Partei-Spenden: »Der unordentliche Weg«
Der Chef der Strafverfolgungsbehörde in der Bundeshauptstadt, der Leitende Oberstaatsanwalt Franzbruno Eulencamp, drückt sich vorsichtig aus. »Ach wage nicht zu behaupten«, sagt er, »daß wir noch vor Ende dieses Jahres in der Sache eine Entscheidung treffen können.«
Bei der »Sache« geht es uni die Aufdeckung rechtswidriger Methoden der Parteienfinanzierung. und entschieden werden muß, ob die Bonner Staatsanwaltschaft gegen führende Geldeinnehmer der CDU Anklage wegen Steuerhinterziehung -- und wegen Anstiftung hierzu -- erheben soll.
Nicht nur die Union ist betroffen. Seit Fahndungstrupps aus Justiz und Finanz damit begonnen haben, das Dickicht der Parteienfinanzierung zu lichten, sind die Sympathisanten und Gönner aller Parteien in den Spendenstreik getreten. Einmütig vermelden die Geldverwalter Ebbe in den Kassen.
Es fing damit an, daß der jüdische Bankier Tibor Rosenbaum, Gründer und Mehrheitsgesellschafter der Banque de Crédit International (BCI) in Genf und Finanzverwalter des Jüdischen Weltkongresses« gegen Ende der sechziger Jahre auf der Suche nach Entwicklungshilfe-Millionen für den
* Franz Josef Strauß, Rudolf Hanauer, Hans August Lücker und Kai-Uwe von Hassel bei einer Konferenz der »Union Europäischer Christlicher Demokraten«.
halbstaatlichen israelischen Finanzierungstrust »Israel Corporation« auch im Bonn der Großen Koalition seine Honneurs machte.
Im Wirtschaftsministerium Karl Schillers lernte er dabei den Leiter der Abteilung »Geld und Kredit«, den Professor Wilhelm Hankel, kennen, der 1972 zum Chef der Hessischen Landesbank (Helaba) aufstieg und es fertigbrachte, daß sich die hessische Bank noch im gleichen Jahr mit einem Aktienpaket von 36,4 Prozent an Rosenbaums Genfer Bank beteiligte.
Als »religiöser Sozialist« (Rosenbaum über Rosenbaum) und als ein Mann, »der uns nicht nur geschäftlich, sondern auch politisch nahesteht« Hankel über Rosenbaum), zeigte sich der Geldmann aus Genf auch dem hessischen Ministerpräsidenten Albert Osswald gegenüber erkenntlich: Er ließ dem Landesherrn durch Wilhelm Hankel ein »Spendendarlehen« für die SPD überreichen, hundert Tausender, die später zum vorzeitigen Rücktritt Osswalds beitrugen.
Doch auch die CDU ließ der Mann vom Genfer See nicht trockenliegen. Bei seiner Geldsuche für Tel Aviv bekam er es in Bonn auch mit dem damaligen Bundesschatzminister Kurt Schmücker zu tun, der -- ein Zufall -- nebenher das Amt des CDU-Bundesschatzmeisters bekleidete. Und für eben diese CDU ließ sich Rosenbaum einen Coup einfallen: Er brachte Beauftragte der Christdemokraten mit dem Vaduzer Konsul der Republik El Salvador, Franz Gstöhl, sowie mit dem Prinzen Emanuel von und zu Liechtenstein zusammen, die beide sich fortan als »Verwaltungsräte« für eine alpenländische Geldsammelstelle der CDU hervortaten.
Die »Europäische Unternehmensberatungs-Anstalt« (EU) in der liechtensteinischen Hauptstadt Vaduz versandte, vom Wahljahr 1969 an, sieben Jahre lang an westdeutsche Großunternehmen Rechnungen für zumeist nicht stattgefundene Konsultationen und in der Regel wertlose Wirtschaftsgutachten und lenkte den Erlös daraus nach Deutschland zurück -- in die CDU-Kasse (SPIEGEL 51/1976).
Den deutschen Unternehmen bot sich bei diesem System ein doppelter Vorteil: Sie konnten die Beträge, die sie auf das Konto Nr. 278.920.510.047.01 bei der »Bank in Liechtenstein« überwiesen, steuermindernd als Betriebsausgaben absetzen und zudem den Paragraphen 25 des Parteiengesetzes umgehen, nach dem Parteispenden von jährlich 20 000 Mark und mehr mit Namen und Anschrift des Stifters veröffentlicht werden müssen.
Die Deutsche Babcock, die Deutsche Castrol und die Deutsche Olivetti ließen sich so wenig lumpen wie die Dortmunder Actien-Brauerei. Und von der Barmenia bis zur Demag, von Mannesmann bis Musterring, von der Edeka bis zur »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«. von Interlübke bis Ernst Leitz, Underberg und Siemens verweigerte niemand seine Hilfe.
In der Anlaufzeit ließ der Organisator des grenzüberschreitenden Spendenverkehrs, der Geschäftsführer der CDU-eigenen »Union Betriebs-GmbH« in Bonn, Peter Müllenbach, einen Teil der teuren Gutachten noch geradewegs über den christdemokratischen Bonner »Eichholz Verlag« verhökern. Doch schon frühzeitig erkannte er, welche Sorte Dienstleistungs-Türken von den Finanzbeamten am ehesten zu entlarven waren. »Nach Möglichkeit keine Gutachten anbieten«, wies Müllenbach seine Akquisiteure an, »sondern auf eine Beratung hinsteuern.«
Bei der Firma Poggenpohl in Herford sah die Rechnung aus dem liechtensteinschen Steuerparadies dann so aus: »In Ausführung Ihres Auftrages konnten wir Sie über Absatzmöglichkeiten für die moderne Küche im südeuropäischen Raum im Hinblick auf die dortige Entwicklung in den nächsten fünf Jahren beraten. Für diese Beratung berechnen wir Ihnen vereinbarungsgemäß DM 5000,-.«
Manchmal wurden aus den »Beratungen« auch »Sitzungen«, wie bei Daimler-Benz in Stuttgart-Untertürkheim: »Unsere Experten konnten Ihren Herren die Ergebnisse ihrer Untersuchungen in mehreren Sitzungen vortragen. Das vereinbarte Honorar beträgt DM 50 000,-.« Beim Heinrich Bauer Verlag in Hamburg waren es »Besprechungen«, die zu Buche schlugen (30 000 Mark), und bei den Blendax-Werken in Mainz schlichte »Vorträge« (70 000 Mark).
Einige Unternehmen entrichteten -- immer nach den Büchern der »EU« -- ihren Obulus von vornherein in Schweizer Währung, so Karstadt (4727 Franken) oder die Volkswagen do Brasil S.A. (107 600 Franken), und die Firma Kugelfischer in Schweinfurt übersandte ihren Scheck (40 000 Mark) gar per Einschreiben und Luftpost.
Die Preise für die daneben angebotenen Gutachten schwankten währenddessen je nach Gebefreudigkeit der Besteller. Ein und dieselbe Analyse über die »Problematik der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland« kostete die Firma Melitta in Minden 25 000 Mark, das Karosseriewerk Wilhelm Karmann in Osnabrück 20 000 und den Wiesbadener Bauunternehmer Heinz Mosch 8000 Mark. Und für eine tiefschürfende Ausarbeitung über die »Wirkung von Farben« investierten die BAT-Cigaretten-Fabriken in Hamburg ("HB") 30 000, die Firma Hettlage 20 000 und die Kaufhof AG 16 000 Mark.
Nicht in den Firmenbüchern freilich, aber unterderhand machten die Unternehmen die Begleichung der Rechnungen schon mal davon abhängig, daß die Überweisungsbeträge nach Eingang in Vaduz -- und nach Abzug von zirka zehn Prozent Verwaltungskosten -- bestimmten Regionalverbänden der CDU zugewendet wurden. Gelder von Schlichte in Steinhagen etwa oder der Firma Poggenpohl in Herford wanderten in die Kasse des CDU-Kreisverbandes Herford, und von der Firma Hettlage in Münster gezahlte Beträge kehrten auf dem gleichen Umweg nach Münster heim.
Meist freilich verzichteten die Mäzene auf derlei Bindungsklauseln und gaben das Geld global her. Auch Privatleute und Wirtschaftsverbände -- voran jene der chemischen und der Eisen- und Stahlindustrie -- nutzten den diskreten Umweg über die »EU«. Sogar aus der Schweiz kam Bares: 148 000 Mark von der Helvis Management Corporation in Genf, deren Begründer und Chef ein Mann war, der für den CDU-Ableger in Liechtenstein erst das Terrain geebnet hatte -- Tibor Rosenbaum.
Von Bonn aus verteilten »Unions Betriebs-GmbH«-Geschäftsführer Müllenbach, der CDU-Bundestagsabgeordnete Gerhard Braun und die Buchhalterin Ursula Günther die freien Gelder, die »außerhalb des normalen Etatgebarens der Bundespartei« flossen, unter die Leute: Mal gingen 25 000 Mark an den Bezirksverband Südbaden, mal 27 000 Mark an die CDU in Hamburg, mal 550 000 Mark an die CDU-Bundesgeschäftsstelle. »Im Auftrag des Bundesschatzmeisters« durfte der »Ring Christlich-Demokratischer Studenten« (RCDS) ebenso fünfstellige Summen kassieren wie der »Unions-Reisedienst«, und selbst die Beiträge zur »Union Europäischer Christlicher Demokraten« (UECD) beglich die CDU aus der Vaduzer Geheim-Kasse.
