PROMINENTE Rang oder Namen
Jürgen von Manger, Schöpfer der Kumpel-Figur Adolf Tegtmeier, bekam merkwürdige Post: Der Kohlenpott-Literat ("Bleibense Mensch!") sollte schriftlich bestätigen, was und wer er ist, vorgedruckt in 17 Zeilen.
Der Berliner »Verlag für Industrie- und Wirtschaftswerbung GmbH« hatte unlängst von Manger angeschrieben, um ihn in das geplante Nachschlagewerk »Who is who?« aufzunehmen: »Namenstexte der Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kultur« -- gegen 20 Mark Honorar je Zeile.
Der akademisch gebildete von Manger rief aus Herne in Westfalen den Berliner Verlagsgeschäftsführer Hans-Joachim Schellmann, 32, an, korrigierte fünf Schnitzer »orthographischer Natur« und lehnte das Angebot ab. Tegtmeiersche Begründung: »Sowat krich' ich für lau. Maine aigene Märiten au« noch bezahln.«
So oder ähnlich reagierten freilich keineswegs durchweg jene vorerst 3500 Prominenten (Buchstabe A bis M), auf deren Sinn für Publicity der Berliner Verlag offenbar spekuliert. Schellmann weiß: »Der Markt ist günstig« -- wenn auch besetzt. Denn ins Geschäft kommen will Schellmann in einem Bereich, den seit 60 Jahren ein anderer Sammelband vorrangig abdeckt: die deutsche Version des angelsächsischen »Who's who«, früher »Wer ist's«, jetzt »Wer ist wer?«, die im Frankfurter Societäts-Verlag erscheint.
Ins Gehege dieses Verlages möchte der Berliner mit einer zumindest ungenierten Methode kommen. »Wo Honig ist, sammeln sich die Wespen!« verteidigt das Frankfurter Unternehmen per Anzeige im »Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel« die angestammte Position. Und Verlagsleiter Heinrich Scheffler sieht in der Konkurrenz nur »Profis, die sich haargenau an der Grenze zum Betrug« bewegen.
Rund 35 000 Personen samt Kurz-Vitae verzeichnet das etablierte »Wer ist wer?«, das im kommenden Sommer in der 19. Ausgabe erscheinen soll. Vom Bankier Hermann J. Abs ("Ein Semester Jura") über den Psychologen Alexander Mitscherlich ("Liebh.: Ornithologie") bis zum Geiger Helmut Zacharias ("Gold. Sportabz.") ist jeder aufgeführt, der in der Bundesrepublik Rang oder Namen hat. Die Eintragung ins »Werk der Zeitgeschichte« erfolgt kostenlos.
Nach dem Motto »Wer seinen Gesprächspartner kennt, ist immer im Vorteil« bieten die marktbeherrschenden Frankfurter rund 9000 Exemplare feil, zum Ladenpreis von 185 Mark pro Stück. Die Berliner Konkurrenzfirma dagegen, die sicheren Absatz kaum zu erwarten hat, versucht schon vor Drucklegung Reibach zu machen mit verwechslungsfähigem Etikett. Fast sechs Millionen Mark Zeilenhonorar kämen zusammen, hat der Societäts-Verlag vorausgerechnet, falls »ein derartiges Plagiat« vollauf gelänge.
Auch der Inhalt beider Kompendien dürfte sich dann kaum unterscheiden. Buchstäblich, einschließlich der Fehler, hat die Berliner Abschreibegesellschaft (Stammkapital: 20 000 Mark) die eingeführte Vorlage beim tausendfachen Text übernommen. Nur der Adressenteil ist umgestellt. Geschäftsführer Schellmann schränkt freilich ein: »Wir haben Blocksatz. die anderen haben Flattersatz« -- und er versichert auch, er habe sämtliche Legenden über die bislang erfaßten deutschen Größen während der Frankfurter Buchmesse von einem nicht zu nennenden Dritten zu einem nicht zu nennenden Preis zur freien Verwertung erworben.
Diese Daten, in anvisierter Aufmachung mit IBM-Composer abgesetzt, verschickte Schellmanns Zehn-Mann-Betrieb mit der Bitte »um sorgfältige Prüfung und sofortige Rücksendung« landauf, landab -- an den Frankfurter Maler Ferry Ahrlé ebenso wie an den ehemaligen Berliner Senatspräsidenten Carl Kessler. Der »FAZ«-Mitherausgeber Jürgen Eick wurde mit dem Bürstenabzug behelligt, der Mathematik-Professor Rainer Ansorge in Norderstedt und auch der Journalist Helmut Berndt in Bad Honnef: »Jahrmarkt der Eitelkeit.«
Eben dieses Forum hat nun die Frankfurter Societäts-Druckerei, Mutter des Societäts-Verlages, erst mal juristisch gegen den Berliner Einbruchsversuch für sich allein abgesichert. Der Großbetrieb, in dem auch »Frankfurter Allgemeine Zeitung« und »Frankfurter Neue Presse« erscheinen, erwirkte im Dezember eine einstweilige Verfügung. »Bei Meidung von Ordnungsgeld bis fünf hunderttausend Mark« ist danach dem Werbe-Verlag jedwede kommerzielle Auswertung des gängigen Handbuchs (Untertitel: »Das deutsche Who's who") verboten.
Jungverleger Schellmann hat dennoch keineswegs aufgesteckt, sondern gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt. Und wie immer das Verfahren ausgehen mag, Scheumann kennt vielfältige Zugangswege zum Prominentenmarkt.
Hervorragende Persönlichkeiten wie Bundeskanzler Helmut Schmidt oder Jürgen von Manger will er neuerdings notfalls auch kostenlos »mit dem Notwendigsten« aufnehmen. Außerdem filzt der findige Biograph vorsorglich namensträchtige Periodika wie das Mitteilungsblatt der Berliner Industrie- und Handelskammer oder Personenregister in den FU-Bibliotheken.
Spürsinn für Marktlücken zwischen Gesetz und Gewinn hat der Geschäftsführer jedenfalls schon hinlänglich bewiesen. Vor Zeiten brachte er privat Telexverzeichnisse in den Handel, obwohl die Bundespost amtliche Ausgaben den Benutzern kostenlos aushändigt. Betrug, vermutete der Staatsanwalt -- zu Unrecht offenbar. Etliche Verfahren wurden eingestellt.