Zur Ausgabe
Artikel 52 / 87

ÖSTERREICH / TIERE Playbull

aus DER SPIEGEL 47/1970

Vielleicht blieb der Österreicher Fabian trotz Tonnengewichts infantil. Vielleicht wurde er sexuell überfordert. Fest steht nur: er ist der erste und bislang einzige Stier, mit dessen Männlichkeit sich der Oberste Gerichtshof zu Wien beschäftigen muß.

Und das kam so: Im Herbst 1965 brauchte die Stiergenossenschaft Annaberg-Mandlhof im Bundesland Salzburg einen neuen Gemeindebullen. Die Wahl der 94 vereinigten Bauern fiel auf den 14 Monate alten Pinzgauer Stier Fabian, den sein Verkäufer Johann Meißnitzer aus Gries als »ganz tollen Burschen« pries.

Tatsächlich imponierte die stattliche Erscheinung des Jungstiers, der »halt so viel schön war« (so der Genossenschaftssprecher Konrad Bergschober). Ihn oder keinen, kaprizierten sich die Annaberger.

Sie ersteigerten den hübschen Fabian -- Ausrufungspreis: 8000 Schilling -- für 81 600 Schilling (11 500 Mark), was extrem hoch war, blätterten sogleich eine Anzahlung von 51 000 Schilling auf den Tisch und führten den Bullen stolz heimwärts.

Wenige Tage später wurde Fabian auf die Weide geschickt und mit den charmantesten Kühen seiner neuen Herren allein gelassen. Er tat überglücklich, hopste, tollte und spielte, doch das, wofür er gekauft worden war, tat er leider nicht.

Etliche Wochen verziehen die Bauern das effektlose Getändel ihres Playbull. Dann wandten sie sich empört ans Bezirksgericht Taxenbach, klagten den Stier der »Unfruchtbarkeit sowie Deckunfähigkeit« an und forderten die fehlinvestierten 51 000 Schilling zurück.

Erst- und Zweitgericht verurteilten Meißnitzer zur Annulierung des Kaufvertrags. Der Oberste Gerichtshof in Wien wies den Fall wegen formaler Fehler an das Landgericht Salzburg zurück. Und da sich dieses wiederum auf die Seite der Bauern schlug, hat Meißnitzers Rechtsvertreter Rudolf Hanifle vor einigen Tagen noch ein zweites Mal den OGH angerufen.

Die Standpunkte sind inzwischen hoffnungslos verhärtet. Während sich die Bauern durch den Sexmuffel betrogen fühlen (Bergschober: »Ein impotenter Stier Ist nur ein Ochs"), argumentiert Meißnitzer differenzierter. Er habe, sagt er, unmöglich ahnen können, daß sein imposanter Jungstier ein Kuhverächter sei. Das Risiko liege eindeutig auf seiten der Käufer, die sich eben damit abfinden müßten, einen Versager zu besitzen.

Beide Parteien stützen sich auf veterinärärztliche Gutachten:

* Für die Bauern streitet unter anderem der Salzburger Amtstierarzt Professor Josef Mussill, der Fabian als »unterentwickelt« und »seiner Aufgabe In keiner Weise gewachsen« bezeichnet.

* Für Meißnitzer hingegen setzt sich Professor Kurt Arbeiter ein, Vorstand des Instituts für Geburtshilfe an der Wiener Tierärztlichen Hochschule. Seine Expertise versucht eine sexualpsychologische Ausleuchtung der Rindviehseele. Danach ist der arme Fabian durch ein Überangebot von Weiblichkeit geschockt worden.

Dieses Argument möchte Meißnitzer-Anwalt Hanifle auch bei der entscheidenden Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof geltend machen. Gestützt auf die »international vorbildlichen Praktiken In den USA«, wirft er den Annabergern vor allem die »gröbliche Außerachtlassung des Jugendschutzes« vor,

Seine Argumentation: Ein junger Stier wird in Amerika höchstens zweimal monatlich zur Beiwohnung genötigt, »höchstens 24mal Liebe im Jahr!«. Im Gegensatz dazu sollte Fabian »zweimal wöchentlich herhalten«. Niemand nahm Rücksicht auf seine Akklimationsschwierigkeiten. Niemand kümmerte sich um den zeitweisen Bläschenausschlag auf seinem Penis.

Fabian selbst arbeitet offenbar hart an seiner Ehrenrettung, indem er sich, obgleich spät, auf seine eigentlichen Verpflichtungen besinnt. Jedenfalls amtet er in Kaprun, wohin er von den Annabergern verbannt wurde, plötzlich zur allgemeinen Zufriedenheit. Eine wachsende Kälberschar bestätigt die Wandlung des einst keuschen Fabian.

Im übrigen kann er dem Ausgang seines Verfahrens ohne Nervosität entgegensehen. Wenn der OGH Im Frühjahr 1971 sein endgültiges Urteil spricht, ist Fabian garantiert schon in den Wechseljahren und somit allen unbilligen Forderungen entzogen,

Zur Ausgabe
Artikel 52 / 87
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten