PHANTOM Plumpe Fledermaus
Luftwaffen-Inspekteur Johannes
Steinhoff bat den Bundeswehr -Oberbefehlshaber Kai-Uwe von Hassel um Aufschub.
Ursprünglich hatte der General dem Minister schon Anfang dieses Monats vortragen wollen, wie die Luftwaffe für die siebziger Jahre auszurüsten sei. Aber der »Scherbenhaufen«, vor den er sich gestellt sah - so Steinhoff kürzlich zu einem Freund -, zwang ihn, die Zukunftspläne bis zum Dezember zu verschieben.
Steinhoff zum SPIEGEL: »Ich stecke noch mitten in den Untersuchungen und kann noch nicht einmal die Konturen einer Lösung zeichnen.«
So gut wie sicher ist allerdings, daß die Luftwaffe neue Flugzeuge braucht. Bonns Wahl: die McDonnell Phantom II.
Die Maschine wurde ursprünglich für den Einsatz von US-Flugzeugträgern entwickelt, ist aber später auch in Massen für die amerikanische Luftwaffe produziert worden.
Sie ist fast doppelt so teuer wie der Starfighter; die zweisitzige Phantom kostet elf Millionen Mark pro Stück, der einsitzige Starfighter sechs Millionen. Und im Gegensatz zum raketenförmigen Starfighter wirkt die Phantom ungeschlacht wie eine Fledermaus. Zugleich aber verblüfft sie alle Experten durch Leistungen: Um von der Startbahn bis auf 12 000 Meter Höhe zu steigen, braucht sie nur 77,15 Sekunden. Insgesamt wird ein Kauf von 105 Phantom-II-Flugzeugen anvisiert. Anstelle der 42 Flugzeuge in einem Starfighter-Geschwader sollen nur 35 Phantom für ein Phantom-Geschwader genügen, weil ihre Leistungen größer sind.
Gemeinsame Vorzüge aller zwölf existierenden Phantom-Versionen gegenüber dem Starfighter:
- zwei Triebwerke und damit doppelte
Sicherheit;
- höhere Spitzengeschwindigkeit und
zugleich Langsamflug-Eigenschaften im Geschwindigkeitsbereich kleiner Sportflugzeuge;
- mit 7,2 Tonnen Nutzlast doppelt soviel Tragkraft wie eine viermotorige »Fliegende Festung« des Zweiten
Weltkrieges und dreifache Tragkraft gegenüber dem Starfighter.
Die Phantom II soll mithelfen, die in Höhe von 3,6 Milliarden Mark ausstehenden deutschen Zahlungen im Devisenausgleichs-Abkommen mit den USA abzutragen und eine Starfighter-Bestandslücke zu schließen.
Spätestens im Jahre 1970 werden die deutschen Starfighter-Geschwader nämlich ihren Nato-Auftrag nicht mehr erfüllen können, weil es dann an Flugzeugen mangelt.
Die Starfighter-Unterbilanz beruht einerseits auf der ursprünglichen Annahme, die Grundüberholung einer Maschine werde vier Monate dauern. Tatsächlich ergab die Praxis jedoch Überholungszeiten von neun Monaten bis zu einem Jahr, so daß den Geschwadern bald 16 Prozent statt der ursprünglich erwarteten fünf Prozent Maschinen fehlen.
Dazu kommt, wie die Luftwaffenführung ausgerechnet hat, die »unerwartete Abnutzung«, eine ministerielle Wortprägung zur Umschreibung der katastrophalen Absturzrate der deutschen Starfighter.
Die in der Presse mitgezählte Absturzziffer steht jetzt auf 64, in der Luftwaffe rechnet man aber zwei in der Öffentlichkeit bisher unbekannt gebliebene Abstürze und 40 Totalausfälle am Boden hinzu, so daß insgesamt 106 von 820 ein- und zweisitzigen Starfightern abgebucht werden mußten.
Unklar ist noch, in welcher Rolle McDonnells Phantom II von der Luftwaffe verwendet werden soll.
Ursprünglich dachten die Planer nur an die Umstellung zweier Marine- und zweier Jagd-Geschwader vom Starfighter auf die Phantom,
- weil die Phantom als Abfangjäger
auch bei schlechtem Wetter mit Raketen schießen kann und
- weil die Phantom als Marine-Flugzeug ein sehr viel breiteres Einsatzspektrum aufweist als der raketengleiche Starfighter.
Doch der neue Luftwaffenchef General Steinhoff, dem daran liegt, die atomare Kapazität der Luftwaffe auf modernstem Stand zu halten, läßt untersuchen, ob die Phantom nicht besser als Atombomber fungieren könnte. Dann würden die Starfighter die konventionellen Aufgaben übernehmen müssen. Die Entscheidung liegt beim Verteidigungsminister.
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