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RECHT / KARTELLGESETZ Rakete im Hintern

aus DER SPIEGEL 14/1971

FDP-Baron und Grundstücks-Millionär Knut von Kühlmann-Stumm erkannte: »Wenn der Entwurf lang genug liegenbleibt, erledigen sich die Dinge von selbst.« Sein Fraktionskollege Carlo Graaff, Waggonfabrikant und niedersächsischer Wirtschaftsminister a. D. forderte: »Wir müssen alles herauslassen, was Ministerialreferenten in fünfzehn Jahren an Novellierungsstoff gesammelt haben.« Und Gerhard Kienbaum« Industrieberater und Wirtschaftssprecher der FDP-Fraktion, freute sich: »Der Gesetzentwurf wird von Mal zu Mal dünner.«

Am Dienstag dieser Woche wollen sich Bonns Freidemokraten in einem »Positionspapier« (FDP-Fraktionsgeschäftsführer Werner Mertes) endgültig zu einem Gesetz äußern, das Willy Brandt in seiner Regierungserklärung zu einer vordringlichen Reformaufgabe erklärt hatte: die geplante Kontrolle von Fusionen, Karteilen und Monopolen. Bislang hatten die Liberalen, die das Gesetz seit einem Jahr vorschlagen, ihre Entscheidung immer wieder aufs neue vertagt und so verhindert, daß sich das Bundeskabinett mit der Konzentration in der Wirtschaft befaßt.

Durch eine Novelle zum überholten Kartellgesetz, der Wettbewerbscharta der Marktwirtschaft, soll nach dem Willen des SPD-Wirtschaftsprofessors Karl Schiller die Fusion von Umsatzmilliardären zu gefährlichen Großkonzernen von Staats wegen untersagt werden. Nach einem umständlichen Verfahren -- so der Plan des Wirtschaftsministeriums -- kann das Bundeskartellamt künftig einen geplanten Milliarden-Zusammenschluß von vornherein verbieten.

Wenn den Monopolherren der Nachweis gelingt, daß ihre Verschmelzung »aus überwiegenden Gründen der Gesamtwirtschaft und des Gemeinwohls notwendig ist (Paragraph 24 der Karteilnovelle) müßte das Bundeswirtschaftsministerium das Urteil der Berliner Wettbewerbshüter freilich wieder aufheben.

Neben der Fusionskontrolle hatte Schillers Kartellreferent Wolfgang Kartte zunächst auch unlautere Exportkartelle überwachen und die Preisbindung erschweren wollen. Auf Drängen der rechten Freidemokraten und der Industrie-Lobbyisten war der Entwurf jedoch auf ein Papier zusammengestutzt worden, das der SPD-Kartellexperte Helmut Lenders als zu schwach und inkonsequent abqualifizierte.

Doch auch der letzte Schiller-Entwurf geht den Freidemokraten noch zu weit. Sie beharren darauf, daß von den 17 vorgesehenen Änderungen des Kartellgesetzes nur drei Passagen übrigbleiben sollen: Die Begünstigung von Zusammenschlüssen kleiner und mittlerer Unternehmen, eine aufgewertete Kontrolle der marktbeherrschenden Unternehmen und die Fusionskontrolle.

Selbst von diesem »Skelett« (so die treue Marktwirtschaftsanwältin »FAZ") fühlt sich das westdeutsche Kapital bedroht. Industrieberater Kienbaum, der sich bester Kontakte zum Bundesverband der Deutschen Industrie erfreut, versammelte deshalb in den Bonner Büroräumen seiner Public-Relations-Agentur »Terra« mächtige Parteifreunde, um den sozialdemokratischen Reformeifer zu dämpfen.

Hoechst-Vorstand Alexander Menne, Textilverbands-Geschäftsführer Hans-Werner Staratzke und IBM-Repräsentant Hanns-Bernhard Wirz kamen mit den FDP-Bundestagsabgeordneten überein, die Fusionskontrolle weiter zu entschärfen. Auch die Zusammenschlüsse von Umsatzmilliardären sollten nach ihrem Urteil statthaft sein, wenn »etwaige Vorteile, die den Fusionären erwachsen, »die Nachteile für den Wettbewerb überwiegen«. Und obgleich Kartte schon 1969 vier große Hearings veranstaltete, neigen die Industriefreunde unter den Freidemokraten dazu, mit neuen Anhörungen die parlamentarische Beratung weiter hinauszuzögern.

Hilfe kann Schiller und sein Kartell-Kartte nur noch von der CDU erwarten. Der christdemokratische Arzneigroßhändler und Mittelstandspolitiker Göke D. Frerichs legte Anfang letzter Woche ein Papier der CDU/CSU-Arbeitsgruppe »Wettbewerb« vor, das weniger konservativ ausfiel als das Konzept der Freidemokraten. CDU-Mitglied und Schiller-Referent Kartte freute sich über den unerwarteten Beistand: »Das ist die Rakete im untern der FDP.«

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