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Briefe

Qualvolle Zwangsernährung
aus DER SPIEGEL 1/1975

Qualvolle Zwangsernährung

(Nr. 53/1974, SPIEGEL-Essay; Hoimar von Ditfurth: »Zweifel an der Zwangsernährung")

Auch ich habe mich im Laufe meiner Vermittlungsversuche zwischen den Baader-Meinhof-Häftlingen und dem Staat gewundert, daß man es dem widerlich motivierten Herrn Carstens überließ, die Zwangsernährung von Gefangenen in Frage zu stellen. -- Eigentlich ist Zwangsernährung eines geistig gesunden Menschen keinem Arzt zuzumuten, denn für ihn gibt es keinen Häftling, sondern nur den Patienten, der zu seiner Behandlung ja oder nein sagen kann. -- Herr von Ditfurth hat nun eine sachliche Diskussion auf humaner Basis eingeleitet. Er hätte erwähnen können, daß sich nach der qualvollen Zwangsernährung der irischen Price-Schwestern der britische Innenminister Jenkins entschloß, diese Prozedur abzuschaffen, und zwar aus Achtung vor dem Recht des Gefangenen, zu essen oder nicht zu essen. Ein Hungerstreik, bei dem der Gefangene fest damit rechnet, künstlich ernährt zu werden, ist damit praktisch ausgeschlossen. -- Mahatma Ghandi hat das Fasten zur politischen Waffe geprägt. Hätte die britische Besatzungsmacht in Indien den Versuch gemacht, Ghandi mit Gewalt zu ernähren, hätte man das mit Recht als Eingriff in seine Freiheit betrachtet -- ganz gleich, ob er zu dem Zeitpunkt in Haft war oder nicht. -- Die Diskussion um die Abschaffung der Zwangsernährung hat also mehr mit Menschenrechten zu tun als mit der Absicht, Menschen verrecken zu lassen. Eine billige Lösung dieses Problems kann es aber so und so nicht geben.

London PAUL OESTREICHER Amnesty InternationaL Vorsitzender der Britischen Sektion

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