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Briefe

Pazifistennest
aus DER SPIEGEL 37/1972

Pazifistennest

(Nr. 35/1972 Kriegsdienstgegner)

Herrn Lebers größte Sorge gilt der Oberschule, hinter deren Mauern er ein riesiges Pazifistennest ausgemacht zu haben glaubt ("ganze Abiturklassen ...« usw.). »Einseitige pädagogische Beeinflussung« wähnt der Ahnungsvolle als Ursache. Eine ebenso oberflächliche wie absurde Begründung für einen gesellschaftspolitisch »logischen« Vorgang. Der relativ hohe Prozentualanteil an kriegsdienstverweigernden Abiturienten resultiert aus einer gesellschaftspolitisch begründeten Benachteiligung der arbeitenden Jugend. Sehr häufig ist diese überaus großen psychologischen Pressionen ausgesetzt (Angst, sich nicht richtig ausdrücken zu können -- »ich schaff das ja sowieso nicht« -- Ideologien usw.). Ganz allgemein ist daher festzustellen, daß mit zunehmender schulischer (Aus-)Bildung, also auch zunehmendem Selbstverständnis (Selbstsicherheit) unter den Wehrpflichtigen die Zahl der Kriegsdienstverweigerer (aus Lebers Sicht »bedenklich) ansteigt. Wiederum logische Konsequenz aus der Warte der Hardthöhe: Stoppt die Bildung, damit die Kasernen voll werden!

Weidenhahn (Rhld.-Pf.) MICHAEL GÖBEL

Jungsozialist

Sollte der derzeitige Verteidigungsminister seinen Wunsch betr. Aufklärungsunterricht über das »moralisch Höherwertige, was ich im Soldatendienst sehe« aufrechterhalten, so wäre die Beseitigung seines selbstgemauerten Wehr-Kartenhauses samt seines »geistigen« Vaters mit »moralisch hochwertigen« ABC-Waffen angebracht.

Aachen W. FRANZEN

Kriegsdienstverweigerung ist in Gymnasiastenkreisen z. Z. tatsächlich hochmodern. Genauer gesagt: Es gilt als unmodern, ja geradezu spießbürgerlich, nicht zu verweigern und sich somit anscheinend völlig unkritisch dem, was da auf einen zukommt, zu fügen. Deshalb wird der Vorgang des Verweigerns oft als zeitgemäß achtunggebietende Rebellion des Kleinen Mannes gegen die angeblich bevormundende Gesetzesmaschinerie sowie deren Urheber und Betreuer, die Politiker, verstanden. Diese Glorifizierung des Kriegsdienstverweigerers wird noch verstärkt durch Lebers unglückliche Bezeichnung der KV als »Ausnahmerecht«.

Von dieser Seite sollte vielmehr genau das Gegenteil propagiert werden: Der »Wehrdienst« und der sog. »Ersatzdienst« stehen gleichberechtigt nebeneinander. Somit kann sich jeder entscheiden, in welcher Weise er »seine Pflicht erfüllt«. Dabei sollte der zweiten Möglichkeit der Charakter einer Notlösung, eines Ersatzes für die erste, der sich ja schon in der Bezeichnung zeigt, genommen werden. So wäre ein »Zivil-» oder ein »Sozialdienst« als wirkliche Alternative zum »Wehrdienst« denkbar, der damit für meine Altersgenossen auch seine Attraktivität als »Extralösung« verlieren und damit das Heer der ausgesprochenen Modeverweigerer stark verkleinern würde.

Brackenheim (Bad.-Württ.) GERHARD FISCHER Schüler

Der SPIEGEL irrt allerdings in seinem Artikel, wenn er behauptet, daß den Antragstellern aus politischen Motiven kein Nachteil in ihrer Verhandlung entstehe. Im Wehrbereich 4 weiden im Moment weit über 90 Prozent aller politisch argumentierenden Kriegsdienstverweigerer vor dem Prüfungsausschuß abgelehnt, weil die meisten Beisitzer dieser Art von Argumentation überhaupt nicht folgen können. Interessant ist auch noch festzustellen, daß sich fast alle Ablehnungsbegründungen bis aufs Wort gleichen (bezogen auf den Wehrbereich 4).

Wirges (Rhld.-Pf.) OSKAR RHENSIUS

Da die Bundeswehr aufgrund der »Sicherheitspolitik«, die seit ihrem Bestehen betrieben wird, vorwiegend über Offensivwaffen verfügt, ist sie in keiner Weise in der Lage, dieses Land sinnvoll zu verteidigen und seine Bürger zu schützen. Für Rüstung und Unterhalt der Truppen wird etwa 36mal soviel ausgegeben wie für Zivilschutz. Im Ernstfall fände nur jeder tausendste Bürger Schutz in einem Bunker.

Oberursel (Hessen) PETER BIQUÉ

Wer befreit mich von meiner Blindheit, dieses »moralisch Höherwertige« nicht sehen zu können, damit auch ich einen guten Napalmer, Massenmörder, Umweltvergifter, Deichbombardierer etc. abgeben kann?

Bassersdorf (Schweiz) RALF WINKLER

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