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»Ohne Drohgebärde, ohne Angst«

Nach dem spektakulären Spruch des Bundesverfassungsgerichts zur Volkszählung streiten sich die Bundestagsparteien über die Schuld an dem Debakel. Die Boykottbewegung befürchtet, sie könnte, bis zur endgültigen Entscheidung aus Karlsruhe, ihre Schlagkraft verlieren: »Alles droht im Frust zu versanden.«
aus DER SPIEGEL 16/1983

Diesmal erging das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht nur im Namen, sondern auch im Interesse des Volkes: Die höchstumstrittene Volkszählung findet fürs erste nicht statt, ausgezählt ist Bonn.

Der Erste Senat des höchsten deutschen Gerichts setzte per einstweiliger Anordnung »die Durchführung der auf den 27. April 1983 festgesetzten Volks-, Berufs-, Wohnungs- und Arbeitsstättenzählung gemäß dem Volkszählungsgesetz 1983« aus - bis zur grundsätzlichen Entscheidung über die Totalerfassung. Und wenn später, frühestens im Orwell-Jahr 1984, gezählt werden sollte, wird es eine wesentlich andere Volkszählung sein.

Zum erstenmal in der Geschichte der Bundesrepublik stoppte die Dritte Gewalt ein vom Parlament einmütig verabschiedetes Gesetz - ein unerhörter Vorgang, der besorgte Kritiker aufatmen, Volkszählungsboykotteure jubeln und die »FAZ« an den Richtern in ihrer »Glassturz-Existenz im fernen Karlsruhe« zweifeln ließ: »Das Gericht hat sich mißbrauchen lassen.«

Oder war es, ganz anders, ein Zeichen richterlicher Unabhängigkeit und Weitsicht?

Kaum hatten die Rundfunksender am Mittwoch kurz nach 10.00 Uhr die Nachricht der Woche verbreitet, ließ Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann sich mit Bundeskanzler Helmut Kohl verbinden, der arglos in Schruns (Vorarlberg) seinen Urlaub verbrachte. Der Verfassungsminister war, wie Mitarbeiter feststellten, »sehr betroffen«.

Kanzler Kohl ("Wenn ich vor einem Jahr im Amt gewesen wäre, hätte ich vielleicht ein anderes Gesetz gemacht") aber sah die Sache viel gelassener und stellte die rechten Maßstäbe wieder her. Dieses Urteil über ein so nebensächliches Thema wie die Volkszählung, befand S.18 der Regierungschef, sei doch keines Aufhebens wert. Politisch bedeutungsvoll sei allein ein anderes Verfahren gewesen, und da hätten die Karlsruher doch richtig entschieden, bei der Frage nämlich, ob - entgegen den Bedenken fast aller Verfassungsrechtler - im März neu gewählt werden durfte.

Aber trotz der Beschwichtigung von hoher Warte, intern räumten die Regierenden ein, der Spruch des Gerichts habe sie alle böse überrascht. Gewiß können sie sich darauf berufen, wie Regierungssprecher Diether Stolze vor der Pressekonferenz erklärte, sie hätten das fertige Gesetz von der früheren Regierung übernommen. Doch es bleibt ein schwacher Trost.

Denn allmählich erst, nach Verabschiedung des Gesetzes, sind die Kritiker wach geworden, seither erst haben sich die Bedenken gehäuft, nicht nur bei den Grünen, sondern auch bei Juristen, Datenschützern und Politikern - kein Ruhmesblatt für alle Beteiligten. Beschädigt ist auch das Renommee des Bundesbeauftragten für den Datenschutz Hans Peter Bull, der sich, wie Datenschützer-Kollegen in den Bundesländern meinen, »frühzeitig auf eine recht unkritische Haltung zu dem Gesetzentwurf festgelegt« hatte. Aber der Regierung Kohl, vorneweg Zimmermann, gebührt das zweifelhafte Verdienst, daß sie die Brisanz der Einwände gar nicht erkannte.

»Das hat im Kanzleramt überhaupt keiner ernst genommen«, gesteht Stolze. Und Zimmermann-Sprecher Wighard Härdtl fand, es sei schon »ein Stück aus dem Tollhaus«. Daß einige erwachsene Richter sich plötzlich »Randbedenken« zu eigen machen, findet er »nicht ganz verständlich«.

Schon streuen die Verlierer den Verdacht, die Karlsruher hätten ein schlechtes Gewissen wegen ihrer Neuwahl-Entscheidung und wollten nun ihre Unabhängigkeit durch Unbequemlichkeit unter Beweis stellen. Ernst Benda, Präsident des Bundesverfassungsgerichts (BVG) und Vorsitzender des Ersten Senats, soll die Unbotmäßigkeit büßen.

Seine Chancen, nach dem Ausscheiden als Nachfolger von Karl Carstens Bundespräsident oder wenigstens Regierender Bürgermeister von Berlin zu werden (wenn Richard von Weizsäcker das höchste Staatsamt zufallen sollte), sind auf Null gesunken. Benda, seit 1978 Honorarprofessor an der Universität Trier, hat sich ohnehin auf eine Zukunft als Hochschullehrer eingerichtet.