Die »EU« wurde auch nicht zugemacht, als im Oktober 1971 der Frankfurter Versicherungskaufmann und heutige niedersächsische Finanzminister Walther Leisler Kiep die Schatzmeister-Geschäfte von Kurt Schmücker übernahm -- im Gegenteil: 1972 erreichte die Inkasso-Stelle in den Alpen mit 1,4 Millionen Mark Umsatz einen Rekord.
Erst danach kam das Geschäft ins Stocken. Als die Einnahmen 1975 auf unter 100 000 Mark zu sinken drohten, kam Peter Müllenbach auf die Idee, im Benelux-Raum eine zweite »EU« aufzuziehen »Wie Du sicher weißt«, analysierte er die Gründe in einem Brief an einen Freund in Brüssel, »ist es aufgrund der seltsamen Steuergesetze in der Bundesrepublik schwierig, Gelder für politische Zwecke auf ordentlichem Wege an den richtigen Platz zu bringen. Ein möglicher unordentlicher (nicht illegaler!) Weg ist der über Firmen außerhalb des Geltungsbereichs des deutschen Steuerrechts, und zwar Firmen, die bei solchen Transaktion möglichst wenig Eigenkosten verursachen.«
Weiter im Text: »Nun gibt es solche Firmen -- ich habe solche an der Hand -, die in sogenannten »Steuerparadiesen« liegen, die aber aufgrund ihres Sitzes bei deutschen Firmen »suspekt' sind. Eine Brüsseler Adresse wäre da schon interessanter. Kannst Du darüber einmal nachdenken?«
Indessen, im Juli 1975 schien es, als kämen dem Bonner »Unions«-Prokuristen Bernd Profittlich bereits die ersten bösen Ahnungen. In einem Schreiben an Müllenbach opponierte er ("ppa. Profittlich") gegen den Plan, CDU-Spendern ein Gutachten über das Mutterschutzgesetz anzubieten. Profittlich: »Ein Gutachten in der vorgeschlagenen Form klingt .., doch sehr scheinheilig und dürfte jedem Betriebsprüfer wegen seiner Unanfechtbarkeit einerseits, wegen seines mangelnden Nutzeffektes andererseits unangenehm aufstoßen. Man sollte sich die Kosten in Höhe von DM 2000,- für geeignetere Titel sparen.«
Bald darauf bedurfte es keiner neuen Titel mehr. Während einer Betriebsprüfung bei der »Union Betriebs-GmbH« stießen Bonner Steuerjäger im November 1975 auf die »EU«-Korrespondenz. Die Steuerfahnder im Rücken, beschlossen Peter Müllenbach und sein Vaduzer Statthalter Franz Gstöhl am 9. Dezember 1975 panikartig die Auflösung der CDU-Zahlstelle.
Anfangs spielte die CDU mit dem Gedanken, die von ihren Gönnern eingesparten Steuern nachträglich einzukassieren und sie dem Fiskus en bloc zu überweisen. Als dies an föderalistischen Hürden scheiterte, mobilisierten die bedrängten Unionschristen außer dem quirligen Steueranwalt Günther Felix aus Köln und dem Frankfurter Wirtschaftsprüfer Horst Weyrauch auch noch den Kölner Wirtschaftsstrafrechtler Professor Günter Kehlmann, Direktor des Kriminalwissenschaftlichen Instituts der Universität Köln und nebenbei Strafverteidiger des Kölner Multi-Hausbesitzers Günter Kaußen.
Nicht nur hei den Bonner Steuerfahndern, sondern auch im Hause des Düsseldorfer SPD-Finanzministers Professor Friedrich Halstenberg wurden die drei nacheinander und miteinander vorstellig. Sie erinnerten unter anderem an den Bundespräsidenten und gelernten Bankkaufmann Walter Scheel, der zu seiner Parteivorsitzenden-Zeit ebenfalls Klinken geputzt, und an das SPD-Vorstandsmitglied Rudi Arndt, der auf dem Frankfurter Flughafen ebenso politische Kasse gemacht habe.
Fest steht: Die Bonner Steuerfahnder sahen sich wenig später von ihrer eigenen Finanzverwaltung in ihrem Eifer gebremst. Schließlich wurde dem Bonner Fahndungschef von der Oberfinanzdirektion in Köln verboten, überhaupt noch weiter gegen die CDU oder ihre Geldgeber zu ermitteln.
