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GRIECHENLAND / HANDELS-REPRESSALIEN Rache für Rüge

aus DER SPIEGEL 32/1968

Dieselloks, Güterwaggons und Schlafwagen im Wert von 40 Millionen Mark sollten die englischen Maschinenbaukonzerne Rolls-Royce und Metropolitan-Cammell an die griechische Staatsbahn liefern. Doch Premierminister Wilson verdarb ihnen das Geschäft.

In einer Unterhaus-Fragestunde wollte der Labour-Abgeordnete John Fraser Details über ein Treffen Wilsons mit dem griechischen Exil-Monarchen Konstantin erfahren. Wilson antwortete »Der König von Griechenland hegt nicht den geringsten Zweifel an der Haltung der Regierung Ihrer Majestät gegenüber der Diktatur in Griechenland und den Bestialitäten, die dort verübt worden sind.«

Vier Tage nach diesem Bekenntnis des Briten-Premiers ließ Nikolaos Makarezos, Minister für wirtschaftliche Koordinierung im griechischen Obristenkabinett. Rolls-Royce und Metropolitan-Cammell ausrichten, die Verhandlungen seien als beendet anzusehen. Außerdem werde die griechische Regierung der britischen Wirtschaft alle Staatsaufträge entziehen, »wenn Premierminister Wilson sich nicht für seine beleidigenden Worte entschuldigt«

Die Beziehungen Großbritanniens zu den Athener Usurpatoren sind schon seit dem letzten Labour-Parteitag im Oktober 1967 tiefgekühlt. Im Seebad Scarborough hatte die Wilson-Partei in einer Resolution verlangt, Griechenland müsse aus dem Europarat und der Nato verbannt werden.

Solche Kritik an ihrem Regime wollen die Athener Militär-Faschisten jetzt mit handelspolitischen Repressalien ersticken. Außenminister Panayotis Pipinelis zum SPIEGEL: »Wenn die Atmosphäre vergiftet wird, leidet darunter auch der Handel.«

Jetzt fürchten die englischen Industriellen den generellen Boykott und damit den Verlust zukünftiger Milliardengeschäfte.

Denn seit einem Jahr verhandeln Englands Manager mit den Diktatoren über

* die Lieferung und Installation des ersten griechischen Kernkraftwerkes für 350 Millionen Mark;

* ein Projekt zur Entwicklung der Infrastruktur Nordgriechenlands für eine Milliarde Mark;

* den Ausbau der Athener Metro für 720 Millionen Mark;

* Kanalisationsanlagen in Athen für 400 Millionen Mark;

* die Erweiterung des Hafens Piräus für 700 Millionen Mark.

Nutzen aus dem griechisch-britischen Konflikt hofft jetzt die deutsche Industrie zu ziehen. Denn im Gegensatz zu den Regierungen von England, Holland und den skandinavischen Ländern hat das Kabinett Kiesinger das Athener Regime nicht öffentlich angegriffen. Und Bonns Griechenland-Botschafter Oskar Schlitter konnte Mitgliedern der Junta-Regierung versichern: »Die deutsche Industrie ist in der Lage und bereit, allen Wünschen Athens zu entsprechen.«

Die besten Aussichten, der britischen Konkurrenz einen Griechenland-Auftrag wegzuschnappen, haben die deutschen Elektro-Konzerne Siemens, AEG und Brown Boveri & Cie. (BBC). Gemeinsam veranstalteten sie Ende Juni in Athen ein »Symposium der deutschen Kernkrafttechnik«. Schon heute favorisiert das griechische Koordinierungsministerium das westdeutsche Konsortium, das mit den Engländern um den 350-Millionen-Bau eines Kernkraftwerkes wetteifert.

Die Bemühungen der deutschen Industrie wurden von Bundesfinanzminister Franz-Josef Strauß wirkungsvoll unterstützt. Vor dem Finanzausschuß des Bundestages sagte er: »Die Drachme ist die stabilste Währung der Welt.« Alle vom Zensor umsorgten Zeitungen Athens druckten das Strauß-Zitat. Mehrere Delegationen deutscher Parlamentarier vertieften in den letzten Monaten in Athen die deutsch-griechische Freundschaft.

Soviel Sympathie will Diktator Georgios Papadopoulos sich jetzt etwas kosten lassen. Seine Regierung verhandelt mit der »Dornier-System GmbH« in Friedrichshafen, die einen wirtschaftlichen Aufbauplan für Griechenlands unterentwickelte Provinzen Ostmazedonien und Thrazien entwerfen soll. Kosten des Zehn-Jahres-Projekts: eine Milliarde Mark.

Griechische Reedereien erteilten einer deutschen Werften-Gruppe Aufträge über zunächst ein Dutzend Frachter des Typs »German Liberty Mark II«. Gesamtwert der Lieferungen: rund 150 Millionen Mark.

Während alle Verhandlungen mit britischen Firmen zur Zeit ruhen, erntet Westdeutschland die Früchte seines politischen Wohlverhaltens. So soll die Frankfurter Henninger-Bräu ("Prost Henninger") bei Heraklion auf Kreta inmitten minoischer Kulturreste für fünf Millionen Mark eine Brauerei errichten. Die Duisburger Demag erhielt vergangene Woche den Auftrag, eine Meerwasser-Entsalzungsanlage auf der Ägäis-Insel Syros zu bauen.

Aus Dankbarkeit will Papadopoulos sogar kaufmännische Prinzipien mißachten. Die Firmen Krupp und Weserhütte sollen den Auftrag erhalten, für 100 Millionen Mark Abbaumaschinen und Bandanlagen an das Braunkohlenbergwerk »Kardia« in Mazedonien zu liefern, obwohl Angebote aus der DDR und England bis zu 20 Millionen Mark billiger waren. Der Londoner »Daily Telegraph« klagte: »Wir zahlen jetzt die Zeche für törichte Worte.«

Handelsminister Anthony Crosland versuchte wenigstens einen Rest der Griechen-Aufträge zu retten. Wilson, so meinte er im Unterhaus, habe nicht »Bestialitäten« sagen wollen, sondern nur gemeint, »die Methoden des Regimes seien barbarisch«.

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