ANGOLA Panik im Busch
Wir Wildgänse werden fliegen, wenn unsere Wanderzeit gekommen ist«, schrieb Söldner-Veteran Mike ("Mad Mike") Hoare, 54, vor mehreren Wochen. Sie ist gekommen.
Söldner aller Länder sammeln sich, seit Angolas schwarze Befreiungsbewegungen um die Herrschaft in der im November unabhängig gewordenen Portugal-Kolonie kämpfen. Und sie strömen zu Hunderten nach Afrika, seit die von Kubanern und Russen unterstützte MPLA immer größere Teile des Landes erobert.
Denn den bedrängten pro-westlichen MPLA-Rivalen FNLA und Unita ist nun jede Hilfe recht. FNLA-Führer Holden Roberto und Unita-Chef Jonas Savimbi hoffen auf das letzte Aufgebot: Söldner -- in Afrika auch »weiße Riesen«, »die »Schrecklichen« oder »Wildgänse« genannt. In einer Zeit der
*Auf dem Londoner Flughafen Heathrow vor dem Abflug nach Afrika.
Rezession sind viele in Europa und Amerika bereit, irgendwo in der Welt Soldat zu spielen. Wenn Arbeitslosigkeit, Abenteuerlust und ein aggressiver Antikommunismus zusammenkommen, muß der Söldnerjob als Traumberuf erscheinen, vor allem, wenn er mit 4000 Mark monatlich entlohnt wird.
In den vergangenen beiden Wochen flogen 300 von der englischen Firma Security Advisory Services (SAS) angeheuerte Nordeuropäer von London über Brüssel ins Angola-Nachbarland Zaire. Der ehemalige Oberstleutnant in Portugals Kolonialarmee Gilberto Santos e Castro, jetzt in Holden Robertos Diensten, warb in Lissabon 47 alte Kameraden.
Amerikaner nach Angola vermitteln die kalifornischen »EI Kamas Enterprises«, die in Zeitungen mit dem Aufruf werben: »Mercenaries Needed Nowl«
»Weiße Riesen« können neuerdings sogar schwarz sein: Der amerikanische Farbigen-Führer Roy Innis stellt für Savimbis Unita eine Kampftruppe aus 600 schwarzen Vietnam-Veteranen auf, »Patrioten, die in der Lage sind, die Kubaner in Angola zum Frühstück zu verspeisen« (Innis).
In der Bundesrepublik verbietet ein Gesetz die »Anwerbung zu fremdem Wehrdienst«. Der Ex-Bundeswehrausbilder Edgar Thelen wurde vor Jahresfrist zu zwölf Monaten Gefängnis verurteilt, weil er mit der Deckanzeige »Ausbildung zum Safari-Begleiter« Söldner für Rhodesien angeworben hatte.
Deutsche finden dennoch den Weg zu den fremden Waffen, etwa über London per Brüssel, wo zum Beispiel der Inhaber der Bar »La Renaissance« in der Nähe des Hauptbahnhofes weiterhilft.
Deutsche wollen auch über Südafrika an die Front. Hans G. -- »Nenn mich Dick« -- fand den notwendigen Kontakt in Mike Hoares »geselligem Freizeitclub Wildgänse«, der jeden Freitag im Johannesburger Hotel »New Library« tagt.
Die Angehörigen zu Hause wähnen Dick als hart schaffenden Einwanderer am Kap. Der Reserveoffizier der Bundeswehr aber will kämpfen: »In Angola mal richtig gegen die Kommunisten reinhauen. Nicht Stubendienst schieben und Schlappschwänze ausbilden wie hei der Bundeswehr.«
In Südafrika warten schätzungsweise 1500 Männer auf den Einsatz in Angola. Denn »zu den Gänsen«, so der Johannesburger »Star«, »sind viele Gänslein gekommen«. Die Regierung verbietet zwar die Anwerbung südafrikanischer Jugendlicher. Die sollen bei den eigenen Streitkräften dienen. Pretoria hat aber nichts gegen die Ansammlung von Anti-MPLA-Kämpfern im Lande.
Wildgänse-Vorsitzender Harry James ("Kongo-James"), 48, beurteilt die Neulinge skeptisch: »Die sind noch nie von einem Moskito gebissen worden. Wir dagegen kennen Afrika, können von Maniok leben und schätzen Disziplin -- keine Bärte, kurze Haare, geputzte Schuhe.«
James-Kamerad Hoare hat dem Zaire-Präsidenten und FNLA-Förderer Mobutu geschrieben ("In der Stunde der Gefahr sind wir bereit, für Sie zu den Waffen zu greifen") und selbst mit Mobutu verhandelt. Mad Mike schwebt eine »antikommunistische internationale Brigade« vor, »ähnlich wie im spanischen Bürgerkrieg«. Die Johannesburger Experten lächeln über Mobutus Äußerung, künftig keine Söldner mehr über Zaire nach Angola zu lassen: »Wir wissen mehr.«
Der gerissene Machtpolitiker Mobutu deutet neuerdings tatsächlich an, das sinkende FNLA-Schiff zu verlassen und sich mit der siegenden MPLA zu arrangieren: Zunächst aber hatte er Geld für die Söldner gegeben -- wie auch weiße Exil-Angolaner, Firmen, die auf ein kapitalistisches Angola setzen, und wohl auch Amerikas CIA.
Ob sich der Einsatz lohnt, ist fraglich: Beim ersten Gefecht einer englischen Söldnergruppe mit überlegen ausgerüsteten, von Kubanern geführten MPLA-Kämpfern desertierten zwei Söldner, zwei weitere wurden getötet und der Rest floh in Panik in den Busch.
»Dieser Krieg ist anders«, weiß Jacques, ein aus Kanada stammender Söldner-Veteran im Gefolge des Unita-Chefs Savimbi. »Damals im Kongo bedeutete die weiße Haut noch etwas. Ausgebildete Kubaner aber schert die einen Dreck.«
* 1964 im Kongo.