USA PS ins Gehirn
Gegen Deutschlands erfolgreichsten Exportartikel wird amerikanisches Unterbewußtsein mobil gemacht. Der Volkswagen-Konkurrent Toyota aus Japan läßt auf US-Bildschirmen unterschwellige Werbung aufblitzen.
Das flotte Auto (140 Stundenkilometer) aus Fernost ist in Kalifornien nach dem VW der am meisten verkaufte Importwagen, obwohl es erst im Herbst vorigen Jahres eingeführt wurde. Jetzt soll es in ganz Amerika propagiert werden.
Ihre Werbe-Botschaft träufeln die Werber dem Fernsehpublikum nach einer Methode ins Gehirn, die vor acht Jahren Protest von amerikanischen Senatoren auslöste und seitdem verpönt
war: Sie lassen in einem Film Szenen aufblenden, die zu kurz sind, als daß der Zuschauer sie bewußt wahrnehmen könnte; nur sein Unterbewußtsein registriert sie.
Der farbige Werbespot zeigt zu Beginn, wie eine Mutter mit ihren Kindern einen Toyota besteigt. Der Sprecher stellt sie als Lee Breedlove vor, die im letzten Jahr mit dem Rennwagen »Spirit of America« den Geschwindigkeitsweltrekord für Frauen fuhr (496,5 Stundenkilometer). Sie betrachtet das Armaturenbrett des Toyota, und für den Bruchteil einer Sekunde wechselt die Szene: Lee Breedlove, jetzt als Schwarz -Weiß-Bild, sitzt am Steuer ihres Rennwagens.
Während die Fahrerin sich (wieder farbig) im Toyota anschnallt und mit ihren Kindern losrollt, gibt es weitere Schwarz-Weiß-Einlagen mit hohem PS -Gehalt: Lee Breedlove setzt sich den Sturzhelm auf; der »Spirit of America« rast über die Piste von Bonneville in Utah.
Einen ähnlichen Schleichweg ins Unterbewußtsein hatte 1932 der englische Autor Aldous Huxley in seiner Zukunftsvision »Schöne neue Welt« erspäht. Huxleys totaler Staat pflanzt seinen Bürgern, während sie schlafen, mit ständig wiederholten Flüsterparolen die erwünschte Gesinnung ein.
Den optischen Geheim-Eingang hatte 1956 die staatliche BBC in England erforscht. Sie unterbrach ein Fernseh -Ballett mit der schriftlichen, gedankenkurz aufleuchtenden Sportnachricht »Pirie bricht Weltrekord« und gab hinterher die Tatsache des Einschubs, nicht seinen Inhalt, bekannt. 150 Seher meldeten sich, die den Satz korrekt oder sinngemäß aufgenommen hatten.
Die Amerikaner benutzten das Instrument als erste für die Werbung und machten damit eine säuerliche Prophezeiung Sigmund Freuds wahr. Der Entdecker des Unterbewußten hatte vorausgesagt, daß seine Erkenntnisse in den USA nur zur Verbesserung der Reklame dienen würden. Vor zehn Jahren liefen erstmals in einem US-Kino beim normalen Spielfilm unterschwellige Werbesignale mit; die Aufrufe »Eßt mehr Popcorn« und »Coca-Cola« ließen den Kino-Umsatz von Coca-Cola um 18 Prozent, den von Popcorn um 57 Prozent steigen.
Als jedoch eine Fernsehstation an der amerikanischen Westküste verkündete, sie wolle den unbemerkten Impuls künftig im regulären Programm verwenden, wehrte sich das Publikum. Die TV-Manager gaben ihren Plan wieder auf. Der amerikanische Kulturkritiker Vance Packard brachte das Gehirn-Waschmittel vollends in Mißkredit; er benutzte es als Indiz für seine Anklage, Werbeleute seien »heimliche Verführer«.
Dabei ist die Wirksamkeit der Methode umstritten. In Experimenten wurde ermittelt, daß sie starke Abneigungen nicht überwinden kann; Abstinenzler etwa ließen sich durch unterschwellige Schnaps-Appelle nicht umdrehen. In den meisten Fällen tritt der Effekt erst nach längerem Beschuß ein. Etliche Testpersonen, denen in Amerika Coca-Cola-Werbung eingeblitzt worden war, verspürten hinterher nicht Durst, sondern Hunger, oder fühlten sich an Chrysler-Autos gemahnt.
Die Toyota-Werber haben das einkalkuliert. Sie veranstalteten Probevorführungen und kamen zu dem Ergebnis »Die Wirkung der unterschwelligen Schnitte ist kumulativ. Je öfter die Leute den Werbespot sehen, um so stärker ist der Effekt.«
Ihr Produkt ist harmloser als seine Vorgänger, weil die Propaganda-Pfeile nicht gänzlich aus dem Hinterhalt kommen; sie werden nicht aus einer normalen Sendung heraus abgeschossen, sondern sind Zusatzwerbung in einem Werbestreifen.
Protesten gegen ihre heiße Geheimwaffe kann die Agentur zur Not auch mit der Stoppuhr begegnen. In allen früheren Fällen war die Einblendzeit, und damit die Chance für eine bewußte Wahrnehmung, sehr gering - von einer fünfundzwanzigstel Sekunde bis zu einer fünfhundertstel Sekunde. Die Rennwagen-Schnitte dagegen erscheinen jeweils für eine sechstel Sekunde.
Amerikas Werbeblatt »Advertising Age« kommentierte: »Unterschwellig oder gerade noch schwellig.«
TV-Werbung für Toyota (oben), Rennwagen-Einblendung: Freud an der Schwelle