Rechtzeitig vorgelegt
Nr. 18/1999, Kulturpolitik: SPIEGEL-Gespräch mit Michael Naumann über das Holocaust-Mahnmal und die Kosovo-Debatte
»Haus der Erinnerung« und Forschungsstätte: ja, aber weder die beliebigen, millionenverschlingenden Eisenman-Versandhausschachteln noch der unspezifische »Nicht morden«-Vorschlag. Statt dessen ein würdiges Denkmal des Warschauer Kniefalls von Willy Brandt. Dies würde alle Aspekte abdecken. Es wäre das offizielle Zeugnis einer Nachkriegsregierung der Bundesrepublik als Rechtsnachfolgerin des Dritten Reiches und zugleich ein Ausdruck der Bitte um Vergebung des ganzen deutschen Volkes, mit dem sich die Mehrheit der Bürger identifizieren könnte, gültig nicht nur für die jüdischen Opfer, sondern unausgesprochen auch für die ermordeten Polen, Russen und die Opfer der anderen Völker, ebenso wie auch für die Sinti und Roma, für die alle es in unserem Lande ungeheuerlicherweise keine eigenen Erinnerungs- und Sühnezeichen gibt. Eine friedenstiftende Stätte der Mahnung und Versöhnung, ein Denkmal, wie es der Kanzler wünscht: »zu dem man gerne hingeht«, und meines Erachtens der einzige Vorschlag, der dieser Thematik auch künstlerisch gerecht werden könnte. Überdies wäre diese Lösung auch die kostengünstigste.
SOMMERHAUSEN (BAYERN) BERNHARD BÖTTNER
Staatsminister Naumann möchte als Teil seines Konzepts des Mahnmals ein »Genocide Watch Institute« vorsehen. Ein solches Frühwarnsystem existiert bereits. Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen, in der ich die deutsche Delegation von 1993 bis 1998 geleitet habe, verfügt gemeinsam mit der Hochkommissarin für Menschenrechte über ins einzelne gehende aktuelle Berichte und Analysen über alle Gefahrenherde der Welt. So lagen auch Berichte über die Gefahren in Ruanda und im Kosovo rechtzeitig vor. Sie wurden diskutiert, blieben im Sinne eines präventiven Menschenrechtsschutzes leider folgenlos.
KÖLN GERHART BAUM
BUNDESMINISTER A. D.
Solange das Holocaust-Mahnmal den Gedanken der Versöhnung zwischen Deutschen und Juden unberücksichtigt läßt, bleibt es ein Fragment. Die kontroverse Diskussion wird sehr schnell zu einem Konsens kommen, wenn das Mahnmal den Willen aller für ein zukünftiges versöhnliches Miteinander zum Ausdruck bringt. Die formale Gestaltung ist demgegenüber zweitrangig.
MEERBUSCH (NRDRH.-WESTF.) JÜRGEN STEINHOFF