Herr Z., 30, die Beteiligten sind zu schonen, nachdem ihre Sache durch rechtskräftiges Urteil ohne Schulderkenntnis erledigt worden ist -Herr Z. also wurde angeklagt wegen »versuchter Notzucht pp.«.
Die Staatsanwaltschaft legte ihm zur Last, »auf einem Parkplatz und in seinem Kraftfahrzeug« dem Fräulein A. »in der Absicht, den Geschlechtsverkehr gewaltsam mit ihr auszuführen, den Reißverschluß ihres Kleides geöffnet und ihr den Büstenhalter ausgezogen zu haben«.
Herrn Z. wurde pp. auch vorgeworfen, Fräulein A. »an der Brust und an den Beinen verletzt, ihr ins Gesicht geschlagen und sie ferner im weiteren Verlauf aus dem Fahrzeug gestoßen« zu haben.
Herr Z. hatte Fräulein A. 23, abends beim Tanzen kennengelernt, auf einer Geschäftsreise. Man duzte sich gleich. Nachdem Herr Z. seinen Personalausweis gezeigt hatte, durfte er Fräulein A. in seinem Wagen nach Hause bringen. Die Kontaktnahme schritt dabei fort. Wie weit, blieb umstritten.
Herr Z. will seine Eroberung weitgehend für sich und auch sonst eingenommen, diese jedoch will nur Küsse gestattet haben. Wie auch immer: man traf sich wie vereinbart und aß in einem Lokal zusammen. Nach Mitternacht stieg man wieder ins Auto und trat die Fahrt zur Wohnung des Fräulein A. an.
Auf dieser Fahrt kam es zu einem Streit, der Fräulein A. zufolge als versuchte Notzucht zu werten ist. Denn sie will sich »erbittert gewehrt« haben. Herr Z. wiederum führt die Auseinandersetzung darauf zurück, daß Fräulein A. ihn mit Zärtlichkeiten bedrängte und zuletzt ins Lenkrad griff, als er sich sträubte. Der verspätete Joseph in voller Fahrt will deshalb gegen eine Betonleitplanke geraten sein: Sachschaden 173,50 Mark.
Fräulein A. erstattete Anzeige. Im ersten Protokoll war übrigens von versuchter Notzucht noch nicht die Rede. Herr Z. ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Er ist ein noch sehr junger Mann, vielleicht auch schon zu sehr ein Mann. Als ihm ein Pflichtverteidiger beigeordnet und Anklage erhoben wurde, dämmerte Herrn Z. etwas. Sein Fürsprecher von Amtes wegen schien ihm nur leider nicht sehr interessiert. Auf Vorschläge, die Herr Z. hinsichtlich von Beweisanträgen und anderem zaghaft machte, wollte er so gar nicht eingehen.
Herr Z., nun .sehr beunruhigt, suchte den SPIEGEL auf, der selbstverständlich keine Rechtsberatung erteilt; der jedoch den recht offenkundig für verspätete Einsicht begabten Herrn Z. auf den Ernst seiner Lage hinwies. Herr Z. nahm nun doch einen Wahlverteidiger -- und erschien umgehend wieder beim SPIEGEL, jetzt restlos verwirrt.
Nunmehr nämlich zeigte sich der Pflichtverteidiger engagiert. Der Kollege, zu dem sich Herr Z. da entschließen wolle, sei an einem anderen Ort ansässig, er werde hier, wo man vor einem Schöffengericht zu erscheinen habe, sein blaues Wunder erleben. Auch sei er, der Pflichtverteidiger, ein Bundesbruder des zuständigen Richters. Der Wahlverteidiger und schon gar nicht der SPIEGEL, niemand konnte Herrn Z. die Entscheidung abnehmen. Er entschloß sich zu dem unversehens so wortgewaltigen Bataillon,
Das Schöffengericht rief die Sache des Herrn Z. auf, sein Pflichtverteidiger betrat den Saal wie ein Champion. Herrn Z. schien es allerdings, daß sich der Pflichtverteidiger des Namens seines Mandanten nicht mehr recht erinnerte.
Der Pflichtverteidiger, unberührt vom ängstlichen Flüstern seines Mandanten, stellte keinen Beweisantrag. Die Zeugin und Nebenklägerin Fräulein A. war ihm lieb wie sein eigen Kind. Am Ende wurden sechs Monate Gefängnis verkündet. Und der Pflichtverteidiger sagte mit dem Blick eines redlichen Bluthundes zu seinem Mandanten: »Seien Sie froh, daß sie so gut weggekommen sind.«
Herr Z. fand einen prominenten Wahlverteidiger, denn ein Ordinarius für Strafrecht und der SPIEGEL halfen ihm. Herr Z. wurde von einer Großen Strafkammer auf Kosten der Staatskasse freigesprochen, nachdem sein Wahlverteidiger Beweisanträge gestellt und sich derart mit Fräulein A. auseinandergesetzt hatte, wie es sich jemand gefallen lassen muß, der einen schweren Vorwurf erhebt, nachdem er unter anderem auch freiwillig ins Auto stieg.
Mitunter hält man inne und betrachtet überrascht und erschrocken den Boden, auf dem man sich so sorglos bewegt. Täglich sind Angeklagte auf Pflichtverteidiger angewiesen, weil sie kein Geld haben, einen zu wählen, die Mitwirkung eines Verteidigers aber nach der Strafprozeßordnung notwendig ist -- nicht zum Spaß, sondern der Rechtsordnung und ihrer Garantien wegen.
»Nach alldem sah sich die Kammer nicht In der Lage, die Darstellung der Zeugin ... zur Grundlage einer Verurteilung des Angeklagten zu machen . ..« Nun gut, zuletzt hat ein Wahlverteidiger Herrn Z. gerettet. Doch braucht die Gerechtigkeit tatsächlich Empfehlungen an die rechte Adresse, ein Honorar anstelle der Offizialgebühr?