SEKTEN Prächtiges Klima
Der »Kommunismus ist häßlich und eine große Epidemie«, sagte er, die »von der Erde verschwinden« müsse, »je eher, desto besser«. Und die größte Hoffnung, daß es auch dazu komme, seien die Vereinigten Staaten.
Denn das Land »ist im Begriff, einen gewaltigen Sprung« zu tun, wozu »einzig Amerika« fähig sei. Denn »Amerika ist die Zukunft der Welt«.
Ronald Reagan hätte die Leitrolle seines Landes gegen die »bösen« und »gottlosen« (Reagan) Kommunisten kaum überzeugender beschreiben können. Doch eingefallen sind die Floskeln einem Zugereisten, der so einfach und eingängig denkt wie Ronald Reagan, seit einem Jahr in einem abgelegenen Canyon im US-Bundesstaat Oregon residiert, über eine Rolls-Royce-Flotte (gekauft), zwei Flugzeuge (geschenkt), viel Land (gekauft) verfügt und meistens schweigt: Bhagwan Shree Rajneesh, 51, aus Poona emigrierter indischer Weiser.
Um den Juli-Vollmond zu feiern, lud Bhagwan Anfang des Monats seine Jünger zu einem fünftägigen Festival nach Rajneeshpuram ein, die ehemalige »Big Muddy Ranch«, auf der John Wayne einst einen Western drehte.
Sie kamen per Anhalter, Bus und Jet, im Wohnmobil und Rollstuhl - zwar nicht alle der schätzungsweise 250 000 »Sanyasin« in aller Welt, aber doch immerhin 4823 Bhagwan-Jünger, die außer den Reisekosten auch die Festivalgebühr von 350 Dollar bezahlen konnten.
Die Sanyasin - aus der Bundesrepublik allein mehr als 2000 - pilgerten zur Ranch, vor allem »um Bhagwan wiederzusehen«, aber auch um »in Augenschein zu nehmen, wofür wir unser Geld gegeben haben« - so Swami Satyananda alias Jörg Andrees Elten, zu Bhagwan geeilter ehemaliger »Stern«-Reporter.
»So groß haben wir uns das alle nicht vorgestellt«, begeisterte sich der deutsche Swami, der eingedenk der engen, hygienisch bedenklichen und klimatisch ungünstigen Verhältnisse im indischen Poona die Bhagwan-Ranch als »phantastischen Fortschritt« einstufte. Satyananda: »Perfekt organisiert, prächtiges Klima, gutes Essen.« Und auch die Finanzierung »müßte doch zu schaffen sein«. Schicke »jeder der 15 000 deutschen Sanyasin monatlich 100 Mark, sind das bereits anderthalb Millionen«.
Diese Summe, aber in Dollar, nicht in Mark, ist nach Meinung der Finanzchefin Ma Savita Monat für Monat nötig, um nicht nur das Erreichte zu erhalten, sondern um die weiteren Pläne zum S.118 Ausbau der Ranch und Aufbau der Stadt Rajneeshpuram zu verwirklichen.
Für sechs Millionen Dollar hatte die Bhagwan-Jüngerin Ma Anand Sheela (bürgerlich: Sheela Silverman) im vergangenen Juli die Big Muddy Ranch gekauft. Weitere 17 Millionen Dollar, finanziert durch Sanyasin-Spenden sowie die Erträge der Rajneesh Foundation International (Monatsgewinn: 70 000 Dollar), steckten die Bhagwan-Jünger bislang in ihr 26 000 Hektar großes Anwesen. Um die ehemalige Vieh-Ranch in drei Jahren zu einer Selbstversorger-Kommune zu machen, errichteten die 280 Sanyasin inzwischen 51 Wohnhäuser, eine Schule für 40 Kinder, Kantine, Küche, Käserei und Backstube.
56 Kilometer Straßen wurden verbreitert, befestigt oder neu gezogen. Auf 480 Hektar sind Weizen, Hafer und Gerste eingesät, 12 000 Rebstöcke sind gesetzt, 3400 Obstbäume und weitere 15 000 schattenspendende Bäume gepflanzt.
Im Hühnerstall legen 1600 Hühner und Enten täglich 550 Eier, 30 Holsteiner Milchkühe (bis zum Jahresende sollen es 150 sein) geben pro Tag 850 Liter Milch, die zu Weichkäse, Butter und Joghurt verarbeitet werden.
