Qualitative Selbstdarstellung
Nach monatelanger Prüfung der Entwürfe für ein neues Bonner Parlamentszentrum (Kosten: rund eine Milliarde Mark) konnten sich die 25 Preisrichter auch nach sieben Vagen Klausur für keinen der vorgelegten Pläne entscheiden. Zum Wettbewerb für die »Jahrhundertaufgabe« (Architektur-Professor Friedrich Spengelin) hatten 201 Architekten-Teams Unterlagen angefordert, aber nur 36 Büro-Gemeinschaften hielten durch. Denn binnen sechs Monaten mußten die Architekten auf einem 51,5 Hektar großen Gelände in der Rheinaue 1 80 000 Quadratmeter Nutzfläche für Bundestag, Bundesrat. zwei Gebäudegruppen für 1500 Beschäftigte, ein Appartement-Hotel. Rundfunkstudio, Begegnungs- und Bildungszentren unterbringen. »Wesentlicher Bestandteil« der Aufgabe war es zudem, »eine qualitative Selbstdarstellung unseres demokratischen Selbstverständnisses in seinen zentralen Organen zu artikulieren«. Die Fraktionsgeschäftsführer plädierten für ein »Parlament der kurzen Wege«, »anständige Arbeitsbedingungen« und »Schutz vor anarchistischen Bombenlegern«. So schieden sieh dann die mehr progressiven und die eher konservativen Preisrichter an der Bewertung zweier Prototypen des Parlaments. Olympia-Architekt Günter Behnisch bringt Verwaltung, Fraktionen. Sitzungs- und Plenarsäle in modischen Rundbauten unter und versteckt die mehrgeschossigen Gebäude in einer idyllischen Parklandschaft (2. v. o,). Dagegen gruppierte das Konstanzer Team von Wolff/Schneble die Sitzungssäle der Fraktionen in einer Ebene um den Plenarsaal. Über einen Fußweg. der durch das Parlamentsgebäude zur Rheinpromenade führt, hat jeder Bürger Zugang zu dem höchsten politischen Entscheidungsgremium (o.). Ebenfalls mit einem »ersten Rang« ausgezeichnet wurden die Entwürfe einer Stuttgarter Architektengruppe (Brunnert, Mory, Osterwalder, Vielmo; 3. v. o.) und eines Freiburger Teams (Hecker, Wolf, Gruppe 4: Poppe, Rudel; u.). Nach einer »breiten Diskussionsphase« (Städtebauminister Hans-Jochen Vogel) soll nächstes Jahr die Entscheidung für eines dieser Konzepte fallen, die noch einmal renoviert werden sollen.