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MODERNES LEBEN Ost-Berlin für Wessis

aus DER SPIEGEL 13/1988

Der gewöhnliche Tourist aus »Wessiland« (so sagt man in Ost-Berlin) läßt sich am S-Bahnhof Friedrichstraße von der Vopo nerven, dreht eine Pflichtrunde um den Alexanderplatz, weiß nicht, wie er sein zwangsgetauschtes Geld legal loswerden soll, und ist am Ende froh, wenn er wieder hinter der Mauer ist. Schön blöd. Dem Wessi muß geholfen werden: Erst lernt er mal die gängigen Begriffe - »Mona« heißt die beliebte Kaffeesorte, das SED-Parteiabzeichen nennt der Kenner »Märchenauge«, die »Griletta« ist ein Hamburger. Dann macht man sich schlau über schicke Kneipen (die gibt's!) und Kremserfahrten oder wie man zur gewünschten Theaterkarte kommt. Wer Bescheid weiß, der kann sich ein Auto mieten oder für 20 Pfennig stundenlang durch die »halbe Hauptstadt« trudeln, per Straßenbahn, am besten mit der Linie 17. Christa Mörstedt-Jauer, die als Frau eines ZDF-Korrespondenten jahrelang in Ost-Berlin gelebt hat, macht die Leser ihres Stadtführers »Die halbe Hauptstadt« (324 Seiten, 365 Abbildungen und Karten; Verlag Oberhofer, Berlin-West; 32,50 Mark) mit Ost-Berlin so eingehend vertraut, daß sie schließlich mehr als die Ost-Berliner wissen. Ihr pfiffiges Buch voller Fakten programmiert den Erfolg des Ausflugs. Den einen, nicht so frechen Teil darf man mitnehmen - so wird man autark, was Adressen, Termine, Telephonnummern und Tips angeht: Man verkehrt in »Clärchens Ballhaus« (dort ist Damenwahl), trinkt das Bierchen für 51 Pfennig, macht sich und die Brüder und Schwestern glücklich und schläft zufrieden ein - im Osten. Ganz legal, vertrauen Sie Telephon 2410: Im Palasthotel gibt's eine über das Tagesvisum hinausgehende Aufenthaltsgenehmigung.

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