SCHWEINEFLEISCH Öhrchen und Füßchen
Die Düsseldorfer Hausfrau Herta Werres zersäbelte mit dem Schlachtermesser ihr bestes Stück: Sie hatte versehentlich die Kopfportion des Filets abgeschnitten, das sie aus einem halben Schwein lösen sollte.
Mit der öffentlichen Metzelei vor geladenem Publikum wollten Nordrhein-Westfalens Verbraucherverbände und die Landesinnung der Schlachter prüfen, was Großversender Neckermanns neuestes Angebot für die Kundschaft wert ist. Neckermann liefert seit sechs Wochen Schweinehälften von 80 oder 90 Pfund Gewicht für 196 Mark und 220,50 Mark frei Haus (SPIEGEL 36/ 1966). Der niedrige Pfundpreis von 2,45 Mark machte die Konkurrenz mobil.
Das Düsseldorfer Experiment mit einer 83-Pfund-Hälfte schien zu beweisen, daß zumindest städtische Verbraucher angesichts halber Schweine etwas hilflos sind. So produzierte Hausfrau Werres 300 Gramm schwere Koteletts statt der üblichen Stücke von 150 bis 200 Gramm.
Auch der Preis sah nach dem Schau -Schneiden anders aus. Es ergab, neben 25 Pfund Fett und Speck, 33 Pfund Magerfleisch und Kotelett; mithin kosteten die Stücke, auf die es den Verbrauchern heute am meisten ankommt, beim Neckermann-Preis rund sechs Mark je Pfund. Wird auch der Fettberg verwertet, so ergibt sich für die gesamte Nutzmenge immer noch ein Pfundpreis von 3,50 Mark.
Fleischermeister Siegfried Hielscher aus St. Augustin gönnte den Verbrauchern die Erkenntnis, »wie viele wenig begehrte Teile so ein Schwein aufweist. Die aber kosten in dem Versandhaus auch alle 2,45 Mark das Pfund, also auch Öhrchen, Fett, Schwarte, Füßchen und Knochen«.
Es lag Neckermann auch weniger an Preisbrecherei als daran, den Absatz von Gefriertruhen zu fördern. Den Käufern der Truhen war von der Industrie lockend ausgemalt worden, wie gut sich die Kühlmöbel zum Einlagern halber Schweine und somit zur Vorratswirtschaft auf lange Sicht eigneten. Neckermann sagte der Kundschaft, wo sie halbe Schweine beziehen könne. Andere machten es ihm nach.
Fleischer-Innungsmeister Peter Wolter aus Siegburg: »Der Preis, den Sie dem Versandhaus zahlen, ist ein Großhandelspreis. Dafür liefert Ihnen jeder Fleischer um die Ecke auch eine Schweinehälfte.« Heute liegen die Großhandelspreise sogar unter Neckermanns Forderung, in Hamburg etwa je nach Qualität bei 1,40 Mark bis 2,10 Mark pro Pfund.
Folglich unterbieten findige Schlachtermeister in Frankfurt, Marburg, Dortmund oder Würzburg, aber auch die Karstadt AG, das Stuttgarter Kaufhaus Merkur oder das Hamburger Filial-Unternehmen »1000 Töpfe« den Preis des Katalog-Schweins. Sie offerieren Hälften für 2,40 Mark bis herunter zu 1,79 Mark je Pfund, und manche von ihnen zerlegen sie sogar nach den Wünschen der Hausfrauen.
Westdeutsche Normal-Metzger spüren bislang nichts vom Schweinekrieg. Laut Deutschem Fleischerverband hat sich Neckermanns Vorstoß »für die Fleischereien in gar keiner Weise ausgewirkt. Er hat weder die Preise noch den Absatz irgendwie beeinflußt«.
Schweine-Angebot im Kaufhaus: Hilflos vor Hälften