Zur Ausgabe
Artikel 25 / 119

Immobilien Perlen auf Usedom

Der bayerische Bäder-Unternehmer Zwick ist auch in Mecklenburg erfolgreich - zu Lasten der Steuerzahler.
aus DER SPIEGEL 46/1993

Die Schweriner hatten offensichtlich einen Glücksgriff getan. Der Vertragspartner für ihre Kinderheime auf der idyllischen Ostseeinsel Usedom wirkte kompetent und verläßlich, hatte beste Referenzen, und - das Wichtigste - er zahlte sofort.

Dafür senkte das mecklenburgische Finanzministerium gern den Preis für ein paar Villen auf der Insel, die vor dem Krieg für ihre mondänen Badeorte berühmt war. Statt 3 Millionen Mark, wie von der Oberfinanzdirektion geschätzt, mußte der Käufer nur 2,2 Millionen zahlen.

Und weil alles so schön glatt über die Bühne gegangen war, fanden sich die zufriedenen Geschäftspartner am 25. September im Usedomer Ostseebad Kölpinsee zum Festakt zusammen: In der Kinderheimvilla »Sophie Scholl« stieß Sozialminister Klaus Gollert (FDP) mit dem honorigen Geschäftsmann aus dem Bayerischen auf die glückliche Zukunft an.

Die guten Wünsche hat der neue Eigentümer dringend nötig. Denn vergangene Woche leitete die Staatsanwaltschaft Saarbrücken ein Ermittlungsverfahren gegen ihn ein: Der Kurunternehmer Johannes Zwick, 37, und sein Vater Eduard Zwick, 72, niederbayerischer Bäderkönig und langjähriger Strauß-Spezi, stehen im Verdacht, über 100 Millionen Mark ins Ausland verschoben zu haben.

Zwick junior hatte 1988 die ehemaligen Anteile seines Vaters am Kurbetrieb Johannesbad für mehr als das Dreifache des realen Wertes von 46 Millionen Mark gekauft. Johannes Zwick überwies das Geld an eine Luxemburger Briefkasten-Holding, vermutlich ein Strohmanngeschäft (SPIEGEL 44/1993).

Das glauben inzwischen auch die Strafverfolger. Die Zwicks, so der Verdacht der Staatsanwälte, haben Gewinne am Finanzamt vorbei ins Ausland transferiert.

»Wenn ich Zwick in der Zeitung sehe, denk' ich doch nicht an Usedom«, sagt Woldemar Venor, Sprecher des mecklenburgischen Sozialministers Gollert, und rechtfertigt damit die Arglosigkeit der Schweriner. Erst jetzt sei die Kunde vom nicht ganz so honorigen Kaufmann nach Mecklenburg gedrungen.

Der junge Zwick, der im Geschäftsinteresse gelegentlich Sach- und Geldspenden an Politiker und Parteien richtet, hat auf der nach Rügen zweitgrößten deutschen Ostseeinsel Filetstücke erworben: drei Gründerzeitvillen in Kölpinsee, auf über 33 000 Quadratmeter Grund gelegen, nur 250 Meter vom Strand entfernt, in ruhiger Lage, zu DDR-Zeiten als Kinderkurstätten genutzt.

In den Badeorten Heringsdorf, Bansin und Ahlbeck, den Perlen am Ostseestrand, hat Zwick noch die Häuser »Wald und See«, »Compert«, »Meeresblick« sowie das Gebäude der zentralen Verwaltung, eine Kantine und ein Mutter-und-Kinder-Haus gepachtet. Sobald die Ansprüche der Alteigentümer auf die drei Gebäude in Heringsdorf geklärt sind, kann Zwick auch dort zugreifen: Die Landesregierung hat ihm ein Vorkaufsrecht eingeräumt.

»Das ist ein astreines Immobiliengeschäft«, sagt Hans Kowalewski, bis vor einem Jahr beim Christlichen Jugenddorfwerk Deutschland (CJD), das ebenfalls Kurheime betreibt. Aber eben nur ein Immobiliengeschäft - für moderne Kinderkuren seien die Villen nicht geeignet. Deswegen winkte der CJD, zur Gemeinnützigkeit verpflichtet, nach kurzer Prüfung ab.

»Natürlich ist man versucht, sich von solchen Immobilien verlocken zu lassen«, sagt Kowalewski, der heute für die Evangelische Kirche arbeitet: »Für einen Schickeriabetrieb sind das traumhafte Häuser.«

Auch das Deutsche Rote Kreuz, lange Favorit der Landesregierung, wollte die Villen schließlich nicht kaufen: Für die Modernisierung wären mindestens zwölf Millionen Mark nötig gewesen. Für die DRK-Leute rechnete sich die Sache nicht.

Wie der neue Eigentümer Zwick das schaffen will, ist dem mecklenburgischen DRK-Präsidenten Werner Frank schleierhaft. Denn der bayerische Unternehmer will nicht nur mehr als das Rote Kreuz - nämlich 15 Millionen Mark - investieren. Er hat sich auch noch verpflichtet, alle 159 Arbeitsplätze zu erhalten. »Wirtschaftlich arbeiten mit dem vollen Personal - das ist unmöglich«, sagt Frank. »Ich frage mich, ob der Käufer die Häuser wirklich als Kindereinrichtungen beibehält.«

Ein Hotel in der Traumlage wäre viel lukrativer. Doch laut Vertrag muß Zwick die Häuser am Strand mindestens zehn Jahre als Kureinrichtung führen - sonst kann die Landesregierung die Villen zurückkaufen, allerdings mit Millionen-Aufschlag für die Investitionen. Das aber können sich die armen Mecklenburger gar nicht leisten.

Sigrid Keler, Vorsitzende des Finanzausschusses im mecklenburgischen Landtag, hält es bis heute »nicht für schlüssig«, daß der Preis für die Kinderheime von 3 Millionen auf 2,2 Millionen Mark reduziert wurde - wo das Land doch jede Mark brauche. Das Finanzministerium warb bei den Parlamentariern wegen der »hohen Modernisierungskosten« für die »stark sanierungsbedürftigen Gebäude« um Verständnis für den Preisnachlaß.

Das Zwick-Geschäft, so erinnert sich SPD-Frau Keler, sei von der Regierung »absolut durchgepeitscht« worden: »Wir haben nicht mal die Verträge gesehen.«

Doch Sozial- wie Finanzministerium sehen keinen Anlaß zu Selbstkritik: Banken und Krankenkassen hätten keine Einwände gegen Zwick gehabt. Im Gegenteil. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte habe den Bade-Unternehmer aus Bayern ausdrücklich gelobt. Er sei erfahren, die Abrechnung laufe problemlos.

»Sein Standing bei den Krankenkassen ist außerordentlich gut«, betont Carola Voss vom Schweriner Finanzministerium. Zwicks Unternehmen, die Johannesbad AG, werde allgemein als »eine der besten Rehabilitationskliniken« gewürdigt.

Nach Ansicht des Voss-Kollegen Venor aus dem Sozialministerium kommt Jammern ohnehin zu spät. Venor: »Da ist nichts mehr zu machen. Nun ist er drin.« Y

»Das Zwick-Geschäft wurde absolut durchgepeitscht«

Mehr lesen über

Zur Ausgabe
Artikel 25 / 119
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren