Zur Ausgabe
Artikel 40 / 79

JUGOSLAWIEN / SKIPETAREN Ohr ab

aus DER SPIEGEL 46/1966

Vor dem Krieg hatte jeder zweite Skipetar die Räude, heute ist jeder zweite Analphabet - sofern er in Jugoslawien wohnt.

Am meisten aber leidet die skipetarische (das heißt albanische) Minderheit im Tito-Reich heute unter den serbischen Landesherren, so wenigstens behauptet Albaniens Partei-Postille »Zeri i Popullit« in einer langen Anklageschrift gegen Jugoslawien. Inhalt: Titos Serben begehen Völkermord an Titos Skipetaren.

Ungefähr 560 000 Skipetaren leben in der autonomen jugoslawischen Provinz Kosovo-Metohija (Kosmet) im Süden Serbiens. Diese Auslands-Albaner an das Mutterland anzuschließen und ein »Groß-Albanien« zu schaffen, ist seit je der Traum aller Albaner.

Das 10 690 Quadratkilometer große Gebiet von Kosmet gehört zu den dichtestbesiedelten und gleichzeitig ärmsten Regionen Jugoslawiens. Das Durchschnittseinkommen beträgt 80 Pfennig pro Tag und Kopf.

Selbst reichliche Hilfe (bis 1965: 107,2 Millionen Mark) der Belgrader Regierung konnte die Industrie der Armen -Provinz nur mühselig ankurbeln, die jahrhundertealte Feindschaft zwischen mohammedanischen Skipetaren und christlichen Serben konnte sie überhaupt nicht mildern.

Die Skipetaren - sie drängten Ende des 17. Jahrhunderts, als die Serben vor den Türken zurückfluteten, in die verlassenen Serben-Siedlungen - wurden immer schon verfolgt: von türkischen Sultanen, von montenegrinischen und serbischen Königen. Und auch unter dem Regime Titos, so behauptete das albanische Zentralorgan, habe sich das Los der Landsleute im Nachbarland nicht geändert.

Zwischen 1944 und 1948 seien 40 000 Skipetaren erschossen, erstochen oder vergiftet worden. Im Winter 1955/56 habe der ehemalige Tito-Günstling Aleksandar Rankovic persönlich eine Strafexpedition gegen die Unterdrückten geleitet. »Zeri i Popullit": »Sie wurden mit Gummiknüppeln (Schlaggewicht: 70 Kilogramm) zu Tode geprügelt, mit elektrischem Strom geschockt, die ganze Nacht barfüßig in den Schnee gestellt und anderntags in einen eiskalten Kanal geworfen.«

Im serbischen Gefängnis von Nis sollen 2000 skipetarische Häftlinge mit Unterkühlung und Hitze behandelt worden sein. Der Gefängnisdirektor habe bereits unter den deutschen Besatzern gedient.

In der Haftanstalt von Prizren sei ein Skipetar bei Folterungen zerstückelt worden, zwei Leidensgenossen überlebten - der eine mit gebrochenen Armen und Beinen, dem anderen fehlten ein Auge, ein Ohr, ein Teil der Lippe und der Bart. Resümierte das albanische Parteiblatt: »Die Titoisten haben die skipetarischen Gebiete Jugoslawiens in Gefängnisse und KZ verwandelt.« Als völlig unerwartete Zeugen der albanischen Anklage traten Jugoslawiens Partei und Presse auf: Aleksandar Rankovic - im Juli 1966 wegen seiner Putsch-Pläne gegen Staatschef Tito als Vizepräsident gestürzt (SPIEGEL 28/ 1966) - und seine mächtige Geheimpolizei Udba wurden unter anderem auch für das Schreckensregiment in Kosmet verantwortlich gemacht.

Die Belgrader Abendzeitung »Vecernje Novosti« enthüllte Geheimdienstler -Greuel: Aus dem Gefängnis von Prizren seien 200 Häftlinge als Invaliden entlassen worden, und im Gebäude des Sicherheitsdienstes seien seit 1959 acht Menschen getötet oder durch unmenschliche Verhörmethoden in den Tod getrieben worden.

Das Parteiorgan »Borba« rechnete den Udba-Leuten 19 Morde an Skipetaren vor.

Höhnte Albaniens Radio Tirana: »Tito hat jetzt Rankovic als Sündenbock gewählt, um sich selbst und den Rest der Clique zu retten.«

Skipetoren in Jugoslawien: Erschießen, erstechen, vergiften

Mehr lesen über

Zur Ausgabe
Artikel 40 / 79
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren