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Extremismus Der Linke, der ein Neonazi war

Briefe mit Patronen, versuchte Brandanschläge, linksextreme Bekennerbriefe: Der Angeklagte im Prozess zur Drohkampagne der »Revolutionären Aktionszellen« hat nach SPIEGEL-Recherchen eine überraschende Vergangenheit.
Von Maik Baumgärtner, Anton Maegerle und Sven Röbel
aus DER SPIEGEL 23/2021
Razzia in einem Verfahren gegen die »Revolutionären Aktionszellen« in einem Haus in Magdeburg (2013)

Razzia in einem Verfahren gegen die »Revolutionären Aktionszellen« in einem Haus in Magdeburg (2013)

Foto: Matthias Strauß/ dpa

Im Prozess zu Drohbriefen und Brandanschlägen der »Revolutionären Aktionszellen« werden neue Details über den Angeklagten bekannt. Demnach war der mutmaßliche Linksextremist Martin E. früher – unter anderen Namen – in der Neonaziszene aktiv.

Nach SPIEGEL-Recherchen agierte der heute 39-Jährige einst als Pressesprecher der rechtsextremen »Bürgerinitiative Ausländerstopp« in München, war Landtagskandidat für die NPD und Mitarbeiter bei deren Parteiblatt »Deutsche Stimme«, außerdem Landeschef beim völkischen Witikobund in Baden-Württemberg. Auch im Umfeld radikalchristlicher Fundamentalisten war E. offenbar aktiv.

2009 soll Martin E. mit der rechtsextremen Szene gebrochen und an einem Aussteigerprogramm teilgenommen haben. Zuletzt war E. in der Kommunalpolitik in Stuttgart für ein linkes Fraktionsbündnis aktiv und gehörte der Öko-Kleinpartei ÖDP an, die ihn nach Bekanntwerden der Vorwürfe ausschloss.

Aus: DER SPIEGEL 23/2021

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Aktuell steht E. zusammen mit einer Frau vor dem Stuttgarter Landgericht; ihm wird versuchte Brandstiftung, versuchte Nötigung und Verabredung zu einem Verbrechen vorgeworfen. Gemeinsam mit seiner mutmaßlichen Komplizin soll er Drohbriefe an zahlreiche Politiker und Spitzenbeamte verschickt haben.

Manchen der Schreiben lagen Reizstoffpatronen des Kalibers 9 Millimeter bei. Zu den Adressaten zählten Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), mehrere Landesinnenminister und Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang.

Brandsatz vor Tönnies-Anwesen

Zudem soll Martin E. 2020 an einem versuchten Brandanschlag auf die Zentrale der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg beteiligt gewesen sein und einen Brandsatz vor dem Anwesen des Fleischfabrikanten Clemens Tönnies deponiert haben. Entsprechende Bekennerschreiben waren mit »Revolutionäre Aktionszellen« (RAZ) beziehungsweise »Militante Zelle« (MIEZE) gezeichnet; die Tönnies-Aktion war untergetauchten mutmaßlichen Ex-RAF-Terroristen »gewidmet«.

Anfangs hatte die Bundesanwaltschaft in dem Fall ermittelt, wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung. Damals prüften die Fahnder, ob es sich bei den RAZ um eine Neugründung oder zweite Generation jener gleichnamigen linksextremen Gruppe handelt, die sich seit 2009 zu mehreren Brand- und Sprengstoffanschlägen in Berlin sowie 2011 zum Versand einer Pistolenpatrone an den damaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bekannt hatte.

Als sich abzeichnete, dass sich hinter »RAZ« und »MIEZE« offenbar nur zwei Einzelpersonen verbargen, gab der Generalbundesanwalt das Verfahren an die Staatsanwaltschaft Stuttgart ab. Sie ließ Martin E. und seine mutmaßliche Mittäterin Ende Oktober in Berlin verhaften. Im März wurde Anklage gegen die beiden erhoben , verhandelt wird vor der 9. Großen Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts.

Die beiden Verteidiger von E. wollten sich auf Anfrage weder zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft noch zur Vergangenheit ihres Mandanten äußern.

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