Benda machte den Bonnern allesamt einen Strich durch die Rechnung: der alten Bundesregierung, die den Zensus beschlossen, der neuen Regierung, die ihn mit Verve betrieben, und den etablierten Parteien, die ihn kritiklos gebilligt hatten. Sie alle hatten den Karlsruher Spruch nicht erwartet. Jedenfalls nicht so, und mit routinierter Schuldzuweisungstechnik machten sie jeweils die anderen verantwortlich für das Fiasko.

Der CSU-Generalsekretär Otto Wiesheu, dessen Vorsitzender Franz Josef Strauß im Wahlkampf für ein populäres Weilchen sogar geraten hatte, die Zählerei zu verschieben, wertete die Entscheidung als eine »schallende Ohrfeige« für den jetzigen Oppositionschef Vogel, weil der das Volkszählungsgesetz als Justizminister mitverantwortet hatte. Der Sozialdemokrat Holger Börner wähnte die »Ohrfeige« dem jetzigen Innenminister Zimmermann von der CSU versetzt. Der Bundesverband der Grünen registrierte eine »schallende Ohrfeige im Gesicht der Datenfetischisten«.

Die Grünen, in einer Front mit der breiten, wuchtigen Protestbewegung jeglicher Couleur, hatten Grund zur Freude. »Nur den zahlreichen Bürger- und Volkszählungsinitiativen« sei es zu verdanken, verlautbarten sie, »daß die totale Erfassung selbst privater Daten durch anonyme Bürokratien gebremst wird«.

Und wenn auch die Entscheidung von Karlsruhe gerade nicht eine Konzession an den Protest auf den Straßen, sondern die rechtlich angemessene Reaktion auf zwei ordentliche Verfassungsbeschwerden engagierter Juristen war, so ist sie doch nicht erklärbar ohne das Klima von Ängsten und Besorgnissen, das mit dem elektronischen Zeitalter über die Bundesrepublik gekommen ist.

Mit der Aussetzung der Volkszählung folgte das Verfassungsgericht den Anträgen des Lüneburger Jura-Studenten Gunther von Mirbach und der Hamburger Rechtsanwältinnen Maja Stadler-Euler und Gisela Wild, die den Rechtsweg ausdrücklich als »Alternative zur Boykottbewegung« »eklarierten. Die Hamburger Juristin Gisela Wild in Karlsruhe: Es« » sind nicht nur Chaoten und Systemverweigerer, die dieses » » Gesetz ablehnen, wie Transparent gegen Volkszählung: »Es sind » » nicht nur Chaoten und Systemveränderer ... ... die das Gesetz » » ablehnen": Anwältinnen Gisela Wild, Maja Stadler-Euler Mit » » dem Vertreter der Bundesregierung, Eckhart Schiffer, während » » der Verhandlung in Karlsruhe. manche Politiker abfällig zu » » sagen belieben, es sind Bürger, die Angst haben, daß der » » Drang nach staatlicher Allwissenheit dem Menschen seine » » Privatsphäre nimmt; es sind Bürger, die Angst haben, eines » » Tages als Nummer von Automaten beherrscht und von anonymen » » Mächten verwaltet zu werden, weil ihre Daten in » unergründlichen Kanälen vernetzt sind.

» Diese Bewegung hat ein Ausmaß angenommen, das auf » » Konfrontation zuläuft. Die Bundesregierung demonstriert » » Staatsgewalt und Staatsräson. Die Bürger suchen alle » » möglichen Wege, sich zu verweigern, sei es legal über » » Schwachstellen des Fragebogens, sei es illegal durch » » Fehlangaben oder massenhaften Boykott. Die einstweilige » » Anordnung - und nach Lage der Dinge nur noch sie - kann » » endlich die Ruhe schaffen, in der das Volkszählungsgesetz » » ohne Hysterie, ohne Drohgebärden und ohne Ängste diskutiert » » und überdacht werden kann. »

Das Gericht ging in seiner Entscheidung darauf nicht ein, bis auf die Andeutung, daß es mit seinem endgültigen Urteil eine »Behebung der Unsicherheiten« in Aussicht stellt. Aber Verfassungsexperten in Karlsruhe machen keinen Hehl daraus, daß sich die Richter auch der Frage konfrontiert sehen, ob »Mißtrauen im Zeitalter der Verdatung ein rechtserheblicher Umstand« sei.

Das Urteil erging nach jenem Paragraphen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes, der die einstweilige Anordnung zur vorläufigen Regelung eines Streitfalles erlaubt, »wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile ... dringend geboten ist«. Und die Nachteile lagen auf der Hand. Denn, so erläuterten die Richter, »ergeht die einstweilige Anordnung nicht, erweisen sich aber die Verfassungsbeschwerden später als begründet, verletzt der Vollzug des Gesetzes sämtliche auskunftspflichtigen Bürger in ihren Grundrechten« - die gesamte Bevölkerung also.

