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HOCHSCHULEN Ratten der Lüfte

Rechtsextreme Studenten sammeln sich im neugegründeten Republikanischen Hochschulverband, um Karriere bei der Schönhuber- Partei zu machen.
aus DER SPIEGEL 33/1989

Im Löwenbräukeller in München ist die Luft stickig und heiß. An den blankgescheuerten Holztischen, vollbepackt mit Biergläsern, sitzt eine knappe Hundertschaft Studenten. Fast jeder trägt Schlips und Jackett. Die Blicke der Kommilitonen, teils glasig trüb, teils bewundernd, richten sich starr nach vorne zum Podium.

Franz Schönhuber spricht. Der Parteivorsitzende besucht die erste öffentliche Sitzung des neugegründeten Republikanischen Hochschulverbandes (RHV). Und gleich zu Beginn umschmeichelt der Parteichef die studentische Sturmtruppe: »Ich brauche euch.«

Die Zuhörer sind keine stiernackigen Braunhemden, sondern zumeist schmale, blasse, vom Büffeln oder Bechern übernächtigte Studiosi. Mit frenetischem Applaus danken sie dem großen Vorsitzenden für seine hoffnungsvollen Prophezeiungen. »Wir Republikaner«, ruft Schönhuber in den Saal, »werden an den Universitäten Fuß fassen.«

An den Universitäten in München, Kiel und Freiburg ist es schon wieder soweit. Dort und in weiteren zehn Hochschulen haben sich Republikaner in eigenen Gruppen organisiert. »Am Ende des nächsten Semesters«, glaubt Alexander von Schrenck-Notzing, 23, einer von drei RHV-Vorsitzenden, »sind wir an allen deutschen Universitäten vertreten.«

Die Partei, in der sich Unzufriedene und Alt-Nazis sammeln, erhält damit einen akademischen Überbau, der ihr populistisches Profil »auch für die gebildeten Schichten interessant machen soll« (Schrenck). Jedenfalls möchte der Münchner Jura-Student und Sohn des deutschnationalen Publizisten Caspar von Schrenck-Notzing gern beweisen, »daß die Republikaner keine Partei der Biertrinker und Sepplhosen sind«.

Die geistige Grundlage hat der konservative Philosophieprofessor Günter Rohrmoser angemahnt. Im Rechts-Blatt »Junge Freiheit« stilisiert er die »Intellektualisierung« zur »Überlebensfrage der Republikaner«. Deshalb wird nun das Schüren von Fremdenfurcht und Modernisierungsängsten hinter verworrenen Phrasen versteckt.

Die Kieler Liste für demokratische Selbstbestimmung und Achtung Andersdenkender (Lisa), der erste norddeutsche Ableger der Hochschul-Reps, präsentiert sich zwar frech als »unabhängig und basisdemokratisch«, verwehrt jedoch Ausländern die Mitgliedschaft. Lisa-Chef Bernhard Kurz, 28, begreift aber angeblich nicht, warum er jetzt als »ausländerfeindlich diffamiert« werde.

Kurz, Mitglied im Kieler Kreisvorstand der Republikaner, hat »selbstverständlich überhaupt nichts gegen ausländische Studenten«. Schnell spult der Jura-Doktorand einen gewaltigen Wortschwall völkerfreundlicher Rhetorik ab. Nur beiläufig beklagt er, daß angeblich »immer mehr ausländische Kommilitonen die Uni als Stützpunkt zur Einwanderung mißbrauchen«.

Die achtköpfige Lisa-Hochschulgruppe verpaßte im Januar nur knapp den Einzug ins Kieler Studentenparlament. Inzwischen ist Lisa dem Republikanischen Hochschulverband angeschlossen und darf mithin auf Unterstützung aus der Münchner Parteizentrale hoffen.

Dasselbe gilt bisher für den in Nordrhein-Westfalen verbreiteten Ring Freiheitlicher Studenten (rfs). Der bereis in den Studentenparlamenten von Köln und Münster aktive Klub war noch im Mai 1987 beim Republikaner-Parteitag in Bremerhaven als einziger Studentenverband vertreten. Der rfs-Mann Markus Beisicht, 26, sitzt heute im Bundesvorstand der Republikaner. Gabriele Schlaeper, 24, die rfs-Bundesvorsitzende, rangierte bei der Europawahl auf Platz 15 der Republikaner-Liste.