Die Unionschristen schöpften Hoffnung. Und dem Wirtschaftsprüfer Horst Weyrauch, Vorstandsmitglied der Vereinigten Deutschen Treuhand-Gesellschaft in Frankfurt, war es -- an einem Schreiben an den Ministerialdirigenten Ernst Spindler im nordrheinwestfälischen Finanzministerium vom 18. Juni 1976 -- schon bald ein »Anliegen, Ihnen gegenüber als Leiter der Steuerabteilung Ihres Hauses dafür zu danken, daß Sie bisher so konstruktive Beiträge zu der gebotenen Erledigung der Angelegenheit geleistet haben«.
Erst als die Steuerermittler vor Ort aufmüpfig wurden, gab der Kölner Oberfinanzpräsident Hermann Mersmann das Verfahren im Sommer an die Staatsanwaltschaft ah. Zunächst tat sieh auch die Justiz schwer, bis sie -- das Verfahren lief in Bonn unter »VS -vertraulich« -- nach der Bundestagswahl am 3. Oktober grünes Licht gab.
Der Fliesenfabrikant Nikolaus Fasolt, Präsident der Bonner Industrie- und Handelskammer und von März an Nachfolger des ermordeten Harms Martin Schleyer als Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, bekam dann in seinen beiden Keramik-Fabriken Wessel-Werk (in Bonn) und Servais-Werke (bei Bonn) mit als erster Bestach vom Staatsanwalt: Die beiden Fasolt-Firmen hatten -- für nicht stattgefundene Beratungen -- 40 000 Mark an die » FU« nach Vaduz abgezweigt und bei der Steuer abgezogen.
*Informantionsstand des »Ringes Christlich-Demokratischer Studenten«.
Seitdem zählen Visiten pflichtbewußter Strafverfolger in den Vorstands-Etagen prominenter Unternehmen zum Wirtschaftsalltag. Siebzehn Staatsanwaltschaften sind tangiert, und zwischen Hamburg und Taufkirchen an der Vilts halten Unternehmen wie Manager mit der Wahrheit über »EU« kaum zurück -- in der Hoffnung, mit einem Strafbefehl davonzukommen.
Trost für das ihnen von einer staatstragenden deutschen Partei bereitete Ungemach spendet ihnen allenfalls der Umstand. daß keine Parteikassierer mehr erscheinen, um sie unter Hinweis auf Steuervorteile mit Tricks und Türken um Geld anzugehen.
In Mainz machte schon bald nach den ersten Bonner Hausdurchsuchungen ein Verein für immer dicht, an den der FDP-Bundesschatzmeister Heinz-Herbert Karry potentielle Spender verwies, wenn sie Steuern sparen wollten: Die »Gemeinschaft zur Erschließrang unterentwickelter Märkte eV.« -- unter der Nummer (1933 im Vereinsregister des Amtsgerichts Mainz verewigt -- kassierte »Mitgliedsbeiträge« von mitunter pro Firma über 100 000 Mark jährlich und erschloß doch nur den Politspenden-Markt.
Der guten Ausgewogenheit wegen hatten die Förderer der bürgerlichen Parteien ihr Gewissen in vielen Fällen auch dadurch erleichtert, daß sie den Sozialdemokraten ebenfalls etwas zukommen ließen -- diskret allerdings und am liebsten in Form einer Spende an die SPD-nahe »Friedrich-Ebert-Stiftung«. Doch seit dem Reinfall mit der CDU ist für die Gewohnheits-Spender auch das Motiv für einen SPD-Zuschuß entfallen.
So kommt es. daß die Schatzmeister der großen Parteien -- zu ihnen gesellte sieb im Januar der wegen der Affäre Poullain zurückgetretene N RW-Finanzminister Friedrich Halstenberg -- in trauter Eintracht sinnen, wie der Spendensehwund zu stoppen ist.
Die Kasseai-Koalition ist sich schon weitgehend einig: Die Höchstbeträge, bis zu denen Parteispenden steuerlich abgesetzt werden können -- zur Zeit 600 Mark pro Jahr im Normalfall und l200 bei der gemeinsamen Veranlagung von Eheleuten -, sollen noch vor den Bundestagswahlen heraufgesetzt werden. Nur das Ausmaß der Erhöhung ist noch offen; eine Vervierfachung wäre den Parteien gerade recht.
Die Bonner Staatsanwaltschaft, die sich vorerst nur für die CDU interessiert, übt sich derweil noch in Geduld. Oberstaatsanwalt Joachim Schäfer: »Wir haben die anderen Staatsanwaltschaften gebeten, uns über das Ergebnis ihrer Ermittlungen zu unterrichten. Jetzt müssen wir abwarten, was da alles an uns zurückfließt.«