucht nun doch nicht so lange zu warten. Bei einer seiner zuweilen stundenlangen Erkundungsfahrten in Bonn und um Bonn herum stach ihm das Aloisius-Kolleg der Jesuitenpatres auf der Godesberger Wacholderhöhe ins Auge. Beglückt telephonierte er seinem AA-Kontaktmann, dem Vortragenden Legationsrat Roding: »Ich habe ein Grundstück mit Schloß, das gefällt mir.«

Röding machte sich sogleich mit Zarapkin auf den Weg. Bonn und Moskau hatten nämlich 1966 vereinbart, sich gegenseitig zu angemessenen Missions-Häusern zu verhelfen. Denn außer Moskaus Mann in Bonn ist auch Bonns Mann in Moskau auf Quartiersuche: Das Gebäude der deutschen Botschaft an der Bolschaja Grusinskaja ist museumsreif. Beide Außenministerien hatten beschlossen, Grundstücke und Rohbau in angemessener Preislage wechselseitig zu finanzieren.

Bisher hatte das AA dem roten Diplomaten 17 Grundstücke angeboten. 16 waren den Russen zu teuer, nur eins hatte Zarapkin in die engere Wahl gezogen: Ein 15 000 Quadratmeter großes Gelände des Kunststoff-Fabrikanten Karl Plate nahe den Villen von Heinrich Lübke und Willy Brandt auf dem Bonner Venusberg. Dem Botschafter gefiel insbesondere, daß es bereits mit Luxusvilla und Schwimmhalle sowie einem zweiten Wohnhaus bebaut war.

Doch die Moskauer Dienstherren des Diplomaten fanden, daß der Kaufpreis von 2,5 Millionen Dollar für eine neue Dependance in Bonn zuviel wäre, und fragten ihren Missionschef, was er sich bei diesem Vorschlag gedacht hätte.

Als er dann im Frühherbst letzten Jahres mit AA-Begleiter Röding bei den Jesuiten vorstellig wurde, beschieden sie ihn abschlägig: An einen Verkauf sei nicht zu denken. Daraufhin riefen die Russen den Doyen des diplomatischen Korps in Bonn, Papst Pauls Nuntius Corrado Bafile, zu Hilfe. Doch die Jesuiten ließen über den Vertreter des Heiligen Vaters nur ausrichten: Zarapkin solle erst einmal in Moskau eine Jesuitenschule bauen, dann könne man über einen Verkauf reden.

Der Weg zu den Ordensgeistlichen war für den Sowjet-Menschen dennoch nicht umsonst. Der Botschafter begeisterte sich für das Nachbargrundstück: Ein 84 000 Quadratmeter messendes Wald- und Wiesenareal, das unter Landschaftsschutz steht. Besitzer: drei Kölner Brüder namens von der Heydt.

Doch die Aussicht der Russen, 30 000 Quadratmeter zum Quadratmeterpreis von 80 Mark erwerben und bebauen zu können, schien gering: Für Landschaftsschutzgebiete erteilen die (zuständigen) Landes- und Kommunal-Behörden gewöhnlich keine Baugenehmigung. Außenminister Brandt verwandte sich deshalb persönlich für die Kreml-Interessen. In einem Brief an den Düsseldorfer Ministerpräsidenten, seinen Parteifreund Heinz Kühn bat er »wegen der besonderen politischen Bedeutung« um eine Ausnahme.

Kühn war willfährig. Daraufhin reisten zwei Moskauer Architekten an die sich mit den deutschen Behörden auf einen Bebauungsplan einigten: eine Botschaft im Bungalowstil.

Oberhalb der Diplomatenstadt Bad Godesberg kann Zarapkin ohne Furcht vor Kreislaufstörungen und ruhestörendern Lärm leben. Und mit den Nachbarn ist er auch zufrieden: »Die beschäftigen sich doch nur mit ihrem Herrgott, und das stört mich nicht.«

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