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Rechtsextremisten Riesiges Gelächter

Ein neuer Kinofilm macht Propaganda für Neonazis. Vier Bundesländer haben ihn finanziert.
aus DER SPIEGEL 46/1993

Eine alte Chinesin grabbelt durch einen Haufen Pampelmusen, den Blick gesenkt. Schnitt. Eine graue Menschenmasse schiebt sich über den Bürgersteig. Schnitt. Aus der Masse ragt nur ein blonder Recke, mit Schlips, wehendem Mantel, präzise gestutztem Haar und selbstsicherem Blick. Schnitt.

Er sei ein »individuell lebender und denkender Mensch«, sagt der gutaussehende junge Mann in dem Film, ein »Herrenmensch«. Es sei seine Aufgabe, andere zu »führen« und zu »leiten«.

Der Schönling ist Bela Ewald Althans, 27, einer der bekanntesten deutschen Rechtsextremisten. Der Film, gefördert mit Steuergeldern, trägt den Titel »Beruf Neonazi« und macht Propaganda für den Münchner Jungrechten und seine braunen Kameraden.

Am Donnerstag dieser Woche läuft er in den Kinos an, zunächst in Berlin, später bundesweit, etwa in Frankfurt am Main, Hamburg und Leipzig. Die Filmfirma verhandelt zudem über die Fernsehrechte. Wenn nichts dazwischenkommt, wird der Streifen im Frühjahr in privaten Programmen laufen.

Filme, so hat Neonazi Althans richtig erkannt, sind die beste Methode, Fascho-Parolen zu transportieren. Mit ihnen könne er quasi »in jedem Wohnzimmer« sitzen und schwadronieren. »Das schärfste Schwert der Welt«, sagt Althans, »ist das Wort.«

Das hat er reichlich im Werk des Pariser Jungfilmers Winfried Bonengel, 33. Im größten Teil der 83 Filmminuten kann der Neonazi seine Thesen unters Kino-Volk bringen, ungehindert, denn der Regisseur verzichtet völlig auf Text, auf Erklärung oder Widerspruch.

Althans schwingt Reden, Althans ißt, Althans führt ausländische Kameraden durch München, Althans im Freundeskreis. Besonders gespenstisch wirkt eine Szene in Auschwitz. Der Yuppie-Nazi steht im Konzentrationslager und darf vortragen, warum dort, technisch gesehen, keine Juden umgebracht worden sein können: »Sie haben alle überlebt und kassieren jetzt Geld von uns.«

Nur in den Pressetexten, die das Publikum normalerweise nicht liest, distanziert sich der Berliner Verleih Unidoc zögerlich vom Hauptdarsteller. Althans sei, so heißt es schaudernd-bewundernd, »jung, intelligent, sprachgewandt, offensiv und gefährlich«.

Auf fünf kleinen Filmfestivals ist »Beruf Neonazi« gelaufen, wurde aber nirgendwo ausgezeichnet, sondern allenfalls »kontrovers diskutiert« (Bonengel). Die Organisatoren der Berlinale mochten ihn gar nicht erst zeigen.

Das macht nichts, denn die Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen und Hamburg haben den Streifen mit fast 400 000 Mark Zuschuß aus den Kassen ihrer Filmförderung nahezu komplett bezahlt - vorweg, wie üblich.

Die Gefahr schien den staatlichen Mäzenen gering, denn Bonengel ist rechter Umtriebe unverdächtig und wollte nur »die ganze Palette des Wahnsinns zeigen«. Der Zuschauer solle sich nun »seine eigene Meinung bilden«, sagt der Künstler schlichten Gemüts und hofft, »daß die Leute das verstehen«. Künftig aber möchte Bonengel mit dem Thema Neonazis »nichts mehr zu tun haben«.

Das ist auch gut so, denn sein abgegriffener Dokumentarfilmtrick, ohne Text einfach abzufilmen, was die Hauptdarsteller sagen, mag bei depperten Skinheads funktionieren; die entlarven sich sofort. Doch dem cleveren Selbstdarsteller Althans ist Bonengel auf den Leim gegangen.

Mit schmeichelnder Kamera stilisiert er Althans, der von Kameraden je nach Schulabschluß als »Ewald Prahlhans« oder »Neo-Narziß« verspottet wird, zum kommenden Führer der Neonazis hoch. Vor anderthalb Jahren noch konnte Althans tatsächlich auf diese Karriere hoffen. Seine Zukunft, so protzt er in dem braunen Werbespot, sehe so aus: »Die Kameras vor meiner Nase, die Juden im Nacken.«

Doch inzwischen hat sich der Egomane mit vielen Gesinnungsgenossen verkracht. Wenn der Film läuft, amüsiert sich der Langener Neonazi Heinz Reisz, 55, werde es »ein riesiges Gelächter geben«, denn Althans sei in Wahrheit »klinisch tot«. Der Münchner sei »ein Lärmschläger«, höhnt schon die ultrarechte Postille Junge Freiheit, selbst »zum Trommler reichte es nicht«.

Nennenswerten Anhang und Einfluß hat er nicht mehr. Zudem hat sich unter den Rechten das Gerücht herumgesprochen, Althans verkehre unter dem Pseudonym Bernd Adelmann in Münchner Schwulenkneipen. Der Neonazi bestreitet die Kolportage. Denn wer den »Hosenlatz hinten« habe, sagt einer der braunen Kameraden, sei erledigt.

Bonengels naives Porträt könnte jedoch der verkorksten Nazi-Karriere neuen Schub geben. »Der Nationalsozialismus ist nur dann gefährlich«, pflegt Althans zu dozieren, »wenn er salonfähig wird.« Dieses Zitat taucht im Film freilich nicht auf. Y

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