CDU »Raffiniertes Manöver«
Siegfried Limmer, Dachdeckermeister aus Mannheim, hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er »ein Schwarzer« ist. Deswegen brauchte der Mann, der sich 1996 bei dem Unternehmer als Abgesandter des CDU-Ortsverbands vorstellte, auch keine große Überredungskunst: Limmer unterschrieb erst einen Mitgliedsantrag - und kurz darauf Anzeigenaufträge für die Parteipostille »CDU Intern« über 13 380 Mark.
Wie Limmer handeln in Baden-Württemberg seit Jahren viele gutverdienende Mittelständler, Handwerker, Architekten und Unternehmensgründer aus der Computerbranche. Ihr Engagement könnte jetzt freilich in der Berliner CDU-Zentrale für Ärger sorgen, lässt es doch Angela Merkels designierten Generalsekretär Volker Kauder - der nach Schwierigkeiten bei der Nachfolgersuche zudem seinen bisherigen Job als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion behalten soll - in unschönem Licht dastehen: Diese Mitgliederwerbung war nämlich in Wahrheit professionell organisiert - von Außendienstlern einer Firma namens Service-Gesellschaft für Druck, Verlag und Vertrieb mbH (SDV). Und das Unternehmen arbeitete de facto unentgeltlich.
Die SDV ist - diesen Verdacht legen partei- und firmeninterne Dokumente nahe - Zentrum eines gewagten Finanzkonstrukts der Südwest-CDU, an dessen Vereinbarkeit mit dem Parteiengesetz Juristen zweifeln. Und in wichtige Details der klandestinen Geschäftsbeziehung zwischen Partei und SDV ist Multifunktionär Kauder als Generalsekretär der Südwest-Union seit spätestens 1997 eingeweiht. Auch die parteienrechtliche Fragwürdigkeit der Konstruktion könnte dem Merkel-Intimus seit Jahren bekannt sein: Wiederholt hatte ein Insider Merkels Mann für alles schriftlich auf die Vorgänge hingewiesen, »die CDU und SDV einen erheblichen öffentlichen Schaden zufügen könnten«.
Doch Kauder stoppte die Kooperation bisher nicht. Das Modell hatte in der Landes-CDU zu viele Fürsprecher. Denn die SDV-GmbH entlastet die Parteikonten enorm. Was die SDV macht, spart der CDU, deren Gruppierungen und Funktionären Geld - nach internen Schätzungen mehrere hunderttausend Euro pro Jahr. So kann sich der Landesverband mit »CDU Intern« als Einziger im Bundesgebiet eine monatlich erscheinende Mitgliederpostille leisten, die sogar noch für die Kreisverbände als Regionalausgabe erscheint. Texte steuert die CDU bei, Anzeigenakquise und die Herstellung übernimmt die SDV - über Jahre ohne finanzielle Belastung für die Partei.
Auch für die Anzeigenkunden hat das Modell Charme: Unternehmer können auf diesem Weg die Partei unterstützen, müssen aber nicht fürchten, in Spenderlisten aufzutauchen. Vor allem aber können sie die Anzeigen als Werbeausgaben voll von der Steuer absetzen - was bei Parteispenden so nicht möglich wäre.
CDU-Granden im Ländle halten das Konzept für clever und vollständig legal. Kenner des komplizierten Parteienrechts, wie der Düsseldorfer Juraprofessor Martin Morlok oder Hans Herbert von Arnim, Professor an der Verwaltungshochschule Speyer, bezweifeln das jedoch: Die Leistungen der SDV, sagt Verfassungsrechtler Arnim, kämen ,"geldwerten Vorteilen« für die CDU gleich. Sie müssten wohl behandelt werden wie Spenden und folglich auch im Rechenwerk ausgewiesen werden.
Doch bis auf eine SDV-Spende im Jahr 1999 von 18 000 Mark an den Landesverband finden sich solche Hinweise nicht in den Berichten. »Im Grunde«, sagt Morlok, »ist das ein gewolltes, raffiniertes Manöver, um Grenzen des Parteienrechts auszutesten.« Es habe das »Geschmäckle der verdeckten Parteienfinanzierung«.
Ein solches »Geschmäckle« stößt allmählich auch der Landespartei sauer auf. Die über mehr als zwei Jahrzehnte währende Zusammenarbeit zwischen der SDV und den CDU-Kreisverbänden soll, so CDU-Landesgeneral Volker Kauder jetzt auf SPIEGEL-Anfrage, beendet werden: »Ich prüfe gerade ein Alternativangebot, im Auftrag des Präsidiums.« So könnte Günther Oettinger, designierter Nachfolger von Ministerpräsident Erwin Teufel, Ende April eine Partei mit gesäubertem Gewissen übernehmen. Auch von der Mitgliederwerbung durch die GmbH will die Spätzle-Union künftig Abstand nehmen. »Das war
von mir sowieso nie gewollt«, beteuert Kauder. Außerdem sei die gedeihliche Geschäftsbeziehung »von der Bundestagsverwaltung angeschaut« worden. Die SDV sei »keine Gesellschaft der CDU«.
Nur: So parteiunabhängig, wie es CDU-Granden sagen, war der Verlag nie. In Wahrheit ist die 1981 gegründete SDV äußerst parteinah: Die Geschäftsführer und die häufig wechselnden Gesellschafter waren in der Regel CDU-Mitglieder, anfangs vor allem Vertraute des damaligen CDU-Kultusministers Gerhard Mayer-Vorfelder. Nahezu alle Aufträge bekommt die SDV aus Kreisen der Südwest-CDU. Und bereits 1988 hieß es in einem internen SDV-Strategiepapier, das vorrangige Ziel sei die »Privatisierung von Parteidienstleistungen« und die damit verbundene »Kostenentlastung für die CDU«.
