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Baden-Württemberg Nur noch gegen Bares

Der Sparkurs des neuen Stuttgarter Ministerpräsidenten Teufel läßt die Günstlinge des Vorgängers Späth um ihre Pfründe fürchten.
aus DER SPIEGEL 10/1991

Die Diva war plötzlich allein. Beim ZDF-Quiz »Tele-As« mußte Caterina Valente ohne ihren fest eingeplanten Partner, den baden-württembergischen Ministerpräsidenten, auftreten. Duzfreund Lothar Späth war unversehens aus dem Amt geschieden, und seinem Nachfolger Erwin Teufel stand der Sinn nicht nach heiteren Ratespielen.

Dennoch nutzte die Optimistin ihren Auftritt vor Millionen Ende Januar zu einem Werbeaufruf für ihr Lieblingsprojekt - die erste deutsche Show-Hochschule in Mannheim: »Im Oktober geht es los.« Für Bewerber ließ sie ihre Adresse einblenden: »Goethestraße 68, 8000 München 2«.

Dort stapeln sich jetzt Lebensläufe, Lichtbilder und Videos von knapp 2000 Möchtegern-Clowns, Popstars und Steptänzern. Doch eine Show-Schule wird es nicht geben, vor wenigen Tagen kippte der neue Ministerpräsident das Projekt.

Erwin Teufels Regierungserklärung am Dienstag letzter Woche war eine kulturelle Verzichterklärung. Keine Schule für Clowns, kein Haus für teure Gegenwartskünstler, keine Theaterakademie, kein Archäologiemuseum. Statt dessen will der neue Stuttgarter CDU-Regent mehr Kinderhorte an den Schulen - und ansonsten sparen.

Der Regierungsstil der neuen Bescheidenheit hat »Zähneklappern in der Kultur« (Stuttgarter Nachrichten) ausgelöst. Die staatlich alimentierten Kunstschaffenden bangen um ihre Pfründe.

Der Vorgänger griff stets in die vollen, um dem neureichen Ländle Glanzpunkte aufzusetzen. Unter seiner Regentschaft konnten sich die öffentlichen Kulturausgaben mehr als verdoppeln.

Jetzt stellen Späths Architekten fest, daß sie Luftschlösser entworfen haben. Der Londoner Star-Baumeister James Stirling etwa sollte, so wünschte es der Landeschef, für 180 Millionen Mark eine Theaterakademie bauen. Was da zu lehren sei, wußte niemand.

Zudem sollte ein neues Gehäuse für teure Gegenwartskünstler her: Späth liebt Joseph Beuys, Georg Baselitz, Anselm Kiefer.

Die Finanzierung dieses ebenfalls 180 Millionen Mark teuren Projekts war zwar noch offen, doch die Architekten durften schon mal planen. Im Wettbewerb siegte kürzlich der Japaner Arata Isozaki und kassierte 60 000 Mark für sein Kunst-Wolkenkuckucksheim.

63 000 Mark gewann der Karlsruher Architekt Günter Telian mit städtebaulichen Gedanken fürs neue Landes-Archäologiemuseum. Das hatte Lothar Späth gefördert, seit er in einer Kelten-Ausstellung erfahren hatte, welch wertvolle Altertümer aus dem Boden gegraben werden. Das Museum will Teufel auch nicht mehr.

Daß für all diese Projekte schon über drei Millionen an Planungskosten ausgegeben wurden, kümmert den Kultur-Bremser nicht. Immerhin spart er durch Verzicht auf des Vorgängers teuren Nachlaß mehr als 300 Millionen.

Dabei wäre noch viel mehr zu sparen. Der baden-württembergische Rechnungshof in Karlsruhe hat zahlreiche Kostgänger Stuttgarts identifiziert, deren Nutzen zweifelhaft ist.

Der Regisseur Alexander Kluge, 59, kassiert alljährlich zwischen 250 000 und 300 000 Mark aus der Staatskasse für sein Ulmer »Institut für Filmgestaltung«. Nach Meinung der Prüfer vom Rechnungshof ist das Institut lediglich eine »Briefkastenfirma«.

Kluge, Dozent der ehedem renommierten Ulmer »Hochschule für Gestaltung«, arbeitet heute in München. Dennoch hat er in Ulm seit 20 Jahren »längst nicht mehr benötigte Räume« (Rechnungshof) behalten, für die das Land bis heute »unnötigerweise Zuschüsse gewährt«.

Doch das Ministerium hält den Cineasten weiterhin für subventionsbedürftig: Das verwaiste Ulmer Institut sei »unersetzlich«. Kluges Engagement im Landes-Sold wird gar noch ausgedehnt: Er soll jetzt auch Kooperationspartner für die neue Filmakademie werden. Jahreseinkommen aus der Stuttgarter Staatskasse: etwa 250 000 Mark.

Auch das 120 Millionen Mark teure »Zentrum für Kunst und Medientechnologie« in Karlsruhe fällt nicht unter die neue Bescheidenheit. Dieser Projektklotz scheint den Rechnungsprüfern eine Anstalt für »unnütze Ausgaben": In dem dubiosen High-Tech-Kunstgebilde wurden Mitarbeiter mit sechsstelligen Jahresgehältern, aber ohne richtigen Arbeitsvertrag eingestellt. Einige wurden nach wenigen Monaten gegen hohe Abfindungen wieder entlassen.

Freigebigkeit riß auch im Etat des Stuttgarter Staatstheaters, das Späths Günstling Wolfgang Gönnenwein als Generalintendant leitet, ein Loch von 3,4 Milionen Mark. Als sich letztes Jahr herumsprach, daß das Theater keine Mittel mehr flüssig hatte, gaben Lieferanten ihre Ware zeitweise nur noch gegen Bares ab.

Die landestypische Großzügigkeit in der Verwendung öffentlicher Mittel erlaubte eine üppige Personalausstattung. Die Stuttgarter Nachrichten kritisierten, »daß Mitglieder des Staatsorchesters mehr spazierengehen als proben«.

Nach der Wende im Ländle übt der Generalintendant die Bescheidenheit zunächst im Selbstversuch: Im Kabinett, wo er ehrenamtlich Staatsrat war, will er ohne Späth nicht mehr sitzen. Sein edles Büro im Neuen Schloß wird anderweitig vergeben, die Sekretärin versetzt.

Einsparung pro Jahr: 60 000 Mark. o

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