»Schlaeper? Die Frau kenn' ich gar nicht«, behauptet dagegen Hans-Ulrich Kopp, 27, zweiter Mann im Triumvirat an der Spitze des RHV. Seitdem Schrenck, Kopp und Co. den Segen Schönhubers als offizieller Studentenverband der Republikaner erhalten haben, ist unter den akademischen Rechtsaußen ein Machtkampf entbrannt. Schon der Coup der Münchner, mit dem RHV zunächst eine Dachorganisation und danach erst Ortsgruppen aufzubauen, richtete sich vor allem gegen den rfs. Den etwa 120 rfs-Aktivisten an zehn Hochschulen bleibt nur noch die Wahl, ihren Verein aufzulösen oder geschlossen zur Konkurrenz überzutreten.

Der Ring Freiheitlicher Studenten ist zudem politisch vorbelastet. Der rfs-Generalsekretär Manfred Rouhs, 24, amtierte zuvor als nordrhein-westfälischer Landesvorsitzender der Jungen Nationaldemokraten.

Entsprechend grobschlächtig verlief die Auseinandersetzung mit linken Hochschulgruppen. Dem Kölner Asta hielt der rfs noch im letzten Dezember vor, er finanziere mit den studentischen Beiträgen die »Bewaffnung der revolutionären Kinder Nicaraguas«, die »gewalttätige Sprengung von rfs-Veranstaltungen« sowie Druckschriften mit »Anleitungen zum Onanieren«.

Gute Kontakte pflegte der rfs zum Hochschulring Tübinger Studenten (HTS). Aus dem kleinen rechtsextremistischen Studentenklub stammten sowohl Uwe Behrendt, der 1980 in Erlangen den jüdischen Verleger Shlomo Lewin und dessen Lebensgefährtin Frida Poeschke ermordete, als auch Gundolf Köhler, der im selben Jahr in München sich und zwölf Besucher des Oktoberfests mit einer Bombe tötete. Um Seriosität bemüht, bestreitet rfs-Generalsekretär Rouhs »jede Gemeinsamkeit mit dem HTS und seinen NS-Sentimentalitäten«.

Der Erfolg der Republikaner hat auch auf der studentischen Rechten eine Konzentration der Kräfte bewirkt. Neofaschistische Vereine wie der HTS oder der Nationaldemokratische Hochschulbund sind bedeutungslos geworden, der Hamburger Hochschulgruppe der Deutschen Volksunion (DVU) des Münchner Rechts-Verlegers Gerhard Frey fehlt jegliche Perspektive. »Die Gründung weiterer DVU-Hochschulgruppen«, räumt Sprecher Michael Andrejewski, 26, verzagt ein, »ist vorerst nicht geplant.«

Das rechte Spektrum an den Universitäten orientiert sich jetzt ganz zum republikanischen Flügel. Mitglieder des Gesamtdeutschen Studentenverbandes, einer Hochschulorganisation des Bundes der Vertriebenen, haben bereits Kontakte zum RHV geknüpft. Und RHV-Chef Kopp erwidert die Sympathie: »Wir gehen uns nicht aus dem Wege.«

Der Gesamtdeutsche Studentenverband wird noch heute, obwohl schon 1985 vom Bundesinnenministerium als »rechtsextremistisch« eingestuft, aus dem Etat des Bonner Jugendministeriums unterstützt. Erst im Juni ließ die Bundesregierung mitteilen, es sei »beabsichtigt, die Förderung des Verbandes einzustellen«.

Mit Genugtuung verweisen die Hochschul-Reps auf Überläufer aus der Union. Ein Papier des Rings Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) bestätigt, »daß der im RCDS total entmachtete rechtskonservative Flügel« zu den Republikanern umgeschwenkt sei. Dazu zählen auch Mitglieder der Jungen Union, die in Berlin noch rechts vom RCDS eigene Hochschullisten aufgemacht haben, und das unter Beteiligung von Vertretern der wirren Mun-Sekte.

