FEISAL Ritt in die Wüste
Im November 1953, am Sterbebett seines Vaters, des Saudiarabien -Gründers König Ibn Saud, schwor er, seinen älteren Bruder, den Thronfolger Saud, niemals zu stürzen.
Im März 1964 nahm er dem Bruder die Macht, in der vorletzten Woche auch noch den Königstitel: Feisal Ibn Abd el-Asis Ibn Abd el-Rahman el-Feisal al Saud, 59, seit sieben Monaten bereits Regent mit allen Vollmachten, will als neuer König des riesigen Wüstenreichs - es ist mit 1,6 Millionen Quadratkilometern sechsmal so groß wie die Bundesrepublik - aus dem mittelalterlichen Morgenland einen modernen Staat machen.
Die Pläne des Reform-Königs sollen die Monarchie im eigenen Land stützen und den Feinden der Monarchie außer Landes schaden: Feisal will beweisen, daß der arabische Revolutionär Nasser im größten Araber-Reich keine Chance hat und daß dem panarabischen Hegemonie-Streben des Ägypters Grenzen gesetzt werden können.
Die Absetzung seines Bruders als König war der erste Schritt Feisals auf diesem Wege. Denn die verschwenderische Feudal-Herrschaft Sauds diente den Propagandisten Kairos jahrelang als Demonstrationsobjekt monarchistischer Verkommenheit.
Saud, dessen persönliches Einkommen von 1946 bis 1964 auf 11,2 Milliarden Mark geschätzt wird, baute Mammutpaläste aus Marmor und Stahl.
Sein Nazirija-Palast in der Hauptstadt Riad hat eine Grundfläche von fünf Quadratkilometer. Saud umgab sich mit einem Hofstaat von 5000 Personen. Er kaufte Dutzende von Cadillacs und 100 Konkubinen. Die Zahl seiner Töchter wurde nie ermittelt - sie zählen im Männer-Reich der Moslems nicht. Seine 40 Söhne bedachte er mit Prunkschlössern, Luxus-Gespielinnen und Millionen-Apanagen.
Durch klotzige Geldgeschenke erhielt sich Saud die Loyalität despotischer Beduinen-Häuptlinge. Die Masse des Sieben-Millionen-Volks auf der arabischen Halbinsel aber lebte in primitivster Armut, der Willkür grausamster Feudaljustiz ausgesetzt: Diebe wurden durch Abhacken der rechten Hand bestraft; den Armstumpf tauchte der Henker anschließend, um die Blutung zu stillen, in siedendes Öl.
Saud und seine \wüsten Söhne brachten das Land, das unter den Erdölproduzenten der Welt an fünfter Stelle steht, trotz der ständig wachsenden Einnahmen aus den Ölvorkommen (1963: 1,6 Milliarden Mark) an den Rand des Bankrotts.
Während der akuten Finanzkrise im Jahre 1958 ergriff deshalb Feisal - von seinem Vater zum Thronfolger, Ministerpräsidenten und Außenministet bestimmt - zum erstenmal mit Einwilligung Sauds die Zügel der Macht.
Der alte König Ibn Saud hatte den anspruchslosen, asketischen Feisal - er lebt in Einehe und verschmäht nach den streng puritanischen Gesetzen der saudiarabischen Wahhabiten-Sekte Kaffee, Nikotin und Alkohol - als den fähigeren der beiden Brüder schon 1953 mit den laufenden Regierungsgeschäften betraut. Kurz vor seinem Tod erklärte Ibn Saud: »Ich wollte, aus Feisal wären Zwillinge geworden und Saud wäre nie geboren.«
Finanzretter Feisal bremste den Bruder-Leichtsinn mit drastischen Sparmaßnahmen, schuf das erste ordentliche Staatsbudget und plante den Bau von Schulen, Krankenhäusern und Wohnungen.
Doch kaum waren die Finanzen wieder saniert, da entzog der 1,90 Meter lange Ölfeld-Herr seinem Bruder alle Vollmachten und baute neue Paläste. Bruderhüter Feisal aber - wie immer, wenn er sich mit Saud zerstritten hatte - ritt in die Wüste und jagte Füchse.
Im Herbst 1962 zwang Saud-Feind Nasser den spitzbärtigen Herrscher in Riad, erneut die Stellung Bruder Feisals zu stärken: Bataillone ägyptischer »Freiwilliger« landeten im Jemen, wo rebellierende Armee-Offiziere den mit dem saudiarabischen Königshaus befreundeten Imam gestürzt hatten.
Feisal, seit 1959 auch Verteidigungsminister, unterstützte die Imam-treuen jemenitischen Bergstämme und lieferte ihnen moderne Schnellfeuerwaffen und Kanonen. Nasser schickte 40 000 Soldaten in den Jemen und erschöpfte dadurch Kairos Finanzreserven. Der von Feisal organisierte Widerstand der Royalisten aber blieb ungebrochen.
Mitte September dieses Jahres trat Nasser den Rückzug an: Auf sein Drängen trafen sich jemenitische Republikaner mit von Feisal ausgesuchten Vertretern der Royalisten zu Waffenstillstandsverhandlungen im Sudan.
Am Sonntag vergangener Woche, sechs Tage nach dem Ölkönig-Wechsel in Riad, wurde im Jemen der Waffenstillstand proklamiert. Nasser-Gegenspieler Feisal hatte, kaum auf dem Thron, seine erste Runde gegen den Monarchistenfeind in Kairo gewonnen.
König Feisal, Ex-König Saud: Zum Wohle der Monarchie ...
... den König entthront: Saud-Thronsaal im Nazirija-Palast