FINNLAND / GASTARBEITER Private Witze
Durch »Heim ins Reich«-Parolen meldete Finnland in Schweden Ansprüche an -- nicht auf Gebiet, sondern auf Menschen.
Seit Kriegsende wanderten jedes Jahr Tausende finnischer Arbeiter nach Schweden, weil sie zu Hause keine Arbeit bekamen oder die Löhne im Nachbarland attraktiver fanden.
Schwedens Wirtschaft brauchte ihren Bedarf an Gastarbeitern nur zur Hälfte in Südeuropa zu decken; die andere Hälfte stammt aus Finnland: 130 000 Mann, mit Familien 285 000 Menschen, das sind sechs Prozent des finnischen Volkes, gingen nach Schweden. Allein 1969 zogen 35 000 Finnen über den Bottnischen Meerbusen, nur 5000 kehrten von Schweden nach Finnland zurück.
Der schwedische Sog hat ganze Finnen-Dörfer entvölkert. Finnlands dünnbesiedelte Polarkreisprovinz Lappland verlor in diesem wie schon im vorigen Jahr rund 7000 Menschen (3,2 Prozent ihrer Einwohner) -- ein Drittel an Südfinnland, zwei Drittel an Schweden.
Lapplands Landeshauptmann Martti Miettunen: »Wir verlieren junges, gesundes Blut, die Vergreisung nimmt
* An der Bus-Haltestelle vor dem Saab-Autowerk in Trollhättan bei Göteborg.
zu.« Bereits zu Beginn des Jahres gab es in Finnland nicht mehr genug gelernte und voll einsatzfähige Arbeiter. Bei Herbstbeginn fehlten 55 000 Mann.
Versuche finnischer Firmen, finnische Arbeiter durch persönlich adressierte Lockbriefe zur Heimkehr anzuregen, wurden in Schweden als illegale Abwerbung angeprangert: Seit 1954 haben die skandinavischen Staaten einen gemeinsamen Arbeitsmarkt; jeder Nordländer kann in jedem Land Arbeit nehmen, allerdings nur durch Vermittlung der Arbeitsämter.
Diese Regel hatten jedoch die Schweden selbst mißachtet. Zwei Drittel ihrer finnischen Werktätigen holten sie mittels Schwarzwerbung ins Land.
In Finnland startete das unter finnischen Schweden-Arbeitern weitverbreitete Witzblatt »Hymylehti« (etwa »Schmunzelblatt") eine Rückkehr-Kampagne. In einer Artikelserie forderte es die »in widerwärtiger Verbannung« lebenden Emigranten zur Massenrückkehr auf. Wer sich brieflich melde, dem werde geholfen,
Die Kampagne wurde zuerst von Finnlands kommunistischem Sozialminister, Anna-Liisa Tiekso, dann auch von Parlamentariern und hohen Regierungsbeamten, dem Arbeitgeberverband und dem Gewerkschaftsbund unterstützt. Ministerin Tiekso verschaffte dem Scherzblatt die Genehmigung, öffentlich Gelder zu sammeln -- zur Deckung der Reisekosten heimkehrwilliger Finnen.
Daraufhin entrüsteten sich die Schweden über die Kampagne. »Sie kann jetzt nicht mehr als Rummel zur Werbung von Lesern abgetan werden«, leitartikelte Stockholms »Dagens Nyheter«. Der finnische Premier Dr. Karjalainen distanzierte sich vorletzte Woche: Das »offizielle Finnland« habe mit der Sache nichts zu tun, Minister und Staatsbeamte hätten als »Privat-Personen« gehandelt,
Die Rückkehr-Kampagne läuft unterdessen weiter. Aus Schweden gingen bereits gut 1000 Anfragen ein.