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DEUTSCHLANDFUNK Pensionär als Intendant

aus DER SPIEGEL 27/1966

Sechs Wochen lang suchte der Vorsitzende des Deutschlandfunk-Verwaltungsrates, Franz Thedieck, einen neuen Intendanten für die Anstalt. Am Dienstagabend letzter Woche präsentierte er den Verwaltungsräten seinen Kandidaten: Franz Thedieck, 65.

Die Mitglieder des Verwaltungsrates hatten sich im Haus der Berliner Landesvertretung in der Bonner Joachimstraße versammelt, um darüber zu beraten, wer dem bisherigen Intendanten, Gerhard Starke, im Amt nachfolgen solle. Der Rundfunkmann hatte um seine vorzeitige Entlassung aus dem Dienstverhältnis gebeten: Axel Springer will ihn zum Chefredakteur seines Repräsentationsblattes »Die Welt« machen.

Der Hausherr der Bonner Berlin-Vertretung - Bundessenator Klaus Schütz ist stellvertretender Vorsitzender des Deutschlandfunk-Verwaltungsrates - stärkte seine Gäste mit Kalbsbraten für die Nachricht, die Franz Thedieck ihnen zu überbringen gedachte.

Am Mittag desselben Tages hatten sich im Bundeshaus-Abgeordnetenzimmer des CDU-Vertriebenenministers Johann Baptist Gradl die Rundfunkexperten der Unionsparteien zu einer Vorbesprechung eingefunden. In kurzer Zeit war man sich darin einig, daß Thedieck - für die Weiterverwendung als Staatssekretär im Bundesdienst ist er nach den normalen Laufbahn-Vorschriften zu alt - für den Intendanten-Posten der Kölner Anstalt der geeignete Mann sei. Der Intendant wird auf sechs Jahre gewählt.

Thedieck hatte noch vor vier Wochen entschieden jegliches Ansinnen abgelehnt, für das Amt zu kandidieren, und war zu einer Italienreise aufgebrochen. Heimgekehrt und urlaubsgestärkt fühlte der Pensionär sich den Intendanten-Aufgaben nunmehr gewachsen. Zum SPIEGEL sagte er: »Ich habe mein sehr intensives Sträuben aufgegeben, weil mir daran liegt, daß die Aufbauarbeit der Anstalt kontinuierlich fortgeführt wird.«

Kontinuierlich fortgeführt wird mit der Benennung Thediecks zunächst die in letzter Zeit eingebürgerte Übung des Bonner Parteien-Establishments, die durch Bundesgesetz installierte und überwiegend von Bund und Parteien kontrollierte Anstalt des öffentlichen Rechts Deutschlandfunk, die auf Mittel- und Langwelle 20 Stunden täglich westdeutsche Propaganda in die DDR ausstrahlt, als intern beschickte Pfründe anzusehen. So lotsten die Parteien, nach vorheriger Absprache, unter anderen in die Kölner Anstalt:

- den langjährigen Sprecher des SPD -Parteivorstandes, Franz Barsig, als Leiter der Hauptabteilung »Aktuelles Programm« und als Stellvertretenden Intendanten;

- den langjährigen Sprecher der CSU -Landesgruppe in Bonn, Karl Donat, als Leiter des Bonner Büros.

Thedieck kann schon jetzt sicher sein, daß der Rundfunkrat ihn auf Vorschlag des Verwaltungsrates wählen wird*. Die Sozialdemokraten haben bereits entschieden, daß sie Thediecks Kandidatur unterstützen.

SPD-MdB Kurt Mattick, der dem Rundfunkrat vorsitzt, befand: »Die CDU hat das Vorschlagsrecht, einen anderen CDU-Kandidaten haben wir schon sehr hart abgelehnt. Ich werde meinen Freunden empfehlen, Thedieck zu wählen.«

Der andere, sehr hart abgelehnte Kandidat war der jetzige Stellvertretende Leiter des Bundespresseamtes, Ministerialdirektor Werner Krueger. Er hat inzwischen seine Bewerbung zurückgezogen.

Das Nein der SPD zu Krueger fand bei vielen CDU-Rundfunkräten, die auf Krueger nicht gut zu sprechen sind, wohlwollendes Verständnis. Der Ministerialdirektor hat bei diesem Stand der Dinge vorerst Zeit gewonnen, den von ihm verwalteten Geheimfonds Titel 300 des Presseamtes in einen Zustand zu bringen, der es erlaubt, auch einen übelwollenden Nachfolger damit zu betrauen.

Gegen Thedieck haben sich bislang nur Einzelgänger ausgesprochen: So will der SPD-Abgeordnete Fritz Sänger gegen ihn stimmen. Der einstige dpa-Chefredakteur Sänger, der im Rundfunkrat nicht auf einem seiner Partei, sondern dem DGB zugerechneten Sessel sitzt, über Thedieck: »Einer der kältesten Krieger.«

14 Jahre lang hatte Thedieck in enger Zusammenarbeit mit Adenauer und Globke als höchster Beamter das Gesamtdeutsche Ressort verwaltet. Seine über Rias gehaltenen Reden an die Bevölkerung in der DDR waren frei von jeder Anfechtung, aus den Änderungen des Ost-West-Verhältnisses Lehren zu ziehen. Er überdauerte drei Minister - Jakob Kaiser, Ernst Lemmer und Rainer Barzel - bis ihn die Politik überdauert hat. Als Erich Mende 1963 das Gesamtdeutsche Ressort übernahm, trennte er sich sogleich von dem langjährigen Staatssekretär. Beide harmonierten weder politisch noch menschlich. Dann verwaltete Thedieck das Erbe seines früheren Herrn als Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung für politische Bildungsarbeit.

Wenige weinten ihm nach. Zu diesen wenigen gehörte der Bund der Vertriebenen, der ihm noch 1964 die »Ehrenplakette für hervorragende Verdienste um den deutschen Osten und das Selbstbestimmungsrecht« verlieh, und auch Bundespräsident Heinrich Lübke. Er hatte sich 1964 aus politischen Gründen lange hartnäckig gesträubt, Thediecks Entlassungsurkunde zu unterschreiben. Nunmehr kann der Bundespräsident, dem die Ernennung des Deutschlandfunk-Intendanten zusteht, seinen Gesinnungsfreund wieder in gesamtdeutsche Dienste einsetzen.

* Der Intendant des Deutschlandfunks wird

auf Vorschlag des siebenköpfigen Verwaltungsrates von den 22 Mitgliedern des Rundfunkrates gewählt. Ihm gehören Politiker und Beamte aus Bund und Ländern sowie Vertreter der Kirchen und der Sozialpartner an. Der CDU/CSU werden zwölf Rundfunkräte zugerechnet.

Deutschlandfunk-Kandidat Krueger

Bewerbung zurückgezogen

Deutschlandfunk-Kandidat Thedieck

Sich selbst vorgeschlagen

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