SUBVENTIONEN Risiko für alle
In der Konferenzsuite des Hotels »Margarethenhof«, 278 Meter oberhalb des Bonner Interessendschungels, saßen 25 Professoren über die Subventionspolitik der Bundesregierung zu Gericht. Nach vier Beratungs-Wochenenden sprachen sie das Urteil: Die Gefälligkeitsdemokratie schade der »Gesellschafts und Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik«.
Die Gelehrten, Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium, legten dem Wirtschaftsminister Karl August Schiller dringend nahe, das Subventions-Unwesen zu bekämpfen*. Die Empfän-
* Der Professoren-Beirat fungiert als unabhängige Beobachtergruppe. Er nimmt regelmäßig zu selbstgewählten wirtschaftspolitischen Fragen gutachtlich Stellung.
ger der Hilfszählungen sollen öffentlich genannt werden, und ein politisch unabhängiges Subventionsamt, ähnlich dem Bundesrechnungshof, soll für Ordnung sorgen.
Eine neue Ordnung ist in der Tat vonnöten. Schon unter dem ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer hatten sich Bonn und Bundesbürger daran gewöhnt, daß der Staat räsonierende Wähler mit Zuschüssen aus der Steuerkasse beschwichtigt.
Unter dem Maßhalteapostel Ludwig Erhard schwollen die politischen Besänftigungsgelder um die Hälfte an. Und auch unter dem neuen Kanzler Kiesinger will der Bund jährlich 30 Milliarden Mark umschichten.
Die Beihilfen sind teils als Zinszuschüsse und Steuerermäßigungen getarnt, teils werden sie als Milchpfennige und Sparprämien auch offen hingegeben. Durch insgesamt 493 Subventionslecks versickert derzeit fast die Hälfte der Bonner Steuereinnahmen.
Zu den Kostgängern der öffentlichen Hand zählen insbesondere die Bauern und der Wohnungsbau mit je 5,5 Milliarden Mark Subventionen sowie das Verkehrswesen mit 2,6 Milliarden Mark. Neuerdings bekommt auch der Bergbau über eine Milliarde Mark aus der Bundeskasse.
Ergebnis laut Professoren-Gutachten: »Die unternehmerischen Freiheitsrechte verlieren ihre Legitimation.« Denn das Risiko der Unternehmer werde durch die Subventionen »auf die Allgemeinheit abgewälzt«.
Schon in vergangenen Legislaturperioden hatte es an dieser Einsicht nicht gefehlt. So wies 1959 der damalige CDU-Finanzminister Franz Etzel die Hilfszahlungen des Bundes öffentlich aus. 1960 setzte das Bonner Parlament auf Vorschlag des SPD-Abgeordneten Erwin Schoettle einen Sonderausschuß zwecks »Streichung oder Abbau« der Zuschüsse ein. Noch im Herbst 1966, auf dem Höhepunkt der Bonner Kassenkrise, forderte der Deutsche Industrie- und Handelstag pauschale Abstriche bei den Subventionen.
Etzels optimistische Vorhersage, die öffentlichen Finanzhilfen an private Branchen und Betriebe würden sich »durch Hebung der Rentabilitätsverhältnisse möglichst bald selbst überflüssig machen«, war falsch. Der Schoettle-Ausschuß trat nie zusammen. Es wurde auch nicht pauschal gekürzt.
Einen neuen Vorstoß unternahmen in diesem Frühjahr die beiden Bonner CDU-Parlamentarier Dr. Otto Schmidt und Hans Dichgans. Sie wollen durch Bundesgesetz festlegen, daß jeder Subventionsempfänger eine Art Armutszeugnis unterschreiben muß.
Vorgeschlagener Text: »Ich nehme ... Vergünstigungen zu Lasten öffentlicher Mittel in Anspruch, weil ich (sonst) ... nicht in der Lage bin, die Leistungen zu erbringen, die durch die Vergünstigungen gefördert werden sollen.«
Bundeswirtschaftsminister Schiller hingegen hat sich im Stabilitätsgesetz lediglich dazu verpflichtet, alle zwei Jahre einen Subventionsbericht vorzulegen.
Das alles reichte den 25 Professoren nicht. Sie fordern von der Bundesregierung einen jährlichen Subventionsbericht. Darin sollen für jede Hilfszahlung außer dem »wirtschaftspolitischen Ziel« genannt werden:
* die Vorteile für die Begünstigten,
* die Belastung der Benachteiligten,
* der Einfluß auf die Konkurrenz.
Wer Subventionen annimmt, der soll den Zuschuß in seiner Bilanz ausweisen. Die Professoren empfehlen, als zusätzliche Ausgabenbremse eine »besondere Stelle« beim Bundestag einzurichten. Aufbau und Besetzung des neuen Amtes müßten noch »geprüft« werden.
In öffentlicher Verhandlung könnte sich beispielsweise ein Kunststoffhersteller dagegen wehren, daß der Staat den Stahlfabrikanten durch Subventionen Wettbewerbsvorteile verschafft.
Ein Argument für die Beschwerdeführer lieferten die Professoren mit. Es ist zugleich ein Argument gegen die meisten Subventionen: »Schlechte Unternehmensführung darf nicht nachträglich durch Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln belohnt werden.«