»One Way« und »Wutanfall«
Am 17. Juli 1982 trafen sich in Leipzig etwa 400 bis 500 Freaks und Punks, um auf einem privaten Grundstück ein Fest zu feiern. Sie kamen aus Erfurt, Halle, Magdeburg, Berlin, Karl-Marx-Stadt, Dresden und Leipzig, um die Punkbands »Wutanfall«, »Keim Schleim« und »Unerwünscht«, die Bluesgruppen »Onkel Huck« und »One Way« und Liedermacher zu hören, um Theater zu sehen. Alles Leute, die öffentlich nur in Kirchen zu Wort kommen. Mittags war ein Kinderfest geplant. Doch am 16. Juli wurde das Fest von der Stasi und den Bullen verboten. Obwohl Feiern in Wohnungen und auf privatem Gelände nicht angemeldet und genehmigt werden müssen, erklärten die Bullen das Fest für genehmigungspflichtig. Am 17. Juli waren dann an den Straßen rund um das Grundstück massig Bullentaxen, Zivilisten, die alles zu leiten schienen, und ein Überfallkommando. Die meisten Punks und Freaks (etwa 250) hatten sich in der Wohnung eines Punks getroffen und zogen zum Grundstück, als sich Bullen und Stasi provozierend vor dem Haus aufbauten.
Dort angelangt, wurde gleich von den Bullen, welche den Eingang zum Grundstück blockierten, mit Gewalt gedroht, falls sie Passanten belästigen würden (eine ältere Radfahrerin war abgestiegen, um ihr Rad durch die Leute zu schieben). Alle merkten, daß es die Bullen auf einen Zusammenstoß anlegten, auf den sie sich gut vorbereitet hatten.
Vielen Leipzigern war aber der 28. März 1981 noch gut in Erinnerung, als über hundert Freaks ein leerstehendes Abrißhaus besetzt hatten, um darin ungestört und unbeschränkt eine Rockpalastfete zu feiern. Damals wollten Stasi und Bullen im Schutze der Dunkelheit ein Exempel statuieren.
Sie räumten das Haus mit sieben Überfallkommandos und nahmen 94 fest. Danach folgte stundenlanges Stehen vor einer Mauer mit Händen im Genick, anschließend Verhöre. Alle Frauen mußten sich im Keller ausziehen. Fast alle mußten Geldstrafen in Höhe von 75 bis 300 Mark bezahlen.
Deshalb wollten es die Leute nicht auf eine Kraftprobe ankommen lassen und zogen es vor, an den Kanal (Badegewässer am Rande der Stadt) zu fahren. Nach einiger Zeit teilten sich dort viele in kleinere Gruppen und gingen zu verschiedenen Feten.
Wir hoffen, wenn wir beim nächstenmal wieder am Feiern gehindert werden, daß wir eine Kraftprobe nicht scheuen müssen.
Aus der Textsammlung: »VEB Nachwuchs. Jugend in der DDR«. Rororo,Reinbek bei Hamburg; 1983; 9,80 Mark.