NATO / SPEIDEL Peinliche Beziehungen
Nichts und niemand werde verhindern, so erklärten in der vergangenen Woche alle zuständigen Dienststellen der Nato, der französischen Regierung und der deutschen Nato-Mission in Paris, daß der französische Armeegeneral Valluy im April dem deutschen Generalleutnant Speidel das Kommando über die alliierten Landstreitkräfte im Nato-Bereich Mitteleuropa übergibt.
Diese Erklärung war notwendig geworden, denn die Pariser Wochenschrift »Aux Écoutes de monde« hatte am 25. Januar den Speidel beschuldigt, ein Vertrauensmann des amerikanischen Geheimdienstes zu sein. Sie schrieb:
»In einem Geheimbericht an Herrn Allen Dulles, Chef des amerikanischen Nachrichtendienstes (Central Intelligence Agency) und Bruder des Außenministers John Foster Dulles, analysiert der deutsche General Speidel Störungen in der Moral der französischen Armee, die - wie er behauptet - 'Disziplinlosigkeit auf allen Ebenen hervorrufen. Für diesen sternbedeckten Heerführer von der anderen Rheinseite ist es General de Gaulle, der die Verantwortung für diese Störungen trägt, denn er gestattete den Kommandeuren, die er ernannte - Beförderungen, die eher auf politische Gunst als auf militärische Verdienste hin erfolgten -, sich in die Staatsangelegenheiten einzumischen'.«
Der Inhalt des sogenannten Speidel »Geheimberichtes« an Allen Dulles wurde von »Aux Écoutes« als wörtliches Zitat wiedergegeben, so daß der Eindruck entstehen mußte, die Redakteure hätten den Urtext gelesen und formelle Beweise für seine Existenz in Händen. Die Zusammenfassung der Speidel zugeschriebenen Kritik an der französischen Generalität war fett gedruckt: »In meinem eigenen Namen und in dem aller deutschen Offiziere, die bereit sind, wieder in den Dienst zu treten, erkläre ich, daß es den Verantwortlichen unserer künftigen Armee unmöglich ist, dem französischen Oberkommando zu vertrauen. Die Krise, die dort herrscht, die Durchdringung des gesamten militärischen Apparates durch die Politik, das Zögern und die Schwächen der französischen Staatsexekutive, das Ausbleiben von Sanktionen gegen die militärischen Chefs, die in die Politik ihres Landes eingreifen, das alles wird eine deutsch-französische Zusammenarbeit in den europäischen Verteidigungsorganismen bald unmöglich machen.«,
Das Pariser Blatt ging so weit, Speidel einen »Meister der Spionage« zu nennen. Eine Karikatur in »Aux Écoutes« vom 1. Februar stellte Speidel als einen geierähnlichen Adler dar, der auf einem amerikanischen Stahlhelm mit der Aufschrift »Nato« sitzt und von diesem Piedestal herunter auf ein französisches Generals-Käppi speit, das am Boden liegt.
General Speidel spie, als er über den Telephondraht aus Paris von der Affäre erfuhr, Gift und Galle. Der Brigadegeneral Johann Adolf von Kielmansegg, Chef der deutschen Militärmission beim europäischen Nato-Hauptquartier, berichtete darüber dem Korrespondenten der Pariser Zeitung »Le Figaro": »'Grobe Lüge!' rief General Speidel, 'ich habe keinerlei Grund, einen Geheimbericht an Herrn Allen Dulles zu senden. Ich habe keine Verbindung zu ihm und habe nie eine zu ihm gehabt.«
General von Kielmansegg fügte erklärend hinzu: »Es ist absurd, anzunehmen, daß der General Speidel derartige Ansichten über das französische Oberkommando äußern könnte.« Der Korrespondent des »Figaro«- zitierte dann den Grafen Kielmansegg: »Der General erklärte mir, daß die deutschen militärischen Dienststellen absolut keine Berichte an amerikanische Dienststellen zu machen haben. Die Verbindungen zwischen den beiden Regierungen würden auf dem normalen diplomatischen Weg abgewickelt.«
Dieses wortkräftige Dementi ließ den Direktor von »Aux Écoutes«, Paul Lévy, nicht ruhen. Er schrieb dem »Figaro": »In direkter Form angegriffen, ersucht Sie das von Ihnen zitierte französische Wochenblatt, an derselben Stelle und in demselben Druck zu veröffentlichen, daß es seine Informationen voll aufrechterhält und daß das Dementi des Generals Speidel von der Art ist, die wir uns erlauben als 'diplomatisches Dementi' zu bezeichnen.«
Befragt, was die Redaktion von' »Aux Écoutes« unter einem »diplomatischen Dementi« verstehe, antwortete' der verantwortliche Redakteur: »Wir geben offen zu, daß wir einen Fehler gemacht haben. Natürlich hat Speidel seinen Bericht nicht an Herrn Dulles persönlich geschickt, und natürlich hat es sich nicht um einen amtlichen Bericht, sondern um einen persönlichen, privaten und geheimen Bericht gehandelt, von dem Regierung und Ministerium in Bonn nicht unbedingt etwas wissen mußten.«
Das alles aber sei nur ein Spiel um Worte. Der Bericht sei dennoch an den amerikanischen Nachrichtendienst gesandt worden, wenn auch inoffiziell. »Unsere Quelle ist über jeden Zweifel erhaben, und ihre Aussage ist formell und eindeutig. Der Speidel-Bericht mit dem von uns zitierten Inhalt liegt in Washington vor.«
Nato-General Speidel
Feinde im verbündeten Paris
Daily Mirror, London
»Das zeigt den Briten, daß wir ihnen alles vergeben haben!«