PATRICK GORDON WALKER
PATRICK GORDON WALKER dürfte Großbritanniens nächster Außenminister heißen, falls die Labour-Partei - woran kaum noch zu zweifeln ist - die spätestens im Herbst nächsten Jahres fälligen Wahlen gewinnt. Schon jetzt hat Labours außenpolitischer Sprecher sein Debüt in den Staatskanzleien der beiden Weltmächte in West und Ost gegeben: Im Mai besuchte er Präsident Kennedy, im Juni folgte eine Visite bei Nikita Chruschtschow.
Der Einzug des 56jährigen Richtersohns Patrick Chrestien Gordon Walker in das Foreign Office würde einen kritischen Freund Deutschlands an die Spitze der britischen Außenpolitik bringen. Wie kein zweiter Labour -Politiker ist er mit den Bitternissen und Enttäuschungen deutsch-britischer Beziehungen vertraut: Er studierte 1931 und 1932 an den Universitäten Heidelberg, Freiburg und Berlin Geschichte und Philosophie, begeisterte sich in der Todesstunde der Weimarer Republik für den demokratischen Sozialismus, half nach Hitlers Machtergreifung deutschen Antinazis zur Flucht ins Ausland und leitete im Zweiten Weltkrieg die BBC-Sendungen für deutsche Arbeiter.
Auch nach Kriegsende blieb er zunächst seiner deutschen Liebe treu. Der 7945 zum sozialistischen Unterhaus-Abgeordneten avancierte Gordon Walker setzte sich für eine maßvolle Behandlung der Deutschen ein, doch sein Traum, Deutschland-Minister des Kabinetts Attlee zu werden, erfüllte sich nicht. Er mußte sich mit dem Posten des Unterstaatssekretärs im Commonwealth-Ministerium begnügen. Seither ist das Deutschland-Bild des Patrick Gordon Walker dunkler geworden, kritischer und desinteressierter. Sein Urteil über das Bonn von 1963: »Die Bundesrepublik ist langweiliger, als es Weimar war. Aber dafür solider.«
Die Berufung ins Commonwealth-Ministerium, dessen Chef er 1950 im zweiten Attlee-Kabinett wurde, eröffnete ein neues Kapitel in Gordon Walkers Lebensgeschichte, die für die Zukunft Europas noch bedeutungsvoll werden könnte. Der Commonwealth-Minister entdeckte erneut die britische Völkerfamilie und war von Stunde an überzeugt, daß Englands Zukunft nicht in Europa, sondern in Übersee liege. Wenn England - so predigte er - in den Entwicklungsländern eine großzügige Politik betreibe, so könne sich dem Lande dort ein »unerschöpflicher Markt« bieten.
Zwar hat auch er erkannt, daß »unsere im 19. Jahrhundert gespielte Weltmachtrolle, historisch gesehen, nur ein isolierter Zwischenfall« war, gleichwohl glaubt er an eine Fortsetzung der Empirepolitik mit anderen Mitteln. Der Commonwealth-Romantiker befehdete denn auch heftig den anderen Weg, den die Konservativen Harald Macmillans vorschlugen, um aus der britischen Großmachtmisere herauszukommen, den Weg nach Europa, den Pfad in den Gemeinsamen Markt.
Die Commonwealth-Politik Gordon Walkers war es schließlich, die den zum Parteichef aufgerückten Linkssozialisten Harold Wilson bewog, den Rechtssozialisten zum Schatten-Außenminister Labours zu ernennen. Gordon Walkers missionarischer Eifer gilt Englands überseeischen Interessen: England muß an eine Politik (des Vorrangs der Entwicklungshilfe) glauben, muß daran glauben, daß sie gut ist, nicht nur für England selbst, sondern für die ganze Welt.«