Carsten Pagel, 26, Ex-Kreisvorsitzender der Jungen Union im Berliner Bezirk Tiergarten, hat es als Mandatsträger der Republikaner im Abgeordnetenhaus inzwischen sogar zu Sitz und Stimme im Kuratorium der Freien Universität Berlin gebracht.

Der smarte Karrierist Pagel gehört zu den großen Vorbildern der republikanischen Studenten. Hemdsärmelige Typen wie Pagels Konkurrent, der Berliner Rep-Landesvorsitzende Bernhard Andres, gelten dagegen wenig. »Mit solchen Leuten«, erklärt RHV-Chef Schrenck, »wollen wir nichts zu tun haben.«

Der akademische Nachwuchs der rechtsextremen Partei tut sich schwer mit der kleinbürgerlich-proletarischen Basis. Die Aktivisten von RHV und rfs kommen fast alle aus bürgerlichen - und nicht selten auch adligen - Akademikerfamilien. Nicht materielle Ängste, sondern rechtskonservative Traditionen machen sie empfänglich für Schönhubers Tiraden. Der Eintritt in eine akademische Verbindung, im deutschnationalen Milieu obligatorisch, sorgt schließlich für den letzten rechten Schliff.

Lisa-Mann Kurz etwa gehört dem Katholischen Cartellverband an, der RHV tagt bei der schlagenden Verbindung Danubia in München und der rfs bei der Kölner Germania. Jung-Republikaner Kopp, selber Münchner Danube, hält es denn auch für selbstverständlich, daß sich sein Verband »über Studentenverbindungen und Burschenschaften« quer durch die Republik verbreitet.

Vor allem die 4000 Aktiven der Deutschen Burschenschaften bieten ein williges Potential. Beim letzten Burschentag am 17. Juni in Fulda wurde ernsthaft darüber diskutiert, ob der Verband »deutsch-nationale« Wahlempfehlungen geben sollte. Die großdeutsche Ausrichtung der Burschenschaften - derzeit präsidiert eine österreichische Verbindung - paßt ohnehin exakt ins Republikaner-Programm.

Die »Nation« sei das »entscheidende Ordnungsprinzip unseres Volkes«, glaubt auch RHV-Chef Kopp. »Alles andere«, assistiert sein Kompagnon Schrenck, »wäre eine blutleere Welt.«

Die Hochschul-Reps erweisen sich als gelehrige Schüler Schönhubers. Dessen Strategie, faschistoide Ressentiments anzusprechen, ohne sich offen zur faschistischen Ideologie zu bekennen, wird fleißig kopiert. Kopp agitiert zwar nicht gegen Ausländer, verlangt aber zum Beweis nationaler Gesinnung, »daß die unsere Staatsbürgerschaft annehmen«. Schrenck findet den Antisemitismus verwerflich, hat aber »volles Verständnis«, wenn sich Republikaner hier »gewisse Ausrutscher« leisten.

Der RHV hegt angeblich keine Vorurteile gegen Homosexuelle, lehnt aber die Förderung von Schwulen-Gruppen »grundsätzlich ab«. Wehrdienstverweigerer werden zwar toleriert, doch das Symbol der Friedensbewegung, die weiße Taube, wird als »Ratte der Lüfte« denunziert.

Das hochschulpolitische Programm wendet sich offen gegen die »Erhebung stupider Kritikfähigkeit zum höchsten Bildungsziel«. Nicht »Gleichmacherei«, sondern die »Förderung von Eliten« sei Aufgabe der Universität. Die oft diskutierte Umbenennung der Münchner Uni in »Geschwister-Scholl-Universität« ist dem RHV ein Greuel; eine »primär politische Überzeugungstat« wäre damit angeblich unnötig aufgewertet.

Die Qualität der Argumente kommt bei der »Intellektualisierung« der Hochschul-Reps zwar zu kurz. Aber den rechten Studenten geht es ohnehin »vor allem darum«, gesteht Schrenck, »spätere Mandats- und Funktionsträger heranzuziehen«.

Auf heftigen Widerstand an den Unis müssen sich die Nachwuchs-Republikaner einstellen. Linke Studentengruppen, weiß der Hamburger Rechtsextremist Andrejewski, »werden denen mächtig zusetzen«. Und dafür, glaubt der kampferprobte Mann von der DVU, »sind die noch nicht hart genug«. #

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