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PASSIERSCHEINE Präsenz oder Präsens

aus DER SPIEGEL 18/1964

Der zuständige Staatssekretärausschuß der Bundesregierung* hat dem Berliner Senatsrat Horst Korber auf dem Weg zu weiteren Passierscheinabmachungen eine Hürde aufgebaut, die Bundeskanzler Erhard schon einmal abgeräumt hatte.

Bisher galt, daß es für neue Abmachungen mit Ostberlin nur ein grundsätzliches Hindernis gebe: die Forderung der DDR, auch bei -weiteren Passierscheinaktionen müßten - wie zu Weihnachten - Ost-Postler in Westberlin Passierscheine ausgeben, worauf Bonn aber nicht mehr eingehen will.

Entwürfe für eine dauerhafte Vereinbarung und für begrenzte Abmachungen zu Ostern und Pfingsten wurden daher vorläufig zu den Akten gelegt. Auf der Korber-Wendt-Tagesordnung stehen statt dessen gegenwärtig nur Protokollvorschläge für Ostberlin-Besuche in dringenden Familienangelegenheiten.

Danach sollen Westberliner bei Hochzeiten, Taufen, Krankheits- und Sterbefällen die Mauer durchschreiten dürfen und - wie Bundesbürger - direkt an einem Sektoren-Übergang ihre Passierscheine erhalten. Übereinstimmend rechnen beide Seiten mit 300 bis 500 Personen täglich; das sind weniger als die im gleichen Zeitraum nach Ostberlin wandernden Bundesbürger.

Eine solche Passierscheinstelle für Westberliner Härtefälle sollte an einem Ort eingerichtet werden, den der Senat entdeckt hatte: in der Nähe des Potsdamer Platzes, wo ein Ostberliner Grundstück zwischen Bellevue- und Lennéstraße diesseits der DDR-Mauer liegt.

Doch auch für eine solche Regelung wollte die DDR. Gewißheit haben, daß Bonn ein Einlenken in der Frage dringlicher Verwandtenbesuche nicht als Präzedenz für eine spätere Dauerregelung benutzen würde.

Kaum war die Möglichkeit erkennbar, die Anwesenheit von DDR-Postlern in Westberlin wenigstens bei den

Härtefällen« zu umgehen, als der Staatssekretärausschuß der Bundesregierung meinte die DDR-Präsenz (Pressechef Egon Bahr: »Manche sagen in, der Hitze des Gefechts schon Präsens") sei eigentlich, von, untergeordneter Bedeutung. Das größte Ärgernis für Bonn sei die zu Weihnachten zierte. Form der Vertrags-Unterschrift die zu einer Anerkennung der DDR führen könnte**.

In diesem Punkt waten sich Bonner Kabinett, und Berliner Senat bisher stets einig gewesen. Kanzler Erhard hatte die Form der Unterzeichnung ausdrücklich gebilligt und wär bereit, diese Formulierung für neue Abmachungen zu verwenden.

* Mitglieder sind die Staatssekretäre Westrick (Kanzleramt), Carstens (Außenamt), von Hase (Presseamt), Krautwig (Gesamtdeutsches' Ministerium) und der Bonner Berlin-Bevollmächtigte von Eckardt.

** Die Unterschriften des Ost-Staatssekretärs Wendt und des West-Senatsrats Korber waren mit dem Zusatz versehen: »Beide Seiten stellten fest, daß eine Einigung über gemeinsame Orts-, Behörden- und Amtsbezeichnungen nicht erzielt werden konnte...«

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