Monatlich bekommen die rund 80 000 Mitglieder der Südwest-CDU seither ihr Mitteilungsblatt »CDU Intern«, und die Partei zahlte jahrelang keinen Cent dazu. Auch Sondernummern zu Wahlkämpfen aus dem Hause SDV sparen der CDU Geld. Selbst Funktionärsvisitenkarten und aufwendige Broschüren, etwa zur Mitgliederwerbung, gibt es bei der SDV gratis. Und das Porto für Einladungen zu Kreisparteitagen müssen die kostenbewussten Schwaben auch nicht mehr aufbringen: Die Termine veröffentlicht die SDV unentgeltlich in »CDU Intern«.
Derartige Goodies zu finanzieren fällt der Firma nicht schwer. Denn die Anzeigen sprudeln: Nicht nur Mittelständler und Handwerksbetriebe annoncieren, auch Großunternehmen wie die Aktiengesellschaft HeidelbergCement, Atomkraftwerksbetreiber oder landeseigene Banken schalteten schon Inserate in dem biederen Parteiblättle, das Titelzeilen druckt wie »Mehr CDU tut Heidelberg gut«.
Auf neue Geschäftskunden hoffen die Unternehmen bei ihren Anzeigen in »CDU Intern« wohl weniger. Im Vordergrund dürfte eher die Unterstützung der Südwest-CDU stehen. So ist auch nicht verwunderlich, dass der scheidende Landesvorsitzende und Ministerpräsident Erwin Teufel Inserenten in persönlichen Schreiben schon mal für die »Unterstützung unserer Arbeit« dankt.
Bisweilen dankten offenbar auch Unternehmen mit einer Anzeige für Hilfe durch die CDU: Das inzwischen insolvente Immobilienunternehmen WGS etwa suchte 1993 einen glamourösen Gastredner für ein Managertreffen. Zudem plagten WGS Probleme mit den Finanzbehörden. In beiden Fällen wusste Bernadette Eck, Geschäftsführerin der CDU-Mittelstandsvereinigung und der SDV-GmbH, eine Lösung: Für das WGS-Führungskräftetreffen vermittelte die Funktionärin den damaligen Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel als Redner, für die Meinungsverschiedenheiten mit dem Finanzamt einen Kontakt zum damaligen Finanzminister Mayer-Vorfelder.
Der Erfolg: Rommel sagte trotz schwieriger Haushaltsberatungen zu, und Mayer-Vorfelder meldete Eck schriftlich Vollzug: »Auf meine Veranlassung« habe ein Gespräch mit »dem zuständigen Beamten meines Hauses stattgefunden, in dem die von der WGS angesprochenen Probleme eingehend erörtert wurden«. Offenbar zur Zufriedenheit der Fondsgesellschaft. Im Oktober 1993 schaltete WGS für 12 000 Mark eine Anzeige bei der SDV, sie erschien als ganze Seite in der Dezemberausgabe von »CDU Intern«.
Wie eng die Verbindung zwischen SDV und Landes-CDU ist, wird nicht nur in der jahrelangen Doppelfunktion von Verlagsgeschäftsführerin Eck deutlich. Ganz selbstverständlich lud die SDV im November 1999 Außendienstmitarbeiter in die Räume der CDU-Fraktion im Stuttgarter Landtag. Acht Jahre zuvor klärte gar der damalige CDU-Schatzmeister Wolfgang Fahr persönlich Details eines SDV-Geschäftsführervertrags.
Einmal kamen Betriebsprüfer des Finanzamts Stuttgart der klandestinen Konstruktion aber unangenehm nahe: Um die indirekte Subventionierung der CDU durch die SDV zu kaschieren, hatten Partei und Verlag ein ausgeklügeltes Verrechnungssystem entwickelt. Als Gegenleistung für die Publikationen verkauften die CDU-Kreisverbände der SDV etwa zeitweise das Recht, im Namen der Partei auf Inserentenfang zu gehen. Geld floss bei dem »Austauschgeschäft« nicht. Es fand nur in den Büchern statt.
Den Finanzamtsexperten, die sich in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre die CDU-Landesgeschäftsstelle und die SDV vornahmen, kam das merkwürdig vor. Sie stolperten über einen kleinen Fehler in dem Luftgeschäft: Für Leistungen der Partei war eine höhere Umsatzsteuer fällig als für die Lieferungen des Verlags. Die CDU-Kreisverbände sollten satt Umsatzsteuer nachzahlen. Nun müssten Landesverband und Kreise jährlich, sagt Kauder, bis zu 50 000 Euro an den Fiskus überweisen.
Doch erneut fanden Cleverle der Südwest-CDU einen Ausweg, und wieder über die SDV. Der Verlag schickte nun seine Außendienstmitarbeiter - quasi zur Kompensation der CDU-Steuerbelastung - , auf dass sie zahlende Mitglieder werben.
Das Modell, nicht gerade im Sinne der Urheber des Parteiengesetzes, wurde auf einer CDU-Kreisgeschäftsführerkonferenz im Januar 1997 diskutiert und im Großen und Ganzen abgenickt. Geleitet hat die Runde Generalsekretär Kauder.
FELIX KURZ, ANDREAS WASSERMANN