MODERNES LEBEN Renault-Insel wird Yuppie-City
Das Fabrikgebäude hat die klaren Linien der Dreißiger-Jahre-Architektur, endlose Geraden, rechte Winkel, ein flaches Dach. Seit 1929 steht die Renault-Zentrale wie ein Fels auf der Seine-Insel Seguin im Südwesten von Paris und hat bislang allen ökonomischen Brandungen widerstanden. Mitte 1992 sollen nun die Fertigungshallen ausgesiedelt werden, in denen zuletzt nur noch 420 Autos täglich vom Band liefen; um konkurrenzfähig zu bleiben, müßten es mindestens 900 sein. Mit der Renault-Produktion verschwindet auch ein sozialpolitisches Symbol Frankreichs: Vor den Toren des Werks hielt Jean-Paul Sartre in den sechziger Jahren Brandreden gegen den Monopolkapitalismus. Bei der Ankündigung, die Arbeiterfestung aufzugeben, rieben sich jetzt die Immobilienhändler die Hände. Das kostbare Zehn-Hektar-Areal (Wert: 3,3 Milliarden Mark) soll in eine propere Yuppie-Insel verwandelt werden, in High-Tech-Büros, Luxuswohnungen und gehobene Freizeitarchitektur. Im Zeitalter des Müßiggangs werde dem Fluß seine Rolle als Lebensraum und Erholungsoase zurückgegeben, meinen Stadtplaner, und ein französischer Grundstücksverkäufer ist überzeugt: »Die Flüsse sind die letzten Orte, die der Moloch Stadt nicht verschlingen kann.«