ENTWICKLUNGSHILFE Rache für Rom
Die organisierten Katholiken der Bundesrepublik sind derzeit um einen massiven Eingriff in die Bonner Außenpolitik bemüht. Sie fordern von der Bundesregierung, die Ausweisung christlicher Missionare aus dem südlichen Sudan mit einem Stopp westdeutscher Entwicklungshilfe zu vergelten.
Rache heischen nicht nur katholische Würdenträger. Mehr als 200 Briefe erreichten Gerhard Schröders Außenamt aus der katholischen Provinz. Die Kolping-Jugend, Lehrerverbände, Klöster, Männergesang- und Jungfrauenvereine zeterten über die angeblich lasche Bonner Sudan-Politik.
Einen ersten Erfolg konnten die katholischen Protestanten bereits verbuchen: Obgleich kein deutscher Staatsbürger von dem Ausweisungsbefehl betroffen, das Bonner Auswärtige Amt mithin gar nicht zuständig ist, wurde das Amt beim Bonner Botschafter des Sudan vorstellig. »Mit großer Sorge«, so drangen Schröders Sprecher auf Exzellenz Mahgoub Makkawi ein, beobachteten »die Bevölkerung und die Regierung der Bundesrepublik« den Exodus der 300 zumeist italienischen Priester und Nonnen.
Mit diesem Schritt ignorierte das AA die Ratschläge seines langjährigen Sudan-Botschafters Heinrich de Haas, der von 1955 bis zum Sommer vergangenen Jahres intime Einblicke in den jungen Staat am oberen Nil hatte gewinnen können. De Haas: »Die Ausweisung hat mit Christenverfolgung nicht das geringste zu tun. Man versteht das in Bonn aber nicht.«
In den drei Südprovinzen des Sudan versuchen große Teile der Negerstämme sich von der islamischen Zentralregierung in Khartum zu lösen und einen christlichen Teilstaat zu gründen. Da Islam- und Christenmission in diesen Landstrichen in scharfem Konkurrenzkampf um die Seelen stehen, prangert Khartum seit langem die katholischen Missionare als Urheber der separatistischen Bewegung an.
Die Abgesandten Roms hatten 400 000 der Schwarzen zum Christentum bekehrt. Sie wollten verhindern, daß die Mehrheit der südlichen Bevölkerung - drei Millionen Heiden - auf den Koran der acht Millionen arabischen Moslems eingeschworen würde.
Es kam zur offenen Rebellion gegen die Regierung in Khartum. Der ehemalige Botschafter de Haas: »Einige Missionare hatten nicht begriffen, daß das Land selbständig geworden war. Unter der früheren englischen Kolonialverwaltung waren sie die Herren gewesen.«
Seit 1959 beispielsweise reist der geistige Führer der Aufständischen, der italienische Pater Satonio, mit Anti-Khartum-Parolen um die Welt. Zuvor noch hatte er den Bezirks-Kommissar William Ding der Regierung abspenstig gemacht. Ding verschwand samt dem regierungseigenen Inventar seiner Dienstwohnung ins Ausland, um dort gleichfalls das christliche Gewissen gegen Khartum zu mobilisieren.
In der Bundesrepublik fand er unterschiedliche Aufnahme. Während die Katholische Aktion ihm einen warmen Empfang bereitete, wurde er im Auswärtigen Amt nicht vorgelassen.
Das AA hatte dafür gute Gründe. Die Beziehungen zwischen Bonn und dem Sudan galten als überaus freundschaftlich. Von der Bundesregierung war der Aufbau des Landes mit rund 100 Millionen Mark nach genauer Planung - und mit sichtbarem Erfolg - gefördert worden. Khartum hatte sich auf der Belgrader Konferenz der blockfreien Staaten und vor den Vereinten Nationen den Angriffen auf die Bonner Deutschland-Politik nicht angeschlossen und allen Verlockungen aus Pankow widerstanden.
Das Auswärtige Amt zeigte sich auch von der Zahlungsmoral der Sudanesen beeindruckt: Ein Anfang 1959 gewährter Bundeskredit von 25 Millionen Mark beispielsweise wurde nur mit 18 Millionen Mark in Anspruch genommen und überdies vorzeitig zurückgezahlt.
Freilich geriet Gerhard Schröder mit seinen Sudan-Sympathien immer mehr in die Schußlinie der westdeutschen Katholiken. Schon vor einem dreiviertel Jahr hatte die Katholische Aktion begonnen, die Provinzpresse mit khartumfeindlichen Beiträgen zu versorgen.
Als die sudanesische Regierung am 27. Februar wieder einige Missionare konspirativer Rührigkeit beschuldigt und die Ausweisung des gesamten Missionspersonals der drei Südprovinzen beschlossen hatte, wurde das Außenamt weich. Schröders Diplomaten legten beim Sudan-Botschafter in Bonn abendländischen Protest ein.
Die katholischen Studienräte und Bundestagsabgeordneten Hermann Biechele und Herbert Czaja gaben sich damit nicht zufrieden. Während der Fragestunde des Parlaments am Freitag vorletzter Woche drängten sie den protestantischen Außenminister zu schärferem Vorgehen.
Studienrat Biechele bohrte: »Ist die Bundesregierung nicht der Meinung, daß man unsere Leistungen der Entwicklungshilfe für die Republik Sudan ... überprüfen sollte, weil (durch sie) eine Entwicklung hingenommen oder gar unterstützt wird, die für viele Menschen - etwa 500 000 Christen, davon 400 000 katholische und 100 000 evangelische Christen - (die) Grundfreiheiten gefährdet?«
Biecheles Kollege Czaja forderte den Minister auf, den Schwarzen »mit einem schlichten und festen Selbstbewußtsein (zu) begegnen, das um die grundlegenden Werte weiß, die wir aus unserer kulturellen Entwicklung ihnen zu ihrem Wohle anbieten können, und mit jenem Selbstbewußtsein, das sich gegen eine gegen die menschlichen Grundrechte verstoßende Diffamierung und brutale Unterdrückung dieser Werte maßvoll, aber bestimmt zur Wehr« setzt.
Schröder antwortete: »Herr Kollege, den allgemeinen Formulierungen, die Sie gerade gebraucht haben, kann ich durchaus zustimmen.«
Auf ein totales Entwicklungsembargo mochte sich der AA-Chef nicht festlegen lassen. Immerhin aber zogen die beiden Glaubenskämpfer mit einem Teilerfolg von dannen. Um das Leben regierungsamtlicher Fachleute nicht zu gefährden, sollen neue Vorhaben des technischen Hilfsprogramms - eines Teils der Entwicklungshilfe - vorerst nicht mehr bearbeitet werden.
Sudan-vertriebene Nonnen in Rom
Hilfe vom AA