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HUMOR O go home

aus DER SPIEGEL 20/1966

Humor gibt es nicht schon seit Adam und Eva, sondern erst seit Paulus und Petrus. Die ersten Christen waren die ersten Menschen mit Humor. In den Jahrhunderttausenden zuvor, »in der vorchristlichen Zeit gab es die Satyre, vielleicht Komik, aber Humor in dem vollen Sinn des Wortes gab es nicht«.

Diese kühne These verficht der Jesuiten-Gelehrte Johann Baptist Lotz, 62, der als »eine der bedeutendsten Gestalten im heutigen katholischen Denken« gilt (Katholische Nachrichten-Agentur). Lotz ist Professor-für Philosophie an der Hochschule seines Ordens in München-Pullach und Autor von wissenschaftlichen Werken wie »Von der Einsamkeit des Menschen« und »Kant und die Scholastik heute«.

Bislang hielten die meisten Theologen den Humor nicht für eine christliche Schöpfung. So stellte der renommierte evangelische Professor Rudolf Bultmann ausdrücklich fest: »Natürlich gibt es Humor nicht erst seit dem Christentum ... Dem alten Christentum ist er sogar fremd, und das Neue Testament zeigt keine Züge von Humor.«

Seine Gegenmeinung machte Lotz jüngst in dem Münchner »Klerusblatt« publik, das sich nahezu alle bayrischen Priester halten. Der Jesuit will die weit verbreitete - Meinung entkräften, »ein Christ sei ein trübseliger Mensch. Er schleiche immer in seinem Armsünderbewußtsein umher. Darum könne ein Christ keinen Humor haben. Der Christ und der Humor schlössen sich aus«.

Der geistliche Gelehrte sieht es umgekehrt: »Das, was man den goldenen Humor nennt«, sei die »Frucht eines reifen Menschenlebens, eines reifen Christenlebens«.

Zum Beweis zitiert der Münchner Jesuit (in dieser Reihenfolge)

- den Schriftsteller und Humoristen Otto Bierbaum ("Humor ist, wenn man trotzdem lacht");

- König Salomo ("Eine starke Frau, wer wird sie finden .. . Sie wird am Ende ihres Lebens lachen");

- Jesus ("Selig, die ihr jetzt weint, ihr

werdet lachen") und

- den heiligen Laurentius, der im Jahre 258 - so die christliche Legende - auf glühendem Rost seinem heidnischen Henker zurief: »Nun wende mich um, auf der einen Seite bin ich schon geröstet!« Laurentius gab damit ein Beispiel, »wie sich der Humor im Angesicht des Todes bewährt« (Lotz).

Sorgfältig grenzt der Jesuiten-Professor in seiner Studie den Bezirk echten Humors ("Das Wort kommt aus dem Lateinischen. Humor heißt Feuchtigkeit, Saft") ein. Wer lachen kann, muß laut Lotz nicht unbedingt Humor haben. Nach den Kategorien des Jesuiten-Philosophen sind humorlos das »verlegene«, das »unfrohe« und das »gemeine« Lachen, das zuweilen sogar zum »schmutzigen« und zum »höhnischen« Lachen entartet. »Äußerung des Humors« hingegen sind »z. B. das stille Lachen ... das verschmitzte Lachen, das gütige Lachen«.

Zwischen dem humorlosen und dem humorvollen Lachen gibt es freilich »Grenzerscheinungen« wie den Galgenhumor. Lotz-Beispiel: »Da soll einer am Montag gehängt werden. Er sagt: 'Die Woche fängt schon gut an!"' Lotz -Kommentar: »Im Galgenhumor liegt doch eine Spur von Verzweiflung, der echte Humor dagegen entspringt der Hoffnung.«

Christen dürfen soviel Humor haben, wie sie wollen - mit einer einzigen Einschränkung. »Dem Letzten gegenüber«, so Lotz, »hat der Humor keinen Platz.« Zum »Letzten gehört Gott, Christus, unsere unsterbliche Seele, unser ewiges Heil«. Aber eben weil von den Christen »das Letzte ganz ernst genommen wird, kann man das Vorletzte leichtnehmen«.

Gleichsam als Beispiel dafür, daß in der katholischen Kirche die von Lotz als typisch christlich gepriesene »Vollblüte des Humors« erreicht sei, druckte die Redaktion des »Klerusblattes« zusammen mit dem Beitrag des Jesuiten ein Gedicht des Priesters Max Gmachl (Diözese Salzburg) ab.

Der Geistliche Gmachl berichtet in 14 Strophen eines Gedichts, daß und warum er nicht »Domherr« geworden ist.

Strophe sechs und sieben:

Für erste fehlt mir die Statur:

Ich bin ein Meter sechzig nur -

und doch soll ich zu heiligen Zeiten

den Bischof in den Dom geleiten.

Und ferner: Es gebricht mir auch

an einem zartgewölbten Bauch.

Das Volk im Dome würde sogen:

Was ist denn das für'n Elendsschragen?

Und erst die Fremden: O go home!

So etwas paßt nicht in den Dom!

Jesuit Lotz

»Das Vorletzte leichtnehmen«

Verbrennung des heiligen Laurentius: »Auf einer Seite bin ich schon geröstet«

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