Die ungewöhnliche Konstellation zwang die Mehrheit der Richter schon aus Gründen der Logik zur einstweiligen Anordnung. Zwar heißt es im Urteil, sie schaffe »keinen endgültigen und irreparablen Zustand«, sie nehme »insbesondere die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweg«.

Gleichwohl gibt es eine Reihe von Indizien dafür, daß es beim Volkszählungsgesetz 83 nicht bleiben wird - auch dieses: Noch nie hat das Verfassungsgericht ein Gesetz per einstweiliger Anordnung gestoppt, ohne dem Gesetzgeber später im Endurteil Auflagen zu machen. So zweifeln insbesondere Datenschützer nicht daran, daß die verfassungsrechtlich bedenkliche Verknüpfung statistischer und administrativer Zwecke, die das jetzt erst mal stornierte Volkszählungsgesetz vorsah, im Endurteil keinen Bestand haben wird.

Gemeint ist der umstrittene Paragraph 9, der einen Melderegistervergleich vorsieht und sogar die Weitergabe von Daten an interessierte oberste Behörden und »sonstige öffentliche und nichtöffentliche Stellen«. Wie groß die Skepsis des Senats gegenüber diesem Paragraphen ist, zeigte sich an der Tatsache, daß sich insoweit alle acht Richter für eine Suspendierung aussprachen. Das gesamte Gesetz zu stoppen war die Meinung einer Mehrheit von 5 zu 3 Richtern.

Es könnte sein, daß die entscheidende Stimme bei diesem Votum vom Präsidenten Ernst Benda kam. Er zählt gemeinhin zu den Konservativen im Senat, aber der ehemalige CDU-Innenminister hat sich einen Schuß Liberalität, gewiß aber Common sense bewahrt - er war es, der 1965 in einer seinerzeit aufregenden Rede gegen die Verjährung von NS-Verbrechen Stellung nahm.

Seit der Übernahme des Karlsruher Präsidentenamtes ist Benda zur Tagespolitik und auch zu seiner Partei erkennbar auf Distanz gegangen. Kennzeichnend für seine Richterperiode ist, daß sich der Christdemokrat aus dem Nachkriegs-Berlin in wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Vorträgen häufig mit dem Thema Bürger und Staat beschäftigt hat. Kernthese: Die Verfassung verlange, »daß der Staat die Menschenwürde aktiv schützt«.

Ob Benda nun im Ersten Senat vergangene Woche den Ausschlag gab oder nicht - die Entscheidung des Verfassungsgerichts ist in jeder Hinsicht vernünftig. Sie ist rechtlich angemessen, weil nur so irreparable Schäden, womöglich Grundgesetzverletzungen en masse, abgewendet werden konnten. Sie ist der Sache dienlich, weil die Holterdiepolter-Volkszählung 1983 durch Massenboykott und Falschangaben kaum ein nützliches Ergebnis hätte erbringen können. Und sie mag politisch zur Folge haben, daß S.20 sich ein Quentchen Staatsverdrossenheit verflüchtigt und insbesondere jüngere Bundesbürger erkennen können, daß das so gern geschmähte System zu Selbstbesinnung und sachlicher Korrektur fähig ist. Das ist vielleicht der bedeutsamste Impuls, der von der Karlsruher Entscheidung ausgehen könnte.

Dazu paßt durchaus, daß in Teilen der Verweigerungsszene keine rechte Freude aufkam. Zwar frohlockte ein Sprecher des Berliner »Informationsbüros Volkszählung«, der Staat habe »vor massenhaftem zivilem Ungehorsam« zurückweichen müssen. Doch die alternative »Tageszeitung« ("taz") trauerte schon für viele, die Entscheidung der »acht Personen starken VoBo-Ini in Karlsruhe« (Szene-Metapher für den achtköpfigen Senat) sei »für die Bewegung das Schlimmste, was passieren konnte«, und drehe »dem eigentlichen Widerstand die Luft ab«.

Denn die »schlaue Entscheidung« des Ersten BVG-Senats, bedauerte eine Hamburger Initiative, habe die eigentliche Absicht der Boykotteure vereitelt: »Wir hätten es besser gefunden, wenn die Bevölkerung durch massenhafte Verweigerung die Volksaushorchung verhindert hätte.« Nun, so fürchten VoBo-Aktivisten, »dürfte es schwer sein, den Widerstand auf diesem Level zu halten«. Bis zur endgültigen Entscheidung drohe »alles im Frust zu versanden«.

Die Massenbewegung, zu der mittlerweile beileibe nicht nur professionelle Neinsager gehören, hatte in einem Theater begonnen. Nach der Aufführung eines Sprechstücks über Personal-Informationssysteme in der Hamburger Hochschule für bildende Künste meldete sich eine Frau zu Wort, die per Post die Aufforderung erhalten hatte, sich bei der Volkszählung 1983 als Zählerin zur Verfügung zu stellen. Noch am selben Abend entstand eine »VoBo-Ini« - die erste westdeutsche Initiative für Volkszählungsboykott.

