»Nur mit mir ans große Geld«
US-Sportjournalist Weft begleitete Muhammad Ah -- alias Cassius Clay -- zu allen Kämpfen.
Ich hab« ihn wahrhaftig unterschätzt«, sagte Muhammad Ah, 36, kaum vernehmlich nach den 15 bittersten Runden seiner Profi-Laufbahn im brandneuen Sports Pavilion des Las Vegas Hilton. Der Weltmeister aller Klassen hatte eben seinen Titel gegen den Außenseiter Leon Spinks, 24, verloren.
Was treibt Ah mit 36 Jahren immer noch in den Ring? Zweierlei: Die weltweite Bühne, die Schau vor einem Millionen-Publikum und die Millionen-Gagen. Denn der Mann, der weit mehr als alle anderen Profiboxer eingenommen hat, benötigt Bargeld.
Ah ist ständig bereit, anderen zu helfen, er gibt gern, schnell und großzügig, hat sich nie viel aus Geld gemacht. Das haben viele in seiner Umgebung ausgenutzt. Für ein Altersheim spendete er 100 000 Dollar, seinen Bruder bedachte er mit 50 000 Dollar im Jahr, Bittstellern steckte er spontan Schecks zu.
Alle kennen die Gebefreudigkeit des Boxmillionärs und sein Bedürfnis, stets von Anhängern umgeben zu sein. Darum zog er so viele Jahre mit einem kostspieligen Hofstaat umher, in dem jeder um das Wohlwollen des Bosses buhlte, aber nur wenige eine wirkliche Aufgabe erfüllten, außer daß alle zusammen sein Selbstwertgefühl hoben.
Nur kurze Zeit mag Ah allein sein. Zu seiner dritten Heirat, mit Veronica Porche, hatte ein Freund dem Paar Flugtickets nach Hawaii geschenkt. Noch im weißen Hochzeitsfrack wählte Ah acht Begleiter aus. Erst auf Veronicas Bitten beschränkte er sich auf zwei Freunde.
Doch ohne großes Publikum wurde dem Champ die Zeit auch mit Veronica zu lang. Nach zwei Tagen brach er die Flitterwochen ab und kehrte zurück. Seine Umgebung hatte ihn wieder.
Sie kostete Ah viel von den etwa 56 Millionen Dollar, die er für seine Kämpfe verdient hat. Ungefähr 36 Millionen Dollar flossen für Steuern und Abgaben davon. Vom Rest zog sein Manager Herbert Muhammad ein Drittel als Anteil ab.
Alis 17-Zimmer-Wohnhaus an der Woodlawn Avenue in Chicago ist eine Million Dollar wert, noch eine Million hat er in Michigan und Pennsylvania für seine Trainingslager angelegt.
Mit zwei Millionen Dollar fand er seine zweite Frau Khalilah und ihre vier Kinder ab. Zudem büßte er durch unerfahrene Mitarbeiter seiner »Muhammad Ah Enterprises« und durch unfaßbaren Leichtsinn im Umgang mit siebenstelligen Summen mindestens eine Million bei Luftgeschäften ein.
Ende 1977, als der Weltmeister für den Kampf gegen Leon Spinks ein Trainingslager in Miami Beach bezog, stutzte er seine Gefolgschaft zusammen. Ah begann keinen Tag zu früh mit dem Sparen. Weil Bares fehlte, hatte er sogar die Renovierung seines Hauses unterbrechen müssen. Die Erneuerungsarbeiten kosteten schließlich 800 000 Dollar.
Eine zweite Karriere als Filmstar begann zwiespältig. Ohne Probeaufnahmen und Tests spielte Ah 1977 die Titelrolle als »Der Größte« selbst. Er bekam 300 000 Dollar und glänzende Kritiken. Aber der Film wurde kein Hit. In diesem Jahr spielt er für 500 000 Dollar (hie Hauptrolle in einer sechsteiligen Serie der TV-Gesellschaft NBC mit dem Titel »Freedom Road«. 1979 soll Ah in »The Nubians« den schwarzafrikanischen Pharao Pianchi darstellen. Die Rolle verspricht ihm 750 000 Dollar und Gewinnbeteiligung.
Aber Millionen kann er, wenn überhaupt, nur im Boxring erbeuten. »Nur mit mir kommt Spinks ans große Geld«, warf er dem neuen Weltmeister den Köder hin. Der ist einer Revanche nicht abgeneigt, schon aus Dankbarkeit. Ah hatte seiner Mutter 1976 die Reise zu den Olympischen Spielen nach Montreal ermöglicht. Dort erlebte sie mit, wie ihre Söhne Leon und Michael Olympiasieger wurden.
Bald war Ah wieder der Alte. Mit seinem Promotersinn hatte er den hohen Dollarwert gewittert, den der dritte Anlauf eines alternden Ah auf den WM-Titel mit sich bringt -- gegen wen immer.
»Ich bin noch nicht erledigt«, versprach er. »Ich komme wieder und werde der erste Schwergewichtler sein, der den Weltmeistertitel zum drittenmal gewinnt.«
Dann stülpte er eine Sonnenbrille über sein verfärbtes Auge und startete nach Bangladesch. Die Regierung hatte ihn eingeladen, um »dem armen Land durch seine öffentlichen Auftritte zu helfen«.
»Eineinhalb Millionen Menschen erwarten mich dort am Flughafen«, verabschiedete sich Ah, der auch als entthronter Weltmeister immer noch die größte Attraktion im internationalen Boxgeschäft ist.