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Briefe

Positive Signalwirkung
aus DER SPIEGEL 25/2003

Positive Signalwirkung

Nr. 23/2003, Kopftuchstreit: Den langwierigen Fall einer muslimischen Lehrerin verhandelt jetzt das Bundesverfassungsgericht

Wir werden so lange mit Kopftuch-, mit Kruzifixstreit und dergleichen mehr unterhalten, solange die Trennung von Staat und Kirche hier zu Lande hohle Deklamation bleibt, solange Religionslehre an den öffentlichen Schulen ordentliches Lehrfach - das einzige mit Verfassungsrang - bleibt. Den Ausweg hätte schon die Dritte Republik in Frankreich gewiesen. Wenn dort neuerdings das Kopftuch für Aufregungen sorgen kann, dann doch, weil der vielfach bewährte Laizismus nicht energisch genug gegen die Obskuranten jeglicher Provenienz verteidigt wurde. Im Übrigen freue ich mich heute schon auf die schier theologischen Spitzfindigkeiten und auf die spätscholastische Folklore, mit denen das Bundesverfassungsgericht zu alledem seinen Senf geben wird.

FÜRSTENZELL (BAYERN) HERMANN RAGALLER

In dieser Republik sind zum Thema Integration bereits zu viele Fehler gemacht worden. Ich verweise deshalb auf das SPIEGEL-Gespräch mit dem marokkanischen Schriftsteller Tahar Ben Jelloun (SPIEGEL 18/2003): »Das Kopftuch ist die Ablehnung des Laizismus. Duldet man es, sagt der Vater oder der Bruder der Schülerin am nächsten Tag: Du nimmst nicht am Musik- und Malunterricht teil, denn das verdirbt die Sitten ... Das ist unerträglich.« Recht hat der Mann! Das Kopftuch fördert die Ausgrenzung und behindert den demokratischen und unvoreingenommenen Umgang miteinander. Wie zum Teufel soll auf dieser Basis Integration stattfinden?

LIPPSTADT UDO STRATHAUS

Ihr Artikel stellt die Peinlichkeit mancher Debatten in Deutschland dar. Es werden nur Äußerlichkeiten bemängelt, da man die entscheidenden inneren Sachverhalte nur schwer klären kann. Das Verbot von Kopftüchern für Lehrerinnen (und vielleicht bald Schülerinnen), die Pflicht von Kreuzen an der Wand, vielleicht noch die Einführung von Schuluniformen und ähnlicher Gleichmacherei wird unsere kulturellen Sorgen nicht beruhigen. Die von Politikern propagierte Kultur der Toleranz lässt sich nicht durch den Versuch, eine inkonsequente Egalität zu produzieren, erreichen, sondern dadurch, dass man jedem Menschen das Recht zugesteht, seine Religion und seine Lebensauffassung zu vertreten, wenn sie im Einklang mit dem Grundgesetz steht, nicht den Anspruch der Missionierung hat und der Bereitschaft zum Austausch unter Partnern dient.

SALZGITTER (NIEDERS.) PATRICK-SIMON KOLZUNIAK

Die Gefahr einer »islamischen Parallelgesellschaft« beginnt nicht bei dem Kopftuch der Lehrerin - sie endet dort. Solange der Islam in Deutschland nur als Bedrohung wahr- und nicht als Religion und lebendige Realität ernst genommen wird, wird er auch eine solche darstellen. Denn der Anteil der Gläubigen und Praktizierenden unter den 3,2 Millionen Muslimen in Deutschland wird sich ausgegrenzt und nicht als gleichwertig fühlen und sich in die - bereits existierende - Parallelwelt zurückziehen. Erlaubt man ihnen jedoch Teilhabe an der Gesellschaft, zum Beispiel in Form der kopftuchtragenden Lehrerin, hat dies eine positive Signalwirkung für die Integration.

BAD REICHENHALL REGINA HOLTZHEUER

Das Kopftuch hat mit Religiosität nichts zu tun. Es mutierte von einer Bekleidungsvorschrift zu einem Symbol der Unterdrückung und steht heute für eine vorislamische Lebensweise und Gesinnung, die teilweise den demokratischen Werten widerspricht. Sollte es jetzt juristisch legitimiert werden, müssen wir mit dem weiteren Zustrom konservativer Muslime rechnen, weil sie in vielen Heimatländern ihrer Interpretation des Korans nicht folgen dürfen. Zugleich würde sich hier die Gefahr der Ausbreitung einer antiken Kultur erhöhen, die kaum noch etwas mit den Grundwerten des Islams verbindet. Hoffentlich sind unsere obersten Richter weise und urteilen nicht nur im Namen des deutschen Volkes, sondern auch zu seinem Wohl.

UNNA HUBERT LEMKE

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