Das war im Dezember vergangenen Jahres, als der Chef des Statistischen Bundesamts Franz Kroppenstedt, noch ringsum Ruhe verspürte: Der Widerwillen gegen den Vollzug der Volkszählung 1983, so der oberste Datensammler der Nation damals, sei »nahe Null«.

Drei Monate später registrierte Kroppenstedt verblüfft, die Zählung sei nunmehr »in bis vor kurzem noch kaum vorstellbarer Weise Gegenstand einer öffentlichen Diskussion«.

Innerhalb von Wochen ging ein »Flächenbrand«, so die »taz«, über den Bonner Staat, an dem sich Zehntausende Bürger und mehr als 500 Boykott-Initiativen entzündeten. Aus den Keimzellen des Protests, die sich in Hamburg und Berlin gebildet hatten, erwuchs ein international beachteter Modellfall bürgerlichen Ungehorsams.

In einem Land, das in dem Ruf stehe, daß »alles verboten ist, was nicht ausdrücklich erlaubt ist«, wunderte sich die »International Herald Tribune« über die Erhebung gegen die Erhebung, sei so etwas wie eine nationale »Charakterabweichung« zu erkennen. Das amerikanische Nachrichtenmagazin »Newsweek« staunte über die widerborstigen Deutschen, »von denen man schließlich annimmt, daß sie Autorität respektieren und Ordnung bewundern«.

Offenkundig erreicht waren, wie die »Washington Post« kommentierte, die »Grenzen des Vertrauens« der Bürger in ihre Politiker. Was Kernkraft-Kritikern, Hausbesetzern und Startbahn-Demonstranten nicht gelungen war, schaffte die VoBo-Bewegung: Sie brachte bundesweit ein einmalig breites Bündnis von Etablierten und Gegenkultur zustande.

Mitgemacht haben Bürger aus allen sozialen Schichten und politischen Ecken: Mediziner und Datenschützer, Gewerkschafter, Kirchenleute und Berufspolitiker. »Ich bin«, ordnete sich beispielsweise der Karlsruher Beschwerdeführer Mirbach, stellvertretender Bezirksvorsitzender der Jungen Union in Lüneburg, ein, »bestimmt kein Staatsverweigerer.« S.21

Die Deutschen, die noch 1970 eine Volkszählung klaglos über sich hatten ergehen lassen, reagierten wie bewußte Staatsbürger. Widerhall fand der Zorn gegen die 371 Millionen Mark teure Zählung, räumte sogar die »FAZ« ein, »selbst bei solchen Bürgern, deren Mißtrauen gegen einen neugierigen Staat nicht über das Maß dessen hinausgeht, was einem freiheitsbewußten Bürger wohl ansteht« - VoBo war überall.

Da machten Feministinnen, die keinen Zähler über ihre Schwelle lassen wollten, ebenso mit wie Pazifisten, denen nicht einleuchtete, daß sie dem Staat Persönliches offenbaren sollten, während doch die Bonner Regierung die Standorte von Atomraketen geheimhält. Die Grünen (Slogan: »CDU CSU SPD FDP - Nein danke") hatten ihr erstes Bundestagsthema, mit dem sie den etablierten Fraktionen, die das Gesetz 1982 einmütig verabschiedet hatten, zusetzten.

Eine »Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule« fürchtete das Entstehen von »Rosa Listen«, wie sie zur NS-Zeit der Verfolgung Homosexueller dienten. Der »Zentralrat Deutscher Sinti und Roma« rief zur Datenverweigerung auf und erinnerte: »Orwells 1984« bestehe für Zigeuner schon »seit 1933«.

Vorn beim Bürgerzorn war wieder mal West-Berlins Verweigerungsszene. Ganz links außen in der christdemokratischliberal verwalteten Halbstadt hatten letzthin noch Trübsal und Frust das Aufbegehren überdeckt. Doch VoBo ließ die Stimmung steigen, Inis und Äktschns erblühten wie seit den Straßenschlachten der Häuserkämpfer nicht mehr.

Beflügelt von Mottos wie »Lieber ein undurchsichtiger Chaot als ein gläserner Mensch« (Hausbesetzer-Transparent in der Kreuzberger Manteuffelstraße), kam die Szene schnell auf Touren. An die zehntausend Unterschriften von Bürgern, die den VoBo-Werbern den Boykott versprachen, waren in Berlin schnell zusammen. Zuspruch bekamen VoBo-Aktivisten sogar von den Barhockern gutbürgerlicher Pilsstuben, »wo wir uns eigentlich gar nicht reintrauen«.