Halten die Spendeneingänge an, könnte Sheelas ehrgeiziges Vorhaben gelingen, mit Hilfe der ohne Bezahlung enthusiastisch arbeitenden Bhagwan-Jünger »das Land zum Grünen zu bringen«. Sogar die eingesessenen Farmer, die noch vor Jahresfrist dem Experiment nur geringe Erfolgschancen eingeräumt hatten (Farmer Ray Foreman beispielsweise: »Das Land kriegt sie unter"), zollen den »Roten«, wie die Sanyasin wegen ihrer organgefarbenen bis blutroten Kleidung im weiten Umkreis mittlerweile heißen, Lob bis Bewunderung. »Sie haben in einer Woche geschafft, wozu ich ein ganzes Leben gebraucht hatte«, sagt etwa Rick Cantrell, Rancher in Wasco County und Richter im Nebenberuf.
Da die roten Farmer ihre Millionen Dollar zum Ankauf von Zement, Holz, Benzin, Rohren oder von 40 ausgedienten Schulbussen für den Ranch-Nahverkehr ausgeben, möchten die örtlichen Unternehmer sie nicht mehr missen. »Es ist, als sei ein kompletter Industriezweig nach Oregon gekommen«, sagt Dave Jostman, Bürgermeister des 45 Kilometer von Rajneeshpuram entfernten Dorfes Shaniko. Ihre Rechnungen und Steuern haben die zugewanderten Farmer bislang immer prompt bezahlt.
Doch im konservativen Oregon gereichen weder Freundlichkeit, Gesetzestreue noch uramerikanisches Unternehmertum zu uneingeschränkter Anerkennung. Oregon-Gouverneur Victor Atiyeh, Nachkomme syrischer Einwanderer, macht kein Hehl aus seiner Abneigung gegen die Neusiedler. »Kommt her und besucht uns, aber bitte bleibt nicht hier«, so der Gouverneur.
Verunsichert sind vor allem die 35 Einwohner (davon 32 Pensionäre) der Ansiedlung Antelope, die jeder Besucher und Bewohner auf seinem Weg nach Rajneeshpuram passieren muß. Drei Gebäude, mehrere Grundstücke und Joe''s Coffee Shop (jetzt umbenannt in »Zorba the Buddha«-Restaurant) hat die Bhagwan-Kommune gekauft - legal zwar und auch bar bezahlt, doch Antelope-Einwohnerin Donna Smith glaubt zu wissen, daß den »Roten« das Denken verboten sei, daß sie »sexuell zügellos« seien und »alle möglichen Krankheiten haben können«.
Von derlei Vorurteilen und Feindseligkeit allerdings war beim Vollmond-Fest nichts zu spüren. Die knapp 5000 Jünger, beobachtet von County-Sheriffs und eigens geheuerten Privatpolizisten, waren sittsam, friedlich und sanft. Sie waren froh, ihrem Meister nahe sein zu können.
Der kam morgens um halb neun im Rolls. Bhagwan-Vertraute Sheela steuerte das Gefährt im Schrittempo um die Buddha-Halle, dann bestieg Bhagwan gemessen das Podium und nahm in einem grünbezogenen Samtsessel Platz. Eine Stunde schaute er schweigend auf seine Schüler nieder. Sie hockten auf weißem Linoleum, lauschten versunken Querflöten-Tönen und den Einsichten des Gurus, die über die Hi-Fi-Anlage verlesen wurden.
Beim nächsten Sanyasin-Fest könnte sehr wohl ein neuer Typ der Bhagwan-Jünger nach Oregon pilgern. Denn unter den Sanyasin, die in Poona die Geburtswehen der Sekte miterlebt hatten, waren Zukunftszweifel nicht zu überhören. »Das ist hier zu perfekt«, sagte ein Swami aus London, »wir haben die Jungfräulichkeit verloren.«
Und eine Ma aus Berlin: »Hier kannste nicht stundenlang in deinem High herumwandeln wie im Osten. An der nächsten Ecke haut dich ein Windstoß raus. Poona war göttlich, dies hier ist realistisch.«
S.118Beim Vollmondfest Anfang Juli.*