Allerorten wanderte, wie in Berlin, das Aufbegehren von den Rändern hin in die Kerngruppen der Gesellschaft. »Meine Daten gehören mir«, verkündeten Plakate in Ballungszentren wie in der Provinz. An Wohnungstüren klebten Hinweise wie »Betteln, Hausieren und Volkszählen verboten«.

VoBo-Initiativen richteten »Zählsorgetelephone« für skrupelgeplagte Zähler und skeptische Bürger ein. Fernseh-Fans produzierten und verliehen Videobänder zum Thema »Mein Name ist Hase«.

Als Boykotteure bekannten sich Schriftsteller wie Günter Graß ("Dieser Unfug"), Gewerkschafter wie Leonard Mahlein, Chef der IG Druck und Papier, und Wissenschaftler wie Walter Jens: »Ich lasse mich lieber vom Arzt röntgen«, formulierte der Rhetorik-Professor, »als von der Staatsmacht.«

Selbst der Berufsstand mit dem naturgemäß stärksten Interesse an sozio-ökonomischen Volksdaten winkte ab. Die Fragebögen, kritisierte der »Berufsverband Deutscher Soziologen«, wiesen Mängel auf, die selbst »einem Anfangssemester im Soziologiestudium nicht zu verzeihen wären«. In der »vorliegenden Form« werde »einem möglichen Mißbrauch von Volkszählungsdaten Tür und Tor geöffnet«.

Mehr als 50 Prozent der Westdeutschen, ergaben Umfragen, hegten lange vor dem Karlsruher Spruch Mißtrauen gegen die Befragung. Jeder vierte wollte sich, wie das ZDF-»Politbarometer« Ende März ergab, »nicht beteiligen«.

Auf Politiker wie Statistiker wirkte die einzigartige Protestwelle wie ein Schock. Vergleichbare Renitenz hatte es zwar schon im Ausland gegeben - in den Niederlanden verzichtete die Regierung auf eine für 1981 vorgesehene Erhebung, weil die Bürger schon die vorangegangene Zählung mit massenhaften Falschangaben entwertet hatten -, nicht aber bei Befragungen im Inland. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise wurden bei der letzten Zählung vor dreizehn Jahren ganze 23 Fälle registriert, die »Anlaß zur Einleitung von Bußgeldverfahren gaben« (Statistisches Bundesamt).

Doch außer einer blassen Aufklärungskampagne fiel den überraschten Regierenden nur ein, dem Volkszorn mit Druck zu begegnen: In Frankfurt ließ Oberbürgermeister Walter Wallmann (CDU) Info-Stände verbieten, an denen zum Boykott aufgerufen werden sollte; im SPD-regierten Hamburg entschied das Bezirksamt Mitte, auf Straßen und Plätzen dürfe nicht zur Datenverweigerung animiert werden.

Am stärksten war die Repression gegen VoBo in Berlin. Während der bayrische Innenminister Karl Hillermeier (CSU) vergangene Woche ankündigte, eingeleitete Bußgeldverfahren gegen Boykott-Propagandisten würden »nicht weiterverfolgt«, blieb Berlins Innensenator Heinrich Lummer (CDU) bei seiner Einschätzung, Volkszählungsgegner wollten vor allem den Rechtsstaat aushöhlen.

Als hätten in Karlsruhe ein paar Dorfrichter herumgerechtet, hielt der Christdemokrat auch nach dem Spruch des Verfassungsgerichts Kurs und übte Urteilsschelte: Die Sorgen und Ängste der Bürger hätten »überhaupt keinen Realitätsbezug«. Den Boykotteuren sei es weniger um den »gläsernen Menschen« gegangen als vielmehr darum, »die Handlungsfähigkeit des Staates zu beeinträchtigen«.

Scharfen Kurs hatte auch Innenminister Zimmermann gesteuert. Es sei nur »eine Minderheit«, hatte der Verfassungsminister die Dimension des Widerstands verniedlicht, die »eine Diffamierungskampagne gegen das Volkszählungsgesetz« führe.

Nun, seit Mittwoch letzter Woche, müßte Zimmermann eigentlich auch die Karlsruher Richter auf die schwarze Liste setzen. Die Verhandlung machte deutlich, daß die Sache von Minderheiten Rechtens sein kann. Von 1223 Eingaben wählten die Richter zwei Verfassungsbeschwerden aus, an denen sich der Fall exemplarisch abhandeln ließ.

Daß sich der Erste Senat den Anträgen, die Volkszählung auszusetzen, nicht oder nicht völlig verschließen würde, war während der mündlichen Verhandlung am Dienstag bereits atmosphärisch spürbar gewesen. Gute Figur vor Gericht machten allein die Beschwerdeführer sowie die Datenschutzbeauftragten aus Bund und Ländern, die wegen ihrer Sachkunde geladen waren. Der Staat gab S.22 sich, soweit er in Erscheinung trat, vor allem Blößen.

Gar nicht vertreten war in Karlsruhe der Bundestag, der das Volkszählungsgesetz einmütig verabschiedet hatte - gerade so, als ginge das Parlament nun auf Distanz zu seinem unbedachten Werk. Die Bundesregierung brach ihrerseits mit dem Brauch, zu wichtigen Verfassungsprozessen den jeweils zuständigen Minister zu entsenden - wiewohl der eloquente Innenminister Zimmermann sich in den letzten Wochen als besonders strammer Verfechter der Totalerfassung hervorgetan hatte.

Zimmermann fehlte ebenso wie sein Staatssekretär Horst Waffenschmidt (CDU); die Sache des Staates hatte der Ministerialdirektor Eckhart Schiffer zu vertreten, ein sichtlich ungenügend vorbereiteter oder aber überforderter Beamter, der den bohrenden Fragen des Gerichts, wie die »Süddeutsche Zeitung« notierte, »kaum etwas entgegenzusetzen« hatte.

Das Düsseldorfer »Handelsblatt« mochte sogar nicht ausschließen, daß die Entscheidung des Gerichts durch die »wenig stilvolle Mißachtung« seitens der »anderen Verfassungsorgane« gefördert worden sei. Jedenfalls nahm sich die Bonner Präsenz ausgesprochen schwach aus gegenüber der Phalanx der Volkszählungskritiker, die gleich drei argumentationstüchtige Frauen aufboten: die beiden Hamburger Rechtsanwältinnen Gisela Wild und Maja Stadler-Euler, die gegen das Volkszählungsgesetz Verfassungsbeschwerde eingelegt hatten, sowie die baden-württembergische Datenschutzbeauftragte Ruth Leuze.

Die Aussetzung der Volkszählung ist vor allem den Plädoyers dieser Juristinnen zuzuschreiben. Ruth Leuze zählte mit Akribie auf, welche Fülle von Nachteilen Bürger zu gewärtigen haben, wenn, wie nach Paragraph 9 des Volkszählungsgesetzes vorgesehen, die per Fragebogen erfaßten Daten mit dem amtlichen Melderegister verglichen werden - obwohl das Gesetz solche Nachteile auszuschließen vorgibt.

Der - neben dem Melderegisterabgleich - zweite neuralgische Punkt steht ebenfalls im Paragraphen 9: die Ermächtigung, Daten »an die fachlich zuständigen obersten Bundes- und Landesbehörden« weiterzugeben, »soweit sie zur rechtmäßigen Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben erforderlich sind«. Die Anwältin Gisela Wild folgerte daraus, daß »der Bundesnachrichtendienst, das Bundeskriminalamt oder auch das Bundesamt für Verfassungsschutz zur Erfüllung ihrer Aufgaben sogar Anspruch auf die Daten« hätten.

Eine solche Interpretation hielt der Regierungsvertreter schlechterdings für eine Unterstellung. Auch sein Minister mag einfach nicht glauben, »daß der Präsident des Statistischen Bundesamtes nachts in Wiesbaden mit den Listen ins Bundeskriminalamt rüberschleicht«.

So witzig stellt sich das Datenschützern nicht dar. Professor Spiros Simitis aus Hessen beklagte vor Gericht »die für den Bürger untragbare, verfassungsrechtlich unzulässige Verknüpfung statistischer und administrativer Zwecke mit der Konsequenz weitreichender, für den einzelnen tatsächlich nicht erkennbarer und deshalb nicht vorhersehbarer Nachteile«.

Auch die Behauptung der Bundesregierung, ein Mißbrauch personenbezogener Daten sei wegen der strengen Geheimhaltungsvorschriften des Statistikgesetzes und der Strafbestimmungen ausgeschlossen, wurde in Karlsruhe angezweifelt. Die »vielgepriesene Absicherung des Statistikgeheimnisses« durch die Paragraphen 203 und 204 des Strafgesetzbuches könne man vergessen, konstatierte die Anwältin Wild bündig - es sind Antragsdelikte.

Und: »Es ist gerade das Tückische dieser Daten, daß sie in unergründlichen Kanälen verschwinden und nicht kontrollierbar sind. Der Verletzte wird so gut wie nie Kenntnis von der Tat erlangen, die ihn in die Lage versetzen würde, Strafantrag zu stellen.«

Bei der Gelegenheit gestattete sich die Juristin auch den »zeitgemäßen Hinweis«, wo denn wohl Fragebögen der Volkszählung 1983 landen könnten, »wenn schon 40 Fässer mit tödlichen Giftstoffen anonym und unkontrolliert über Monate hin durch Europa wandern und irgendwo verschwinden«.

Zu alledem wußte der Regierungsvertreter Schiffer nicht allzuviel zu sagen - auch nicht zu der Frage, ob denn die von den Datenschutzbeauftragten Ende März formulierten Korrekturwünsche noch bei der Volksbefragung berücksichtigt werden könnten oder nicht. Zu diesem Katalog von Nachbesserungen gehört beispielsweise die Forderung, Zähler »nicht in unmittelbarer Nähe ihres Wohngebietes« einzusetzen, ferner auf Zähler zu verzichten, »bei denen im Hinblick auf ihre dienstliche Tätigkeit Interessenkonflikte nicht auszuschließen sind« - Polizisten und Finanzbeamte etwa.

Erst im nachhinein wollten die Datenschützer auch die Übermittlung von Einzelangaben an Behörden ausdrücklich auf »statistische und planerische Zwecke« beschränken, während nach dem Gesetzestext auch Sicherheitsbehörden sich nach Belieben und Bedarf hätten bedienen können.

Oder: Nach dem Datenschützer-Petitum dürften »den Gemeinden Einzelangaben nur für eine bestimmte statistische Aufbereitung zur Verfügung gestellt werden«, dazu gehöre »in keinem Fall der Name« - Restriktionen also für die Nutznießer des angestrebten großzügigen Datenverbunds, die ungehemmten Datentransfer im Sinn hatten.

Bedenklich genug, daß erst solche Hilfereichungen ein Gesetz einigermaßen mißbrauchssicher machen sollten. Anwältin Wild: »Ein Gesetz jedoch, das erst durch breite Ausführungsanweisungen verfassungskonform gemacht werden muß, ist offenkundig verfassungswidrig.« Aber nicht einmal die Anwendung dieser Klauseln konnte Ministerialdirektor Schiffer garantieren - wie denn auch.

Denn zuständig für die Zählung sind Länder und Gemeinden, und eben dies hatte Minister Zimmermann noch am 30. März im Bundestag klargestellt: Auf die Auswahl der Zähler habe »der Bund nicht den geringsten Einfluß«. Jedes Land könne sich »also verhalten, wie es will«. Wörtlich: »Es kann Beamte, öffentliche S.23 Angestellte, Polizeibeamte, Steuerbeamte nehmen oder weglassen.«

Einer der Verfassungsrichter warf denn auch ein, er habe von drei Stuttgarter Behörden drei verschiedene Antworten auf die Frage bekommen, ob die Ergänzungsvorschläge der Datenschützer noch zu realisieren seien.

Am Ende der Verhandlung war offensichtlich, daß Rechtsunsicherheiten kaum geklärt worden, eher neue hinzugekommen waren. Die Frage für das Gericht war nur noch, ob lediglich der umstrittene Melderegister-Abgleich fürs erste gestoppt werden sollte oder die ganze Erfassung.

Während sich die meisten der in Karlsruhe versammelten Datenschützer mit einem einstweiligen Verwertungsverbot begnügen wollten, plädierten die Verfassungskläger für eine generelle Aussetzung - und das Gericht folgte ihnen.

Denn andernfalls wären »die Daten erhoben und gespeichert« worden. Benda: »Die Frage, ob bereits diese Maßnahmen unter den Bedingungen der automatischen Datenverarbeitung zu einer Grundrechtsverletzung führen, kann nicht ohne eingehende Prüfung beantwortet werden.« Sie wird mindestens bis zum Herbst dauern, und wahrscheinlich wird wiederum eine umfängliche mündliche Verhandlung dem Endurteil vorausgehen. Das Gericht will erkennbar den komplexen Bereich von Datenschutz, Persönlichkeitsrechten und Staatsinteressen durchdringen.

»In dem Verfahren über die Hauptsache«, heißt es richtungweisend im Urteil der letzten Woche, »werden Grundfragen des Schutzes grundrechtlicher Positionen des einzelnen als gemeinschaftsgebundene und gemeinschaftsbezogene Persönlichkeit unter den besonderen Bedingungen der seit der Mikrozensus-Entscheidung von 1969 fortentwickelten Möglichkeiten der Statistik und der automatischen Datenverarbeitung aufgeworfen.«

Das vom Verfassungsgericht erwähnte Urteil von 1969 galt einer repräsentativstatistischen Erhebung bei jährlich einem Prozent aller Bürger, bei der auch Fragen etwa nach der Gesundheit ("Haben Sie in den letzten 4 Wochen Rheumamittel angewendet?") oder »Urlaubs- und Erholungsreisen« ("Pauschal- oder Gesellschaftsreise?") gestellt werden. Es widerspreche, proklamierte das Gericht damals, »der menschlichen Würde, den Menschen zum bloßen Objekt im Staat zu machen«.

Schon damals bestritten die Richter dem Staat das Recht, »den Menschen zwangsweise in seiner ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren - sei es auch in der Anonymität einer statistischen Erhebung«. Es gehe nicht an, den Menschen »wie eine Sache zu behandeln, die einer Bestandsaufnahme in jeder Beziehung zugänglich ist«.

Zu prüfen hat das Gericht nun, ob die Volkszählung 1983 gegen die detaillierten Auflagen von damals verstößt - etwa weil Fragen »den Bereich menschlichen Eigenlebens« erfassen, einen Bereich, der laut Verfassungsgericht »von Natur aus Geheimnischarakter« hat. Selbst wenn jedoch die konkreten Fragen der Volkszählung für harmlos gehalten werden sollten, bekommt ein gleichsam visionärer Satz des alten Urteils aktuelle Bedeutung: »Auch für den Staat der modernen Industriegesellschaft« gebe es »Sperren vor der verwaltungstechnischen 'Entpersönlichung'«.

Sätze wie diese legen nahe, an welcher Stelle das Gericht mit der Fortschreibung des alten Urteils beginnen muß, etwa mit der damals schon angedeuteten Überlegung, daß nicht alles »zu statistisch erschließbarem und erschließungsbedürftigem Material erklärt« werden darf. Und aus den Vorbehalten gegen eine »Bestandsaufnahme in jeder Beziehung« folgt, daß im Zeitalter der Verdatung die Grenzen eng zu ziehen sind.

Welchen Stoff die acht Richter zu bewältigen haben, hat Professor Spiros Simitis anklingen lassen: Das Grundgesetz verlange »nicht nur eine sorgsam begrenzte, sondern auch eine für den Betroffenen von Anfang an überschaubare und in ihren Konsequenzen abschätzbare Verarbeitung«. Für statistische Erhebungen sieht Simitis deshalb einen klaren Orientierungsrahmen: »Das Verwendungsziel bestimmt den Verwendungsumfang und die Verwendungsform.«

So gesehen, wäre bereits die Häufung an sich harmloser Fragen nicht unbedenklich. Der Staat müßte vielmehr detailliert darlegen, aus welchen Gründen und zu welchen Zwecken er den Bürger um Angaben bittet. Und ein Urteil, das nicht hinter den Maßstäben der Mikrozensus-Entscheidung zurückbleiben will, wird wohl oder übel Verwertungsverbote für Daten definieren und zugleich prüfen müssen, ob angesichts einer möglichen Totalvernetzung von Informationen das Prinzip der Amtshilfe völlig neu überdacht werden muß.

Abgesehen vom Datenmißbrauch: Das schiere Speichern auf Vorrat, wie es die Volkszählung 83 vorsah, sowie der spätere Rückgriff auf dann schon veraltete Zahlen kommt einsichtigen Soziologen und Informatikern zunehmend widersinnig vor - wie ein bürokratisches Glasperlenspiel. Die Anwältin Maja Stadler-Euler, früher Fraktionsvorsitzende der FDP in der Hamburger Bürgerschaft, machte in Karlsruhe eine eindrucksvolle Liste auf, wozu es führt, wenn Zahlen zu »Hauptentscheidungskriterien in der Politik werden":

Der Lehrerüberschuß sei bei den Berechnungen von Pillenknick und kleineren Klassen nicht voraussehbar gewesen - »er trat ein, als die Länder kein Geld mehr hatten, um die Gehälter zu finanzieren«. Die Energieprognosen seien durch die Ölkrise und ein verändertes politisches Bewußtsein »von heute auf morgen über den Haufen geworfen worden«.

Wichtiger sei deshalb, Zahlen für das »konkrete Projekt« in kleineren Bereichen zu erheben, und das »zeitnah«. Der Hamburger Informatikprofessor Klaus Brunnstein gab dafür ein Beispiel: Ob eine neue Straße gebaut werden solle oder nicht, dafür müsse man schon mal tausend B ürger befragen - wann sie fahren, wie oft sie fahren, wohin sie fahren.

Maja Stadler-Euler: »Wo der Bürger sieht, für was seine Zahlen gebraucht werden, gibt er sie auch gern.«

S.18

Es sind nicht nur Chaoten und Systemverweigerer, die dieses Gesetz

ablehnen, wie Transparent gegen Volkszählung: »Es sind nicht nur

Chaoten und Systemveränderer ... ... die das Gesetz ablehnen":

Anwältinnen Gisela Wild, Maja Stadler-Euler Mit dem Vertreter der

Bundesregierung, Eckhart Schiffer, während der Verhandlung in

Karlsruhe. manche Politiker abfällig zu sagen belieben, es sind

Bürger, die Angst haben, daß der Drang nach staatlicher

Allwissenheit dem Menschen seine Privatsphäre nimmt; es sind Bürger,

die Angst haben, eines Tages als Nummer von Automaten beherrscht und

von anonymen Mächten verwaltet zu werden, weil ihre Daten in

unergründlichen Kanälen vernetzt sind.

Diese Bewegung hat ein Ausmaß angenommen, das auf Konfrontation

zuläuft. Die Bundesregierung demonstriert Staatsgewalt und

Staatsräson. Die Bürger suchen alle möglichen Wege, sich zu

verweigern, sei es legal über Schwachstellen des Fragebogens, sei es

illegal durch Fehlangaben oder massenhaften Boykott. Die

einstweilige Anordnung - und nach Lage der Dinge nur noch sie - kann

endlich die Ruhe schaffen, in der das Volkszählungsgesetz ohne

Hysterie, ohne Drohgebärden und ohne Ängste diskutiert und überdacht

werden kann.

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